Sicher Flirten: Anti-Inzest-App in Island ein Hit
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Wenn 320.000 Menschen auf einer Insel mitten im Atlantik leben, dann kann es schon mal passieren, dass man unwissentlich einen entfernten Cousin zum Date einlädt. Die Isländer haben sich schon längst an mehr oder weniger lustige Anspielungen auf das vermeintliche Inzest-Problem auf der dünn besiedelten Insel gewöhnt. Kein Witz sondern Realität ist die Islandiga-App, die den Stammbaum des Nutzers analysiert und Alarm schlägt, wenn man einen nahen Verwandten anflirtet.
Die Islandiga-App wurde von drei Studenten der University of Iceland im Rahmen eines Innovationswettbewerbs entwickelt. Es sollten neue Nutzungsformen für das Islendingabok präsentiert werden. Das Islendigabok, auch Buch der Isländer genannt, ist eine Online-Datenbank, in der Stammbaumdaten von 95 Prozent aller Isländer archiviert sein sollen, die in den letzten 300 Jahren gelebt haben. Auf dieses Archiv greift die Islandiga-App zu und spuckt den Verwandtheitsgrad mit jedem beliebigen Inselbewohner aus.
Kari Stefansson ist Geschäftsführer des isländischen Pharmaunternehmens DeCode Genetics, welches an der Entwicklung der Islendiga-Datenbank 1997 beteiligt war und besagten Innovationswettbewerb ins Leben rief. Er erklärt die Grundlage für den Erfolg der kuriosen Stammbaum-App.
„Wir sind heute zwar nicht alle direkt miteinander verwandt. Doch wenn man nur einige Jahrhunderte zurückgeht, dann sind es nur wenige Vorfahren, auf die die heutige Gesamtpopulation zurückgeht."
Im Mai, dem Monat der Veröffentlichung, ist die App bereits 13000 Mal heruntergeladen worden. Der Clou: Wenn zwei Smartphones aneinander gehalten werden, sehen die beiden Personen sofort ihren Verwandtheitsgrad. Hakon Prastar Bjornsson, App-Entwickler, erklärt warum diese „Bump"-Funktion bei den Insulanern so gut ankommt.
„Der „Bump" ist so beliebt, weil die Isländer tatsächlich sehr interessiert sind an der Ahnenforschung. Viele Leute finden, dass es ein cooles Feature ist, dass man direkt sehen kann wie man miteinander verwandt ist."
Es ist jedoch vor allem der „Anti-Inzest-Alarm", der selbst über die Grenzen Islands hinaus für Aufsehen sorgt. Ist diese Funktion aktiviert, so warnt die App, wenn es eine Verwandtschaft ersten oder zweiten Grades feststellt. Was wie ein Gag anmutet, hat auf Island durchaus seine Daseinsberechtigung. Es soll vorkommen, dass zwei Verliebte erst nach einer wochenlangen Dating-Phase auf einem Familientreffen herausfinden, dass sie verwandt sind. Doch das Feature soll nicht nur Sex unter Verwandten verhindern, sagt Bjornsson.
„Der Anti-Inzest-Alarm, der einem beim „Bump" anzeigt, ob die Verwandtschaft zu eng ist, ist vor allem ein idealer Gesprächseinstieg. Es ist nicht wirklich ein ernsthaftes Programm um Inzest vorzubeugen."
Sowieso sei das Bild von Island im Ausland stark verdreht, fügt der App-Entwickler hinzu.
„Uns ist bewusst, dass das Ausland glaubt, wir Isländer seien ein etwas eigentümliches Volk. Da passt dieser Inzest-Alarm natürlich gut rein. Aber, um es klar zu stellen, bei uns Isländern gibt es keinen Inzest."
Ob bewusst oder unbewusst, der Inzest-Alarm hat sicherlich zur Popularität der Islandiga-App beigetragen und für reichlich Publicity gesorgt. Das wird nicht nur für klingelnde Kassen bei den Entwicklern sorgen. Auch Kari Stefansson von DeCode Genetics dürfte sich freuen, dass sein Innovationswettbewerb eine so erfolgreiche Idee hervorgebracht hat, die die Ahnenforschung in Island noch bekannter macht.
„Wir wollen dazu beitragen, dass wir Isländer besser verstehen wer wir sind als Volk, wo wir herkommen und wie es mit uns weitergeht. Damit verbunden ist auch ein besseres Verständnis der menschlichen Vielfalt, die auch gewisse Probleme mit sich bringen kann, wie zum Beispiel ernsthafte Erkrankungen."
Übersetzt von Kamil Wysocki
Gesprochen von Lü Xiqian