Sie hörten gerade einen Ausschnitt aus der Erzählung "Muttermilch" von dem chinesischen Schriftsteller Guo Xuebo. Die Erzählung dreht sich um die Beziehung zwischen Mensch und Natur. Eine Wölfin in der Säugezeit, deren Jungen von Menschen getötet wurden, raubt ein Kind, damit ihre Säugeschmerzen gelindert werden. Sie säugt es und kümmerte sich um das Kind, als ob es ihr eigenes Junges wäre. Doch dann passiert ein Unglück. Als das Kind versucht, aus einem Eisloch in einem Fluss Wasser zu trinken, fällt es in das eiskalte Wasser. Die Wölfin springt in das Loch, um das Kind zu retten - doch schafft es nicht. Schließlich stirbt sie zusammen mit dem Kind im kalten Wasser. Die Szene über den Tod der Wölfin und des Kindes soll die Menschen ermahnen, über die Beziehung zwischen ihnen und der Natur ernsthaft nachzudenken. Mit dieser Erzählung hat der Autor Guo Xubo im Jahr 2001 den Deutsche-Welle-Literaturpreis gewonnen.
Als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2009 hat China vor kurzem eine Vorlesungsreise für chinesische Schriftsteller nach Deutschland organisiert. Der Schriftsteller Guo Xubo hat bei seiner Reise im Mai in Deutschland die Erzählung "Muttermilch" auf drei Lesungen vorgetragen. Dabei kamen einigen Zuhörern aus dem Publikum die Tränen, als sie hörten, dass die Wölfin ins Wasser springt, um das Kind zu retten. Viele Hörer zeigten großes Interesse an der chinesischen Kultur und Literatur, erinnert sich Guo Xuebo:
"Zu meiner Lesung kamen deutsche Theaterspieler, Schriftsteller, Journalisten und auch einfache Lesefreunde. Sie interessierten sich für die chinesische Literatur, Kultur, die Umwelt und die Lebenssituation der Chinesen. Sie wollten auch gerne wissen, wie ich auf die Ideen meiner Erzählungen gekommen bin. Ich glaube, mit der schnellen Wirtschaftsentwicklung Chinas werden die chinesische Literatur und Kultur ebenso weltweit große Beachtung finden."
Guo Xubo wurde 1948 geboren und ist ein Angehöriger der mongolischen Nationalität. Nach dem Studium an der Fakultät für Theaterliteratur an der Zentralen Theaterakademie Chinas war er als Redakteur tätig. Er gehörte außerdem dem chinesischen Schriftstellerverband an. Bekannt wurde er durch Romane wie "Feuerschatz", "Die Fee am Fluss Xilin", "Wolfskinder" und den Erzählband "Wüstenschakale". In seinen Werken legt er großen Wert auf die Umwelt und die Beziehung zwischen Mensch und Natur:
"Ich bin im Horqin-Grasland aufgewachsen. Meine Heimat ist heute von schwerer Verwüstung bedroht. Die Umweltsituation im Horqin-Grasland ist bereits sehr schlimm. Noch hinzu kommen Probleme wie Umweltverschmutzung und Wasserverschmutzung in ganz China. Deshalb lege ich seit langer Zeit großen Wert auf die Umwelt. Ich möchte durch meine Werke an die Menschen appellieren, mehr über die Umweltprobleme nachzudenken und sich für den Umweltschutz einzusetzen."
Die deutschen Zuhörer bei der Lesung zeigten nicht nur Interesse an der Umweltliteratur von Guo Xuebo, sondern sie interessierten sich auch für seine Herkunft. Als Schriftsteller der mongolischen Nationalität wurde er mehrmals gefragt, wie die nationalen Minderheiten in China leben. Guo Xuebo hat das deutsche Publikum detailliert darüber informiert:
"Ich habe mich bei der Lesung mit dem deutschen Publikum gut ausgetauscht. Die Zuhörer interessierten sich dafür, wie ich aufgewachsen bin, für meine Erlebnisse als Autor und auch für die Lebenssituation der nationalen Minderheiten in China. Ich habe ihre Fragen detailliert beantwortet. Teilweise hatte ich das Gefühl, dass viele Deutsche nicht so viel über China wissen."
Guo Xuwei bedauerte auch, dass er sehr wenig deutsche Gegenwartsliteratur kennt. Ihm gefallen persönlich die Werke von Heinrich Heine, Goethe und Schiller. Auch viele deutsche Philosophen und Denker wie Immanuel Kant, Feuerbach und Hegel hatten auf ihn einen großen Einfluss. Aber er muss gleichzeitig zugeben, dass bislang noch zu wenig deutsche Gegenwartsliteratur in China eingeführt worden ist. Er sagt, China organisiere seit Jahren viele Reisen für Schriftsteller ins Ausland. Er hoffe, dass auch umgekehrt immer mehr deutsche Schriftsteller nach China reisen und chinesischen Lesern ihre Werke vorstellen könnten:
"Die chinesischen Schriftstellerverbände verschiedener Ebenen organisieren seit Jahren viele Auslandsreisen für Schriftsteller. Auf diese Weise können die Ausländer chinesische Schriftsteller kennen lernen und erfahren, wie die chinesischen Autoren denken und leben. Umgekehrt würde ich mich auch auf eine Vorlesungsreise von deutschen Schriftstellern nach China freuen. Das würde uns die deutsche gegenwärtige Literatur näher bringen."
China ist der Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse 2009. Guo Xuebo sieht darin eine gute Chance, chinesische Schriftsteller und Literatur der Welt vorzustellen. Er drückt auch seine Hoffnung auf die Buchmesse aus:
"Ich wünsche China als Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse 2009 viel Erfolg. Ich hoffe, dass die Welt mehr über den chinesischen Buchmarkt, die literarischen Werke und die chinesische Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur erfährt. Und die deutschen Verleger können auch mehr chinesische literarische Werke nach Deutschland einführen, um das Verständnis beider Länder zu fördern."