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Seelischer Beistand in Chinas Hochsicherheitsgefängnis
  2013-06-26 14:20:12  cri

 

 

Der 37jährige Liu Zheng arbeitet im Gefängnis Nummer Eins des Beijinger Amts für öffentliche Sicherheit. Täglich führt er mit den zum Tode verurteilten Gefangenen Dutzende Gespräche, damit sie ihren Druck und Kummer loswerden können. In seinen 15 Berufsjahren hat Liu mehr als eintausend Insassen auf ihren letzten Lebensstunden begleitet. Nach der Aufarbeitung bereuen die Gefangenen ihre Straftaten und haben oft noch andere nicht aufgedeckte Tatbestände gestanden. Liu Zheng wird so auch „Retter armer Seelen" genannt, wie er selbst sagt:

„Die Sträflinge haben gegen Gesetze der Volksrepublik verstoßen. Doch wenn sie bei mir gelandet sind, betrachte ich sie ohne Vorurteile. Vor der Hinrichtung sind sie alle Menschen aus Fleisch und Blut. Sie sind in erster Line Menschen, und erst dann verurteilte Verbrecher."

Um die wegen schwerster Verbrechen verurteilten Strafgefangenen zu verstehen, versucht Liu Zheng in ihre Seele zu sehen. Dafür verbringt er jeden Tag sehr viel Zeit mit den Insassen, er redet mit ihnen und beobachtet sie dabei mit seismographischer Genauigkeit. Überstunden nimmt er einfach in den Kauf. Einer der Gefängnisinsassen drückt seinen Eindruck so aus:

„Er ist für uns wie ein Freund. Man merkt es am Blick seiner Augen, da deutet nichts auf Diskriminierung hin. Er ist nicht hochnäsig. Am meisten beeindruckt mich, dass er uns wirklich zuhört. Wir Sträflinge sind deprimiert und haben unseren eigenen Kummer und müssen die Probleme in der Familie verarbeiten. Wir brauchen halt jemand, der uns seelisch betreuen und uns zuhören kann. Herr Liu hört uns wie ein wahrer Freund genau zu, und er macht es nicht halbherzig."

Den Verurteilten wie ein Freund zuzuhören, ist nicht immer einfach, nicht jeder kann das. Auch Liu Zheng hat es während seiner Arbeit erst lernen müssen. Ursprünglich war er sehr enttäuscht und deprimiert, als ihm diese Aufgabe zugewiesen wurde. Er hatte sich seinen Polizeidienst anders vorgestellt, er wollte Kriminalpolizist oder Streifenpolizist werden. Was ihm außerdem zu schaffen machte, waren die schlaflosen Nachtschichten. Im Gefängnis ist es in der Nacht fast unheimlich still. Man hört nur die Geräusche der schweren Fußfesseln, wenn Sträflinge ruhelos die paar Schritte von einer Zellenwand zur anderen machen. Und das war für Liu Zheng...

„Schrecklich. Ich traute mich nicht, mich hinzusetzen. Solche Geräusche trieben mich auch dazu, ruhelos Schritte zu machen. Ich wünschte mir einen baldigen Feierabend und Flucht aus dem Dienst. Ich habe paar Mal im Bett geweint: Wieso hat man mich, so einen großen und ambitionierten Jungen, ins Gefängnis geworfen? "

Die geringe Motivation des damals 22jährigen Gefängnispolizisten änderte sich dann aber bald, berichtet Liu Zheng:

„Am Anfang konnte ich viele Sträflinge nicht zügeln. Ich dachte, ich bin Polizist und trage Uniform und ihr seid die Gefangenen und müsst mir gehorchen. Doch ein Wiederholungstäter provozierte mich immer wieder und tat alles gegen mich. Ich war echt ratlos."

Auf diesen prekären Zustand wurde ein älterer Kollege von Liu Zheng aufmerksam. Anstelle des Berufseinsteigers führte er selbst ein Gespräch mit dem Sträfling. Liu Zheng erinnert sich, dass er damals vor dem Gesprächsraum warten sollte:

„Nach zwei Stunden war das Gespräch vorbei und die Tür ging auf. Der Gefangene kam raus und verbeugte sich plötzlich vor mir um 90 Grad. Das hat mich total überrascht. Er sagte laut, ‚Herr Liu, entschuldigen Sie bitte!' Ich hatte keine Ahnung, was passiert war."

Was in den zwei Stunden vorgegangen war, dazu schwieg der ältere Kollege. Einen wichtigen Hinweis gab er Liu Zheng allerdings: Man müsse die Gefangenen mit dem Herzen behandeln. Nur dann könnten auch die Sträflinge IHR Herz öffnen. Diese Zauberformel scheint Liu Zheng seinen Berufsweg geebnet zu haben.

2004 sorgte die Entführung eines chinesischen Schauspielers im ganzen Land für Entsetzen. Zum Glück kam das Opfer mit einem blauen Auge davon und konnte den Verbrechern entkommen. Als Haupttäter wurde der Serienmörder Wang Lihua zum Tode verurteilt. Auch im Gefängnis von Liu Zheng randalierte dieser 22jährige Mann immer wieder. Er verweigerte jede Kommunikation und war äußerst aggressiv. Schon beim kleinsten Anlass rastete er aus und regierte gewalttätig oder drohte mit Selbstmord. Dennoch gelang es Liu Zheng, den weichen Kern in der harten Schale des problematischen jungen Mannes anzusprechen und das Sorgenkind komplett zu verändern.

„Es war sein Geburtstag. Ich habe ihm Nudeln mit einem Ei und Gemüse gekocht. Er aß, ohne ein Wort zu sagen, mit tief gesenktem Kopf. Ich merkte, dass er irgendwie anders war. Seine Augen waren voller Tränen. Ich fragte, ob die Nudeln schmecken, und er sagt ja. Nachdenklich fuhr er dann fort, ich sei der zweite Mensch auf dieser Welt, der an seinen Geburtstag denke. Ich war neugierig und fragte, wer der erste sei. Er erwiderte‚ ‚meine ältere Schwester. Sie kocht Nudeln immer genau so.' Und dann begann er, von seiner Schwester zu erzählen. Danach habe ich seine Schwester besucht und sie mit einer Videokamera Grüße an ihren jüngeren Bruder im Gefängnis aufnehmen lassen. Als der junge Mann die Videobotschaft sah, fiel er an der Stelle auf die Knie und machte drei Kotaus vor seiner Schwester auf dem Bildschirm. Fortan war er ganz ruhig, bis er hingerichtet wurde."

In den vergangenen 15 Jahren hat Liu Zheng viele berüchtigte Schwerverbrecher wie Wang Lihua in der Zeit vor ihrer Hinrichtung betreut, und er hat an der Aufdeckung von über 200 Kriminalfällen mitgewirkt. Seine Aufgabe, jene Straftäter zu betreuen, die ihr Leben verwirkt haben, hält Liu Zheng für sehr wichtig:

„Durch unsere Arbeit sollen die Straftäter erkennen, dass sie nicht aufgegeben werden und dass es noch Sonnenschein gibt. Sie müssen sich bewusst werden, welchen Schaden und Verlust sie mit ihren Taten sich selbst, der Gesellschaft und der eigenen Familie zugefügt haben. Sie müssen wissen, dass sie schweres Unrecht getan haben und vielen Menschen unheimlich großen Schaden zugefügt haben. "

Immer, wenn ein Gefangener zu seiner Hinrichtung geführt wird, gibt ihm Liu Zheng einige Worte mit auf den Weg: Ein Mann müsse sich seiner Verantwortung und den Konsequenzen der eigenen Taten stellen. Aber sollte es ein nächstes Leben geben, dann werde dieses neue Leben wohl ein sinnvolles sein, fügt der uniformierte Seelsorger wie zum Trost hinzu.

Text und Sprecher: Li Zheng

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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