Bewölkter Himmel, neblige Berghänge - bei der Ankunft an der Sanzu Kulturstätte könnte man fast meinen, dass der sagenumwobene chinesische Stammesführer Chiyou wie schon vor 5000 Jahren seine Finger im Spiel hatte. Der Legende nach hat der Widersacher von Huangdi, dem gelben Kaiser und dessen Bruder Yandi den Regengott um Beistand gebeten, um den feindlichen Truppen die Sicht zu erschweren. Geholfen hat es Chiyou letztendlich nicht, Huangdi triumphierte und gilt bis heute als der Urvater der chinesischen Kultur.
Die Sanzu Kulturstätte (Sanzu bedeutet so viel wie "drei Urahnen") liegt im Kreis Zhuolu, der von Historikern als Wiege des chinesischen Volkes angesehen wird. Das riesige Areal entstand erst in den neunziger Jahren und wird immer noch ausgebaut. Es war hier in Zhuolu, wo die entscheidende Schlacht zwischen den verfeindeten Stämmen von Huangdi und Chiyou stattgefunden haben soll. Wie es nun mal so ist, schreiben die Sieger die Geschichte. Folglich wurden Huangdi und Yandi seit Jahrtausenden als Urahnen des chinesischen Volkes verehrt, die ein vereintes China erst möglich machten. Chiyou hingegen wird meist als barbarisches Monster beschrieben, das vor allem für erstklassige Waffen und seine Kriegskünste berüchtigt war.
In den letzten Jahrzehnten hat sich die historische Einordnung der Figur Chiyou jedoch mehr und mehr gewandelt und das zeigt sich auch im Tempel der drei Urahnen (Zhonghua Sanzutang) der Kulturstätte in Zhuolu. Chiyous Statue steht hier erstmals ebenbürtig neben denen seiner beiden Widersacher. Ein später Triumph einer der wichtigsten Figuren in Chinas Entstehungsgeschichte. Reliefs im inneren des Tempels erzählen die Legende der drei Urkaiser nach.
Jahr für Jahr strömen viele Chinesen nach Luzhou um zum Ursprung ihrer Vorfahren und damit auch ihrer eigenen Identität zurückzukehren. Im Jahr 2011 waren es rund 600.000 Besucher, besonders im Sommer strömen tagtäglich hunderte Touristen in die Kulturstätte. Unweit des Tempels der drei Urahnen wartet eine monumentalen Stahlskulptur auf die Besucher. Neun Drachen, die in der chinesischen Kultur den Kaiser symbolisieren, greifen nach der Sonne. Umgeben ist die riesige Skulptur von kreisförmig angeordneten Säulen - 56 an der Zahl, eine für jede der chinesischen Minderheiten. An imposante Riesenbauten gewöhnt man sich in China eigentlich schnell. Doch die Neun-Drachen-Skulptur auf dem erhöhten Plateau mit den vernebelten Berghängen im Hintergrund wirkt wie der Schauplatz für einen epochalen Kinofilm - es scheint fast als ob Chiyou und sein Regengott einem ganz nahe sind.
Apropos Kino - unweit der Sanzu-Kulturstätte wird zur Zeit eine 40-teilige TV-Serie über die Legenden von Huangdi, Yandi und Chiyou gedreht. Der Regengott des "rehabilitierten" Urahnen dürfte also bald auch im Fernsehen sein Unwesen treiben.