Bessere Schulbildung ohne Hausaufgaben?
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In vielen großen Buchhandlungen in Beijing sind Eltern mit ihrem Kind zu sehen, in deren Einkaufskörben Schreibhefte als ergänzendes Lernmaterial liegen. Genau das aber wird nach der kürzlich veröffentlichten Politik zur Entlastung für Grundschulschüler nicht mehr empfohlen.
Der vom Bildungsministerium ausgegebenen Hinweis hat das Ziel, die schwere Belastung der Schüler durch Hausaufgaben zu reduzieren. So sollen den Grundschülern keine in der Freizeit zu erledigenden schriftlichen Hausaufgaben in irgendeiner Form mehr erteilt werden. Stattdessen sollten die Schulen mit den Eltern zusammenarbeiten, um mehr außerschulische Aktivitäten wie Museumsbesuche oder Bibliotheksstudien zu organisieren.
Andererseits wollen Eltern überhaupt nicht, dass ihr Kind irgendwie zurück bleiben könnte. Viele Eltern opfern also immer mehr Freizeit des Kindes, damit es in der Schule bessere Resultate holt, wie eine Mutter bestätigt:
„Die Hausaufgaben, die von den Lehrern in der Klasse geben werden, sind wirklich viel weniger als die in der Vergangenheit. Aber auf der anderen Seite stehen wir Eltern unter großem Druck. Was in der Schule unterrichtet wird, ist nicht genug für die Schüler. Die Eltern müssen es in der Freizeit verstärken."
Zhang Ruiyue ist eine Grundschulschülerin in der fünften Klasse. Sie sagt, dass viele ihrer Klassenkameraden an mehreren Kursen nach der Unterrichtszeit teilnehmen, um besser für den Wettbewerb bei den Aufnahmeprüfungen für die Mittelschule gerüstet zu sein.
„Jeder meiner Klassenkameraden nimmt an mehreren Kursen nach der Schule teil. Sie besuchen mindestens einen Kurs täglich und bis zu 10 solcher Kurse pro Woche. Der populärste Kurs ist die Mathematik-Olympiade, in der wir lernen, Mathe-Aufgaben für eigentlich ältere Altersgruppen zu lösen. Aber die Eltern sagen, dass es wohl solche Fragen in den Aufnahmeprüfungen zur Mittelschule gibt."
Punkte und Prüfungen geben immer noch mehr Aufschluss auf die schulischen Leistungen der Kinder als die quantitativ unmessbaren Vorteile eines Museumsbesuchs oder anderer außerschulischer Aktivitäten.
Kang Jian, Professor am Pädagogischen Institut der Universität Beijing, weist darauf hin, dass die vom Bildungsministerium ausgegebene neue Politik keine wirkliche Reduzierung der Lernbelastung der Schüler bringt, solange die Kriterien für die Leistungsbewertung in der chinesischen Gesellschaft nicht verändert werden.
„Mit welchen Maßstäben werden die Ergebnisse der Schulbildung und der Wert einer Person gemessen? Natürlich an den Prüfungspunkten. Und ein Kind ohne hohe Punktzahlen wird als „Loser" betrachtet. Dieses Problem muss behoben werden. Heute verwendet man immer noch den primären Standard aus den Prüfungsergebnissen, die die Schüler und Studenten bewerten. Natürlich werden Eltern eher diesem Standard folgen als irgendwelchen neuen Konzepten, die alte ersetzen sollen."
Diese Meinung von Kang Jian wird von Frau Heng, eine Mutter aus Xuzhou in der Provinz Jiangsu unterstützt. Zwar würde sie ihrem Kind gerne mehr Zeit geben, etwas zu spielen und zu erfahren, was es mag. Aber sie habe keine andere Wahl als sich der Mehrheit jener Eltern anzuschließen, die ihre Kinder drängen, mehr Übungen nach der Schule zu machen.
„Wenn die Behörden die Aufnahmeprüfungen für Mittel- und Oberschulen sowie Universitäten und das ganze Prozedere der Talentauswahl nicht reformieren, dann kann die Politik des Bildungsministeriums keinen praktischen Beitrag dazu leisten, die Belastungen der Schüler zu erleichtern."
Der Teufelskreis aus den Versuchen, die Belastungen der Schüler zu reduzieren, und dem Scheitern dieser Versuche, ist in Jiangsu und vielen anderen Provinzen in den letzten Jahren wiederholt worden. Immer hatten die Schulämter versucht, die Last der Schüler zu mildern. Der einzige Weg, das Problem zu lösen, wird aber tatsächlich eine umfassende Veränderung des Bildungssystems sein.
Verfasst von: Liu Xinyue
Gesprochen von: Li Yanping