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Ein üblicher chinesischer Pfannkuchen, „Jianbing", kostet fünf Yuan – umgerechnet also etwa 60 Cent. In einem kleinen Laden im Osten Beijings, wo internationale Unternehmen und Banken ihren Sitz haben, wird viermal so viel verlangt. Trotzdem geht hier die Post ab:
„Es gibt immer eine lange Schlange, als ob man Zugtickets vor dem Frühlingsfest besorgen will. Mittags stehen die Leute dicht an dicht hintereinander. Viele sind sogar extra einen langen Weg hierher gefahren."
Der Ladenbesitzer heißt He Chang und gehört zu 80er-Generation. Vor etwa zwei Jahren kehrte er von seinem Auslandsstudium in Dänemark zurück und hat sich als Existenzgründer die Gastronomie als Ziel genommen.
„Ich mag Kochen. Als ich in Kopenhagen studierte, habe ich in dem besten China-Restaurant als Kellner gearbeitet. Jianbing ist meiner Meinung nach nicht anders als Hamburger, Pizza und Sandwich. Die Zubereitung ist sehr einfach, mit vielen Kombinationsmöglichkeiten bei der Füllung."
Und wie macht man nun so einen Jianbing? Zuerst wird eine runde Gusseisenplatte mit Speiseöl bestrichen, anschließend tut man etwas flüssigen Mehlteig darauf und verstreicht ihn mit einem Teigrechen. Danach gibt man ein frisches Ei auf die dünne Teigschicht und verstreicht es wieder. Scharfe Soße, Salz und Schnittlauch geben Würze und als Füllung dient ein spezielles, chinesisches Knusperbrot. Nach dreimal Falten ist der leckere Pfannkuchen fertig… Wäre schön, wenn alles so einfach wäre.
Wenn He Chang allerdings die wählerischen Büroangestellten im teuersten Bezirk Beijings als Kundschaft ins Visier nehmen möchte, muss er etwas anbieten, was andere nicht haben. Dafür ist er mit seiner Frau extra nach Tianjin gereist, um dort von den besten Jianbing-Köchen zu lernen.
„Wir mussten um drei Uhr in der Früh aufstehen, um den flüssigen Mehlteig zu lernen. Es gab auch Misstrauen seitens der Straßenhändler, denn wir stellten latente Konkurrenz dar. Wir haben dann aber den Kochvorgang gelernt. Was das Rezept anbelangt, das haben wir später selber entwickelt."
Bis der perfekte Jianbing entstand, hat Geschäftsmann He in 20 Tagen satte 1.000 Pfannkuchen gegessen.
„Zurzeit esse ich etwa jeden zweiten Tag einen Pfannkuchen. Niemand kann jeden Tag das gleiche essen."
Schließlich war es so weit: Zwischen den Hochhäusern des Beijinger Geschäftsviertels hat He Chang seinen eigenen Jianbing-Laden eröffnet. Seine Jianbings unterscheiden sich von den herkömmlichen durch die große Auswahl an Füllungen: es gibt unter anderem Knusperbrot, Rindfleisch, Schweinfleisch und eingelegtes Sauerkraut, um nur ein paar zu nennen. Der kleine Laden hat nicht nur leckere Jianbings zu bieten:
„Nach der Zahlung an der Theke muss man sich neben dem Regal anstellen, um auf das Essen zu warten. Dort haben wir Souvenirs aus den USA, Italien und Japan aufgestellt. Sie werden regelmäßig erneuert, damit das Warten auch Spaß macht."
Um anspruchsvolle Kunden anzuziehen und der harten Konkurrenz standzuhalten, hat der einfallsreiche Kleinunternehmer noch eine verrückte Idee umgesetzt.
„Ich bin ein UFO-Fan und biete im Laden gratis Vorträge über Aliens an. Anfangs kamen jedes Mal 30 Teilnehmer. Später kamen sogar 400. Beim Vortrag rede ich satte fünf Stunden und mache keinen Gewinn. Trotzdem teile ich gern meine Rechercheergebnisse."
Die vielen Bemühungen des 30-jährigen haben sich ausgezahlt. Mit dem seltsamen Vortragsangebot wurden He Changs Pfannkuchen schnell bekannter. Eine Woche nach der Eröffnung kamen sogar Journalisten eines lokalen Fernsehsenders. Das Jianbing-Geschäft macht heute einen Jahresumsatz von fünf Millionen Yuan, also nicht weniger als 614 000 Euro! He Chang will bald weitere Filialen aufmachen und blickt euphorisch in die Zukunft.
„Ich möchte den US-Börsengang meines Betriebs. Ich bin der festen Überzeugung, dass jedes Gewerbe seine Koryphäen hat."
Text: Li Zheng, Sprecherin: Marie Müller-Diesing