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In der Geschichte der Chinesischen Malerei wurde vielleicht kein anderes Bild so häufig wie das Bild "Die Flussufer-Szene vom Qingming-Fest" (Qing Ming Shang He Tu),das im Palastmuseum Beijings aufbewahrt wird, kopiert. Sein unvergleichlicher Ruhm zeigt sich in der Tatsache, dass einige Dutzend andere Bildrollen seinen Titel tragen.
Das Bild "Die Flussufer-Szene vom Qingming-Fest" stammt von Zhang Zeduan, einem Maler der Nördlichen Song-Dynastie (960 - 1127). Das Bild stellt bildhaft und peinlich genau die volkstümlichen Sitten in Bianliang (heute Kaifeng), der Hauptstadt der Song-Dynastie, dar. 1126, kurz nach der Vollendung dieses Bildes, eroberten die Soldaten des Reiches Jin, das von den Nuzhens, einer ethnischen Gruppe, die in Nordchina lebte, gegründet worden war, die Stadt. Später hörte diese einst prosperierende Stadt infolge der Überschwemmung durch den Gelben Fluss auf, zu existieren.
Eine Enzyklopädie des Stadtlebens
Dieses Bild ist eine horizontale Bildrolle. In seinem langen und schmalen Raum ist fast alles, was eine geschäftige Stadt haben kann, gezeichnet: Straßen, ein Fluss, Boote, Brücken, Wagen, Sänften, Stadtmauern, Häuser, Menschen von verschiedenen Berufen, Pferde und Kamele.
Das Bild beginnt mit Szenen außerhalb der Stadt Bianliang: Weiden, Häuser, Felder und Gemüsebeete sind in Morgendunst gehüllt. Karawanen und mit Gütern beladene Esel gehen auf dem Weg zur Hauptstadt. Als sich die Karawanen der Stadt nähern, zeigen sich Gästehäuser und Warenhäuser an den beiden Seiten der breiten Straße, und Häuser, die mit bräunlichen Dachziegeln bedeckt sind, werden immer ordentlicher.
Der Bianhe-Fluss, der durch die Stadt fließt, erscheint im Bild. Auf ihm fahren über zehn Passagier- und Frachtschiffe. Einige legen am Flussufer an, während andere durch eine Laufplanke entladen werden. Ein großes, voll beladenes Schiff, das von fünf Treidlern gezogen wird, geht langsam stromaufwärts. Die Bootsfahrer, die ein anderes Boot rudern, suchen nach einem Anlegeplatz.
Wenn das Bild weiter entrollt wird, sieht man, dass der Fluss immer schmaler wird. An seiner schmalsten Stelle spannt sich eine Bogenbrücke wie ein Regenbogen. Unter der Brücke passiert gerade ein Passagierschiff. Der Mast des Schiffes ist hingelegt worden. Während einige Bootsfahrer das Schiff staken, kommandieren, beobachten oder schreien andere.
Auf der Brücke sammeln sich viele schaulustige Stadtbürger. Sie stehen dicht gedrängt am Brückengeländer. Einige hilfsbereite Leute sind sogar über das Brückengeländer geklettert und schreien und gestitulieren mit ihren Händen. Sie scheinen, den Bootsfahrern zu sagen, wie sie das Schiff sicher durch die Brücke steuern sollen.
Nach der Brücke ist ein dekorierter Pavillon zu sehen. Hier ist eine große Konzentration von Häusern und Menschen. Die Straße ist gesäumt von Schuppen und Läden, die allerlei Waren verkaufen.
Weiter vorwärts sieht man eine flache Holzbrücke, die sich über den Schutzgraben spannt. Die Brücke führt zu einem Stadttor mit einem Turm darauf. An den beiden Seiten des Stadttors sind Stadtmauern aus Erde, deren Oberfläche von kleinen Bäumen bewachsen.
In der Innenstadt springt eine lebhafte Szene dem Betrachter ins Auge: Die Leute reiten mit Eseln, tragen mit einer Tragstange Körbe, schieben Karren oder tragen Sänften. An einer Seite der Straße steht ein zweistöckiges Restaurant, in dem die Gäste trinken, essen oder Fingerknobeln machen. Der Aufbau des Restaurants erinnert an das "Löwen"-Restaurant in den "Geschichten vom Liangshan-Moor", einem populären klassischen chinesischen Roman. Im "Löwen"-Restaurant tötete Wu Song, einer der Helden des Romans, Ximen Qing, einen örtlichen Despoten, um den Tod seines Bruders zu rächen.
In der Nähe des Restaurants ist eine Straßenkreuzung, durch die die Passanten in verschiedene Richtungen gehen. An der Straße gibt es einen Brunnen, aus dem zwei Personen mit großer Mühe Wasser schöpfen, während eine andere Person wartet. Am Ende des Bildes ist ein Haus mit einer horizontalen Tafel, auf der der Name des Eigentümers des Hauses zu lesen ist. Vor der Tür konsultiert eine Person einen Arzt.
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