Altersheime – Zuflucht vor der Einsamkeit
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Sie hörten soeben ein Orchesterstück, gespielt mit der traditionellen chinesischen Kniegeige Erhu. Die Orchestermitglieder sind allesamt Senioren aus dem Shenyanger Altersheim. Das älteste Mitglied ist 83 Jahre alt, das jüngste 70. Die 74-jährige Zhou Xuejun ist Begründerin der Musikgruppe:
"Derzeit lernen wir die Tonart D-Dur. Die Melodie ist nun erkennbar, zu Beginn klang sie fürchterlich! Am 1. Mai des vergangenen Jahres trat unser Orchester zum ersten Mal auf die Bühne. Am 1. Juli dieses Jahres das zweite Mal. Es ist schon großartig für die 70- bzw. 80-Jährigen, die vorher keine Ahnung von Erhu-Musik hatten."
Vor einem Jahr vermieteten Frau Zhou und ihr Mann das eigene Haus und zogen ins Altersheim. Zuvor konnte sich die 74-Jährige kaum vorstellen, ihren Lebensabend im Altersheim zu verbringen, bis sie eines Tages im Krankenhaus lag. Frau Zhou erinnert sich:
"Die Patientin im Nebenbett lag dort und war dem Tod nahe. Wie zerbrechlich das Leben doch ist, dachte ich. Wenn man im Krankenhaus liegt, müssen die Kinder für die Pflege da sein. Das ist eine große Last für sie. Schön wäre es, den Lebensabend, solange man noch fit ist, in einem Altersheim zu verbringen und die Kinder damit zu entlasten."
Die vielfältigen Veranstaltungen machen das Leben der Senioren im Altersheim bunt. Im Hof des Shenyanger Seniorenheims versammeln sich dutzende ältere Menschen, um unter der Leitung der 88-jährigen Zhang Shuyuan den traditionellen Yangge zu tanzen und Morgengymnastik zu machen. Zhang Shuyuan:
"Wir beginnen morgens früh um 5 Uhr 40, tanzen um 6 Uhr den Yangge und um 6 Uhr 30 den Gesellschaftstanz. Wir üben täglich – bei schönem Wetter im Freien und bei Regen in den Räumlichkeiten. Ich genieße es sehr, obwohl es für mich manchmal ein bisschen mühsam ist."
Zhang Shuyuan hat im Altersheim einen neuen Platz gefunden. Noch glücklich macht sie jedoch die Fürsorge ihrer Kinder:
"Einmal wöchentlich kommen meine Kinder zu Besuch. Sie bringen mir leckeres Essen. Sie erkundigen sich täglich, ob ich hier glücklich bin. Natürlich habe ich immer mit ‚Ja' geantwortet. Selbst zu Neujahr bzw. Feiertagen gehe ich nicht nach Hause. Dafür kommen meine Kinder zu mir ins Heim. Dann genießen wir hier im Restaurant das Familienessen. Das macht mich sehr glücklich."
Leider sind nicht alle Senioren im Altersheim so glücklich wie Zhang Shuyuan. Es gibt einige, deren Kinder im Ausland leben. Bei anderen sind die Kinder beruflich so eingebunden, dass sie keine Zeit für regelmäßige Besuche finden. Jian Hong, Leiter des Anshaner Altersheims, hält die seelische Fürsorge der Kinder jedoch als unabdingbar.
"Es gibt einige, die regelmäßig zu Besuch kommen. Aber dann gibt es auch welche, die aus beruflichen Gründen für längere Zeit nicht vorbeischauen. Dann rufen wir sie an und bitten sie um einen Besuch. Überdies gibt es Kinder, die nur die Kosten übernehmen und gar nicht kommen."
Am 1. Juli 2013 trat in China das neue „Gesetz zum Schutz der Rechte und Interessen von Senioren" in Kraft, in dem der regelmäßige Elternbesuch fest verankert worden ist. Jian Hong hofft, dass sich Söhne und Töchter dadurch künftig mehr über ihre Pflichten im Klaren sein werden. Auch Menschen im Altersheim benötigten einen regelmäßigen Besuch, meint der besorgte Leiter der Seniorenresidenz.
Übersetzt von Xiao Lan
Gesprochen von Li Zheng