Pfirsichblütenland Jenseits dieser Welt
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Schon immer hegte die Menschheit den Traum einer idyllischen Welt ohne Unruhen und Kriege. Auch in China hat es solche Träume schon immer gegeben. Das chinesische Sprichwort „Shi Wai Tao Yuan", zu Deutsch „Pfirsichblütenland jenseits dieser Welt", bringt die chinesische Vorstellung einer idealen Gesellschaft zum Ausdruck.
„Wo gibt es denn ein jenseits dieser Welt, ein Pfirsichblütenland? Obwohl man so ein Land sicher nirgends finden kann, sollte man trotzdem weiter seinen Idealen folgen." Das schrieb schon jemand, nachdem er über das chinesische Sprichwort „Shi Wai Tao Yuan", das „Pfirsichblütenland jenseits dieser Welt" nachdachte. Denn es ist ein Land, das für die innere geistige Welt des Menschen steht. Das Sprichwort zeugt zugleich davon, dass das Streben nach Idealen im chinesischen Volk tief verwurzelt ist, denn die Geschichte über das „Traumland" erzählt man sich bereits seit 2000 Jahren.
Der Überlieferung zufolge liegt das Wunderland in Wuling in der heutigen Provinz Hunan. Dort lebte einst ein junger Fischer, der von Natur aus den Dingen gerne auf den Grund ging. Eines Morgens ruderte er mit einem Boot auf den Fluss hinaus, um Fische zu fangen. Um die Mittagszeit hatte er noch kaum Fische gefangen, viel weniger als sonst. Nun überlegte der Mann, weiter hinauszufahren als üblich, seinen Fang doch noch zu sichern. So gelangte er stromabwärts an eine Stelle, die ihm bisher völlig unbekannt war.
Er fand ein dichtes Pfirsichbaumwäldchen, wo alle Bäume herrlich blühende Blumen trugen. Ein frischer Blumenduft strömte ihm entgegen. Für den jungen Fischer war das die erste Begegnung mit der schönen Landschaft, und er war so begeistert davon dass er weiterfuhr um die Gegend genauer zu erforschen.
Nach einer Weile wurde der Wasserlauf träge und das Pfirsichwäldchen verschwand, stattdessen steuerte er auf eine Bergkette zu, die nicht allzu hoch war. Durch eine schmale Schlucht floss der Fluss eng eingezwängt zwischen zwei Bergen hindurch. Die enge Durchfahrt sah gefährlich aus und er wollte schon das Boot wenden, da entdeckt er einen Pfad neben dem Fluss. Er ging an Land, machte das Boot an einem kleinen Baum am Ufer fest und ging neugierig am Fluss entlang durch die enge Schlucht.
Nach kurzer Zeit machte der Weg plötzlich einen Bogen und er glaubte seinen Augen nicht zu trauen, weil er da eine andere, völlig fremde Welt sah: Auf den ebenen und weiten Feldern bestellte eine Gruppe von Männern und Frauen in ungewöhnlicher Kleidung das Land. Auf ihren Gesichtern lag ein fröhliches und herzliches Lächeln. Der junge Fischer war ganz erstaunt und fragte sie sogleich nach ihrem Befinden und ihrer Herkunft. Er erfuhr, dass dies das „Pfirsichblüten"-Dorf sei.
Die Dorfbewohner stammten von Auswandern ab, die in der Zeit der Kriegswirren der frühen Qin-Dynastie geflohen waren und hier bereits mehrere Jahrhunderte völlig abgeschnitten von der Außenwelt lebten. Auch sie waren sehr neugierig und dem Fremden gegenüber aufgeschlossen, sodass sie viele Fragen stellten.
Die Talbewohner luden den jungen Fischer in ihr Dorf ein. Das „Pfirsichblüten"-Dorf, das nicht weit von den Feldern lag, war nicht groß und bestand nur aus ein paar Dutzend Häusern. Überall waren Pfirsichbäume mit blühenden Blumen zu sehen, ebenfalls auch viele ältere Leute, die draußen mit ihren Kindern spielten. Im Dorf herrschte eine fröhliche, entspannte und friedliche Stimmung ...
In seinem Werk „Tao Hua Yuan Ji" hatte der bekannte Schriftsteller Tao Yuanming aus der östlichen Jin-Dynastie die Geschichte über das Pfirsichblütenland erzählt. Tao wurde als Chinas erster Idyllendichter bezeichnet. Nach Verzweiflung über die Korruption der Beamten und die Realitäten im Land gab er seine dreizehnjährige Beamtenkarriere auf und entschied sich für eine Rückkehr in das einfache Dorfleben. Seine zahlreichen Werke über Lebens- und Gesellschaftsideale haben vor allem Intellektuelle der Nachwelt stark beeinflusst.
Übersetzt von: Yu Longfa, Yu Jianping, H. Otte, Gui Gang
Gesprochen von: Qiu Jing