Cao Kefei (*1964) ist in China und Europa als Theaterregisseurin, Autorin und Übersetzerin tätig. Zudem leitet sie die Beijinger Theatergruppe Ladybird.
Im Theater lebt die Seele auf -- Interview mit der Theaterregisseurin Cao Kefei
Cao Kefei wurde im Jahr 1964 in Shanghai geboren. Ende der 1970er Jahre, zu Beginn der Reform- und Öffnungspolitik, war Caos Vater in Deutschland unterwegs. Im Anschluss an diese Reise, ermutigte er seine Tochter Deutsch zu lernen.
Nach ihrem Germanistik-Abschluss in Schanghai beschloss Cao Kefei in den 1980er Jahren in der Schweiz ein Studium der Theaterwissenschaften anzuschließen. Es folgte ein Regiepraktikum am Schauspielhaus Zürich. Der erste Schritt zu ihrer späteren Regie-Karriere, wie Cao Kefei berichtet.
"Ich stand zwar schon als Kind mit großer Freude auf der Bühne, doch hatte ich damals noch überhaupt keine Ahnung, was ein Regisseur eigentlich macht. Ich hatte nicht einmal während meines Studiums der Theaterwissenschaften in der Schweiz den Wunsch, Regisseurin zu werden. Allerdings nahm ich während dieser Zeit an einigen Theaterprojekten teil. Auf diese Weise wurde mir allmählich bewusst, was ein Regisseur eigentlich macht. Mein Interesse an diesem Beruf wurde dadurch entfacht. Dank der Empfehlung von meinem Lehrer konnte ich am Schauspielhaus Zürich ein Regiepraktikum machen. Erst hier entdeckte ich mein Interesse an der Inszenierung von Theaterstücken, das heißt Texte in dreidimensionale Bühnenwerke zu verwandeln. In Zürich wollte ich später selber Regie führen."
Cao Kefei ist davon überzeugt, dass das Theater eine wichtige Rolle im Leben der Menschen einnimmt. Für sie ist das Theater ein unentbehrlicher Bestandteil der Gesellschaft. Dazu sagt sie,
"Das Theater hilft, seinen Emotionen freien Lauf zu lassen und gegenüber dem Leben eine gewisse Haltung einzunehmen. Wie bei der Dichtung, der Musik oder der Malerei kann auch das Theater eine kathartische Wirkung auf den Menschen haben. Die Sehnsucht nach dem Theater ist bei uns allen tief in der Seele verankert.
Ein gutes Theaterstück legt die Realität schonungslos offen, öffnet dem Publikum gleichzeitig eine andere Perspektive auf die Gesellschaft und verleiht ihm eine andere ästhetische Wahrnehmung gegenüber dem Leben.
Dank des Theaters bleiben wir der Realität gegenüber kritisch eingestellt und betrachten sie nicht als selbstverständlich, in geistiger und auch in körperlicher Hinsicht. Bei der Inszenierung eines Theaterstückes stößt man durch die Suche nach Essenz und durch physische Aktion beispielsweise ständig an seine eigenen Grenzen. Das ist nicht nur für Kunstschaffende von großer Bedeutung, sondern für jeden einzelnen Menschen.
Wenn durch Theater solche Räume, Kontakte und Begegnungen entstehen, findet man das eigene Leben nicht mehr so monoton."
Heute zählt Cao Kefei zu den bekanntesten chinesischen Theaterregisseurinnen. Seit vielen Jahren engagiert sie sich für den Theateraustausch zwischen China und Deutschland sowie der Schweiz. Im Jahr 2006 wurde sie aufgrund ihrer Verdienste um den Kulturaustausch mit dem Deutsch-Chinesischen Freundschaftspreis ausgezeichnet.
Neben der Regie beschäftigt sich Cao Kefei gerne mit dem Schreiben und Übersetzen von Theaterstücken. Sie kann sich für die Eigenschaften großer europäischer Theaterstücke begeistern. Ihr Ziel ist es, noch mehr deutsche Werke auf die Bühnen Chinas zu bringen. Stücke von Roland Schimmelpfennig und Marius von Mayenburg hat sie bereits ins Chinesische übertragen. Sie sagt,
"Ein gutes Theaterstück schafft es, die Seele des Publikums zu berühren. Es gibt viele Beispiele hierfür, wie etwa die Werke des Schweizer Regisseurs Christoph Marthaler oder die des belgischen Regisseurs Luk Perseval. Die beiden haben mit ihren Werken den Nerv unserer Zeit getroffen. Hervorragende Theaterstücke sind nicht immer ein Genuss fürs Auge. Ganz im Gegenteil! Werke, die wirklich erschütternd und ergreifend sind, wühlen das Publikum auf und lassen es eigene Beschränktheit erkennen. Solche Werke können deine innere Energie freisetzen und deine Emotionen sublimieren. Nur ein solches Werk ist auch wirklich überzeugend und meisterhaft."
Übersetzt von Xu Qi
Gesprochen von Lu Ming