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„Hier ist alles schön. Es ist nicht wie an anderen Orten alles so kommerzialisiert. Die Luft ist sauber und die Menschen sind so nett. Lhasa gefällt uns nicht so gut, denn dort sind die Preise so hoch. Wir lieben eher die Natur."
Nach Nyingchi sind sie aus unterschiedlichen Landesteilen gekommen. Manche sind mit dem Zug gefahren und einige sind geflogen. Im Vergleich zu Lhasa, der Hauptstadt des tibetischen Autonomen Gebietes, ist das „nur" 3.100 Meter hoch gelegene Gebirgsland mit seinen reichen Wäldern und Flüssen viel attraktiver.
70 Kilometer vom Verwaltungsort Bayi entfernt liegt das kleine Dorf Zhaxigang, an das die Büroangestellten aus anderen chinesischen Provinzen ihr Herz verloren haben. Hier soll übrigens auch die Prinzessin Wencheng in der Tang-Zeit (vor 1200 Jahren) auf dem Weg nach Lhasa Station gemacht und die Landschaft bewundert haben. Seitdem heißt das Dorf Zhaxigang, was auf Tibetisch „der gesegnete Berghang" bedeutet. Heute leben über 300 Menschen in dem Dorf, und zu ihnen gehört der 44jährige Berma:
„Früher mussten wir Feldarbeit machen oder das Vieh hüten. Seit wir Tourismus betreiben, sind die Einkommen enorm gestiegen."
Der Wendepunkt für die Dorfbewohner kam 2003. In jenem Jahr flossen die ersten projektbezogenen Unterstützungsgelder aus den reichen Provinzen Guangdong und Fujian in die Gemeinschaftskasse von Zhaxigang. Die Landstraße wurde erweitert und die Häuser renoviert. Berma und seine Landsleute konnten in ihren Wohnhäusern nun die ersten Touristen aus dem übrigen China empfangen. Mit zinslosen Krediten haben sie später Herbergen eingerichtet, die durch Blogs weiter empfohlen und immer bekannter werden. Bermas Herberge verfügt über ein gutes Dutzend Gästezimmer mit jeweils bis zu vier Betten. Eine Übernachtung kostet nur 50 Yuan, Schnäppchenpreis für Xiaoli, die aus der quirligen Metropole Shanghai in die Ruhe hier geflohen ist. Seit anderthalb Tagen wohnt sie in Bermas Herberge und ist hochzufrieden mit ihrer Wahl:
„Wenn man nach Tibet reist, muss man unter die Leute gehen. Hier in der Herberge kann man ganz nah sehen, was die Tibeter essen und wie sie leben. Zudem ist solche Landschaft nirgendwo in der Stadt zu finden. Die Gebirgslandschaft ist idyllisch: überall blüht es. Die Fichten und die Zypressen sind tausende Jahre alt und enorm groß. Nach dem Aufstehen sind wir in den Wald zum Pilze sammeln gegangen. War sehr anstrengend! (lacht)"
Doch nach dem herrlichen aber mühsamen Wandern kann man sich ja im Aufenthaltsraum bei Berma gut ausruhen…
…mit Yakbuttertee! Berma macht gerade das Alltagsgetränk der Tibeter für die Familie und seine Gäste. In einen halbes Meter hohen Zylinder tut er etwas Yakbutter, Salz und Tee hinein und stampft die Flüssigkeit kräftig mit einem Kolben.
Nach knapp 20 Mal stampfen ist das leckere Getränk endlich fertig.
Die Gastfreundlichkeit von Berma und 50 weiteren Herbergen im Dorf zahlt sich aus. Berma verdient pro Jahr zwischen 150.000 und 200.000 Yuan. Seine beiden Söhne besuchen zurzeit in Beijing die Uni und die Oberschule. Für die Zukunft hofft er auf ein besseres Leben aller Landsleute, auf Sicherheit und mehr Gerechtigkeit. Nicht zuletzt will er die Umwelt weiterhin gut geschützt sehen.
Nach Angaben der lokalen Verwaltung sollen im Gebiet Nyingchi insgesamt noch 22 Dörfer touristengerecht ausgebaut werden, um dem Ansturm von jährlich 200.000 Besuchern gerecht zu werden. Der einstige Verbannungsort in Tibet wird zu einem Touristenmagneten…
Interview, Text und Sprecher: Li Zheng