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Gong Linna und ihre chinesische Neue Musik
  2013-05-16 10:13:26  CRI

 

Geboren wurde sie 1975 in Guiyang, der Hauptstadt der südwestchinesischen Provinz Guizhou. Ihr musikalisches Talent wurde schon im frühen Jugendalter entdeckt – Mit 5 Jahren sang sie zum ersten Mal auf der Bühne, mit 7 unternahm sie mit dem Kinderensemble der Provinz Guizhou eine Rundreise durch China. Mit 12 Jahren reiste sie mit dem Chinesischen Jugendensemble nach Frankreich. 1992 ging Gong Linna auf die Mittelschule des Chinesischen Konservatoriums, wo sie anschießend immatrikuliert wurde. Sie studierte Gesang mit den Schwerpunkten Volkslieder sowie Opern aus unterschiedlichen Gegenden in China. Nach dem Abschluss nahm sie 2000 am Nationalen Grand Prix für Nachwuchssänger teil und gewann den zweiten Preis. Bis dahin sah die Laufbahn von Gong Linna so aus, wie sie für eine talentierte chinesische Volkssängerin recht üblich ist. Denn genau diesen Bildungsweg haben die meisten Sängerinnen hinter sich, die heute auf den chinesischen Bühnen dominieren.

Doch schon zwei Jahre später waren solche Lieder von Gong Linna nicht mehr zu hören. Sie wollte einfach nicht so sein wie alle anderen und nur auf Galaabenden im Fernsehen singen. Auch das in China sehr weit verbreitete Full-Playback, bei dem der Sänger oder die Sängerin in vielen Aufführungen nicht wirklich singen, sondern nur die Lippen synchron zur eingespielten Musik bewegen, fand sie unerträglich.

So verließ sie 2002 ihr Heimatland und suchte in Europa nach neuen Entwicklungsmöglichkeiten. Wie ging es dort mit Gong Linna weiter? Hören wir nun den Prototyp ihrer neuen Versuche – das Lied Tan-te, das 2006 komponiert wurde und 2010 auf dem Pekinger Frühlingskonzert das Publikum überraschte.

Aufgrund des besonderen Klangs von Gong Linnas Stimme, ihrer übertriebenen Darstellung, des mysteriösen Textes und des schnell wechselnden Rhythmus wurde dieses Lied rasch populär im Internet und als „legendärer Gesang" bezeichnet. Die frühere Gong Linna ist nicht wieder zu erkennen.

Was hat Gong Linna zu dieser extremen Veränderung inspiriert? Wer hat die Musik und die Texte ihrer neueren Lieder geschrieben? Gong Linna selbst sagt dazu, all dies sei ihrem Mann Robert Zollitsch zu verdanken.

Der Deutsche Robert Zollitsch ist Komponist. Er wurde 1966 geboren, kam 1993 mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdiensts nach Shanghai und studierte am Shanghaier Konservatorium Guqin, ein Instrument aus dem chinesischen Altertum. Nach seiner eigenen Aussage wählte er dieses Studienfach anfangs nur aus Neugier auf eine fremden Kultur. Er wollte einerseits die chinesische Musik genauer kennen lernen, denn damals wussten die Europäer kaum etwas darüber. Durch intensive und lange Studien Chinas und seiner Musik habe er völlig neue Erkenntnisse gewonnen, sagt Zollitsch. Und er habe mit chinesischen Musikern zusammenzuarbeiten wollen, wofür er in Europa keine Chance hatte.

2002 lernte Robert seine jetzige Frau Gong Linna kennen, in der er eine Darstellerin seiner Kunstideen fand. Für Gong Linna öffnete sich damit die Tür zu einer völlig neuen Kunstwelt. Zollitsch kritisierte Gong Linnas Aufführungen in ihrer früheren Karriere erbarmungslos. Das sei nicht Ihr Gesang, sondern der von irgendeiner x-beliebigen chinesischen Volkssängerin. Ihre Mimik, Gestik, Stimme und Gesangstechnik seien monoton trainiert worden und unterschieden sich im Resultat nicht von anderen. Da werde kein wirkliches Gefühl ausgedrückt. Und er fragte sie: „Du hast doch so viele verschiedene Richtungen chinesischer Opern studiert, warum singst du ständig nur auf eine einzige Art und Weise?" Dies hat Gong Linna dazu motiviert, eine beliebige Melodie in verschiedenen Techniken und Stilen zu interpretieren und somit ihren individuellen Stil zu finden. Zudem müssen, wie Robert Zollitsch meint, Lied und Oper nicht unbedingt klar voneinander getrennt sein. Sowohl bei der Interpretation von Opern als auch bei Volksliedern könnten experimentelle Musikelemente eingesetzt werden. Die traditionelle chinesische Musik sei ein riesiger Schatz, der auf vielfältige Weise entwickelt und variiert werden könne, so Zollitsch.

Sich selbst sieht er inzwischen als einen rein chinesischen Musiker. In den Liedern, die er für Gong Linna komponiert hat, stecken viele Elemente aus verschiedenen chinesischen lokalen Operntypen. Er wurde oft gefragt, warum er als Deutscher chinesische Musik komponiert. Robert verweist dann auf interkulturelle Perspektiven, in denen die gegenseitige Beeinflussung östlicher und westlicher Musik berücksichtigt werde: Im Grunde genommen werde an allen chinesischen Konservatorien moderne „europäische" Musik komponiert. Auch wenn die Melodie chinesisch klinge, beruhten die Kernstruktur und die Akkorde auf europäischen Theorien. Er könne es genau umgekehrt machen: Er sei als Deutscher nach China gekommen und habe sich die chinesische Musikkultur angeeignet. Sie lebe in seinem Herzen und drücke sich in seinen Kompositionen aus. Seiner Meinung nach ist jeder Musiker ein Individuum, das nicht notwendigerweise die eigene Nation vertreten muss. Es kann die Musik einer anderen Kultur als Sprache für die eigene Komposition nehmen.

In der Zusammenarbeit mit Robert fühlte Gong Linna endlich ihre eigene Selbstverwirklichung. Sie entdeckte ihr „Ich" als schöpferisches Individuum und entwickelte ihre eigene Stimme und ihren eigenen Stil. Ihr Gesang ist nun in der Natur und in der Tradition verwurzelt und nicht mehr etwas akademisch Einstudiertes. Sie singt, jedoch nicht, um die Erwartungen ihrer Eltern oder Lehrer zu erfüllen, sondern für ihre eigene Zufriedenheit.

In Europa hat Gong Linna neben Anregungen zum Singen auch neue Einsichten zur Rezeption der chinesischen Musik gewonnen. Bei ihrem ersten Solo-Auftritt in Deutschland wollte sie - wie in China - mit ihrer hohen Stimme glänzen. Während sie in China dafür immer begeisterten Applaus gewann, reagierte das deutsche Publikum eher erschreckt. In der Erinnerung meint Gong Linna, dies könne daran liegen, dass es in verschiedenen Ländern unterschiedliche Auffassungen zur Ästhetik gibt. Seitdem weiß sie, dass man nicht den in einer Kultur vorherrschenden Geschmack einer anderen Kultur aufzwingen kann. Vielmehr schaffe so etwas Akzeptanzprobleme. Insofern berge das Motto „was national verständlich ist, ist es auch international" viele Missverständnisse. Zudem meint Gong Linna, die Hörer müssten den Inhalt eines Liedes nicht unbedingt verstehen, vielmehr gehe es um das Ausleben der Gefühle: "Als Hörer brauchst du dich nicht um das 'warum' zu kümmern, denn das ist die Aufgabe der Theoretiker und Philosophen".

Das wichtigste gemeinsame Ziel von Robert Zollitsch und Gong Linna ist es, "chinesische Neue Musik" zu schaffen. Die ideale Musik dieser Art ist ihrer Meinung nach noch nicht geboren. Genau diese Lücke sehen sie als eine große Chance, kreative und in der chinesischen Kultur verwurzelte Musik für die Welt zu schaffen. Dabei hat Musik nach Auffassung von Robert Zollitsch zwei Funktionen: erstens soll sie der ästhetischen Erziehung der Menschen dienen und die Welt verbessern. Und zweitens solle sie die Kultur der eigenen Nation interpretieren. China werde in der Zukunft eine wichtige globale Rolle spielen. Und dies stehe auch in Wechselwirkung mit der Weiterentwicklung der chinesischen Kultur.

Er und Gong Linna wollen das Schönste von China darstellen, nämlich die Tradition. Doch einem ausländischen Publikum zu zeigen, dass „es so was bei uns gibt", und das Publikum zur aktiven Anteilnahme und Rezeption zu erwecken, sind zwei sehr unterschiedlich Dinge. Daher haben die beiden noch einen langen Weg vor sich. Doch ihre Hoffnung bleibt: Dass neue chinesische Kunstlieder durch ihre Interpretation die Herzen eines internationalen Publikums erobern.

Erfasst von Yu Meihui

Gesprochen von Kong Jie

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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