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Der Berg Tianshan trennt die uigurische autonome Region Xinjiang in zwei Teile, deren Klima und Landschaft sich stark unterscheiden. Während sich im Norden die Karamay Ölfelder und ein fruchtbares Tal rund um den Fluss Ili befinden, ist der südliche Teil Xinjiangs im Vergleich recht ärmlich. In den letzten Jahrzehnten hat China große Summen investiert, um die Armut in Süd-Xinjiang zu verringern. Neben anderen Bereichen wurde insbesondere die Bildung gefördert…
Die 13jährige Merhaba stammt aus der Region Kashgar in Süd-Xinjiang. Jetzt lernt sie an der Mittelschule Nr. 66 in Urumqi, der Hauptstadt Xinjiangs. Die Achtklässlerin ist eine von 15tausend Schülerinnen und Schülern von ethnischen Minderheiten aus strukturschwachen Gebieten, die nun kostenfreie Bildung in den entwickelten Städten der Region erhalten.
"Nach meinem Abschluss an der Mittelschule würde ich gerne in eine große Stadt außerhalb Xinjiangs gehen, um weiter zu studieren. Danach werde ich in meine Heimatstadt Kashgar zurückkehren. Kashgar bietet viele tolle Sehenswürdigkeiten. Wir haben die besten Früchte der Welt. Ich hoffe, dass in Zukunft noch mehr Menschen über Kashgar und seine tollen Früchte erfahren."
Merhaba erzählt, dass in ihrer Heimatstadt nur wenige Mittel für Bildung bereitstünden, der Anteil der Schulabbrecher sei hoch. Hier in Urumqi sei das anders, die Schüler hätten bessere Lehrer, Schulbücher und Lernräume. In den Klassen gebe es große Begeisterung und viel Ehrgeiz bei den Schülerinnen und Schülern, sagt Merhaba.
Sie selbst wurde vor einem Jahr in die Mittelschule Nr. 66 in Urumqi aufgenommen, nachdem sie die strenge Aufnahmeprüfung mit Bravour bestanden hatte. Die Freude über die Chance an so einer modernen Schule lernen zu dürfen, hat Merhaba schnell über ihr Heimweh hinweg geholfen:
"Ich kannte niemanden, als ich hier ankam. Ich fühlte mich alleine und hatte Heimweh. Alles war so anders als zuhause, auch das Wetter war anders. Aber meine Lehrer und Mitschüler haben mir sehr geholfen und ich habe mich schnell an die neue Umgebung gewöhnt. Die Lehrer helfen uns mit alltäglichen Angelegenheiten, sie bringen uns alles bei. In der Klasse und nach der Schule gibt es ein spannendes Angebot an Aktivitäten. Da ist es einfach, sich an mein neues Leben zu gewöhnen."
Merhaba hat jetzt die Leitung des Schulfernsehens an der Urumqi Mittelschule Nr. 66 übernommen. Die Dreharbeiten über den Alltag ihrer Mitschüler und wichtige Ereignisse in der Schule sind zu einem wichtigen Teil ihres Lebens geworden, der ihr Freude macht. Merhabas älterer Bruder hat die Mittelschule bereits abgeschlossen und ist nach Shanghai gezogen, um dort die Oberschule zu besuchen. Merhaba ist sehr stolz auf ihren Bruder:
„Ich will nach Shanghai gehen. Mein Bruder ist schon in Shanghai und er schickt uns häufig Bilder. Es sieht so modern aus. Ich würde sehr gerne einmal dort hinfahren und mir diese schöne Stadt anschauen."
Die Lehrer der Mittelschule schätzen, dass mindestens die Hälfte der Kinder nach dem Abschluss auf Oberschulen in Städten wie Beijing, Shanghai oder Guangzhou wechseln werden. Der Lehrer Zhang erzählt, wie die Absolventen trotz der großen Entfernung in Kontakt mit ihrer alten Schule bleiben:
„Ich bin froh, dass diese Kinder oft in ihren Ferien zurückkommen und uns besuchen. Es gibt ein enges Band zwischen ihnen und der Schule. Manche schicken uns Postkarten aus den Städten, in denen sie jetzt leben. Sie schicken uns kurze Nachrichten, um uns aus ihrem Leben zu erzählen: Nicht nur wie gut es ihnen geht, sondern auch über die Probleme, die sie beschäftigen. Manchmal schreiben sie uns auch, wie sehr sie ihre alte Schulzeit vermissen. Es ist sehr rührend. Die meisten kommen nach der Universität irgendwann zurück nach Xinjiang, und werden dann zu neuen Stützen der lokalen Gemeinschaft."
Die 13 Jahre alte Merhaba hat wenig Zeit, um sich Gedanken über die ferne Zukunft zu machen. Aber sie kennt das Motto „Ohne Fleiß, kein Preis". Die uigurische Muttersprachlerin hat fließend Mandarin gelernt, und versucht nun, gemeinsam mit ihren Mitschülern, eine weitere Sprache zu meistern: Englisch.
Meng Lang ist der Direktor der Mittelschule Nr. 66 in Urumqi. Er erzählt, wie die mehrsprachige Erziehung dabei hilft, Sprachbarrieren abzubauen und das Verständnis zwischen den unterschiedlichen ethnischen Gruppen zu verbessern. In Xinjiang gehören etwa 60 Prozent der Bevölkerung einer Minderheit wie etwa den Uiguren, Kasachen, Russen oder Mongolen an.
„Es ist unabdingbar für die Kinder, dass sie mehr als eine Sprache kennen. Wenn sie gleichzeitig in ihrer Muttersprache, in Mandarin und auf Englisch lesen und schreiben können, hilft es ihnen dabei, sich besser in die Welt da draußen zu integrieren."
Für den Schuldirektor sind die Kinder die Zukunft. Seiner Ansicht nach kann die Armut in Xinjiang nur verringert werden, wenn das Bildungssystem ausgebaut wird. Bildung stärke die Vernunft der Menschen und das sei wichtiger als alles andere.
Übersetzt von Moritz Nienhaus
Gesprochen von Zhong Xi