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Thomas Allemann – Der „Bergverkäufer"
  2013-04-16 09:34:29  cri

 

 

„Und rings die Herrlichkeit der Welt", notierte Johann Wolfgang Goethe nach seinem Besuch auf der Rigi im Jahr 1775 begeistert in sein Tagebuch. Der legendäre deutsche Dichter sollte nicht der Einzige bleiben, der vom traumhaften Panorama auf dem knapp 1.800 Meter hohen Berg im Herzen der Schweiz überwältigt war. Im 19. Jahrhundert gehörte die „Königin der Berge", wie die Rigi noch heute ehrfürchtig genannt wird, zu den berühmtesten Bergen Europas.

Die Liste ihrer illustren Besucher liest sich wie ein Stelldichein der Prominenz von damals. Während sich Queen Victoria mit der Sänfte auf den Gipfel tragen ließ, pilgerten Mark Twain, Victor Hugo oder Felix Mendelssohn Bartholdy zu Fuß hinauf auf das Bergmassiv am Vierwaldstättersee, um den atemberaubenden Rundblick auf die Alpen und die Seenlandschaft der Innerschweiz zu genießen.

Inzwischen ist es wieder etwas ruhiger geworden um den mythischen Aussichtsberg in den Schweizer Voralpen. Das könnte sich jedoch schon bald ändern. Denn die Tourismusverantwortlichen der Rigi haben den Wachstumsmarkt China ins Visier genommen. Im März 2009 wurde eine Partnerschaft mit dem Emeishan in der Provinz Sichuan unterzeichnet. Das langfristige Hauptziel dieser Bergpartnerschaft: mehr Besucher aus dem Reich der Mitte.

Thomas Allemann vom Genfer Reiseunternehmen Fert Tours International ist für die Umsetzung dieser Strategie vor Ort zuständig. Mit seinem vierköpfigen chinesischen Team versucht der 50-jährige Lausanner die Marke Rigi im Riesenreich China bekannt zu machen:

„Ich bin jetzt ein Jahr in China. Ich war früher sehr oft hier geschäftlich unterwegs, und ich höre immer wie hoch das Image – das Bild Schweiz – in China ist. Für die meisten Chinesen ist die Schweiz eine absolute Topdestination, eine Traumdestination. Die Uhren helfen natürlich. Ein Roger Federer hilft natürlich auch. Wir sind eine absolute Traumdestination."

Allemann weiß, wovon er spricht. Er hat schon über einhundert Länder bereist und war beruflich viel im Ausland unterwegs – auch in Asien. Vor seinem Engagement bei Fert Tours International in Beijing vermarktete der 50-Jährige den Schweizer Nobelkurort Crans-Montana.

Bei der Vermarktung der Rigi als Ausflugs- und Erholungsparadies in China kommt Allemann aber nicht nur das positive Image der Schweiz entgegen. Ein großer Vorteil ist auch die geografische Nähe zum weltbekannten Luzern:

„Um die Rigi zu vermarkten, brauchen wir auch die Marke Luzern. Luzern ist die berühmteste Stadt der Schweiz in China. Sie wird von den Chinesen auch am meisten besucht."

Noch allerdings sind auf der Rigi weitaus weniger chinesische Touristen anzutreffen als in den Uhrengeschäften am Schwanenplatz in Luzern. Von den jährlich rund 700.000 Rigi-Besuchern kommen erst etwa 3.500 aus dem Reich der Mitte. Bei den meisten von ihnen handelt es sich um Familien oder Alleinreisende im Alter zwischen 30 und 60, die der Mittelschicht angehören. Viele arbeiten als Büroangestellte in den Metropolen Beijing und Shanghai. Die großen Reisegruppen würden bekanntere Berge wie das Jungfraujoch im Berner Oberland oder den 3.238 Meter hohen Titlis in der Zentralschweiz bevorzugen, sagt Allemann. Dagegen tun kann er nicht viel, denn:

„Vielen chinesischen Gruppen werden Schweizer Berge als Schneeberge verkauft – auch im Sommer. Und es ist natürlich klar, die Rigi mit 1.800 Metern Höhe hat im Sommer keinen Schnee. Schnee kommt auf die Rigi vom Dezember bis April. Aber im Sommer ist natürlich alles grün."

In diesem vermeintlichen Nachteil gegenüber den ganzjährig schneebedeckten Gipfeln der Jungfrau und des Titlis sieht der Westschweizer PR-Mann gleichzeitig aber auch eine Chance für die Rigi:

„Die Individualreisenden mögen es manchmal nicht unbedingt, und auch die Chinesen, die der oberen Schicht angehören, mögen es nicht, mit dem normalen Chinesen – also mit dem Massentourismus – zu reisen. Und daher hat die Rigi einen sehr großen Vorteil. Die Rigi ist kein Massenberg. Die Rigi hat noch Potenzial. Die Rigi wird nie zum Massenberg, zur Massendestination werden. Und daher werden die chinesischen Gäste, die individuell reisen, das auch sehr schätzen."

In 20 bis 30 Jahren werden in China voraussichtlich mehr als 700 Millionen Menschen der kaufkräftigen und reiselustigen Mittelschicht angehören. Theoretisch ein schier unerschöpfliches Potenzial an Rigi-Besuchern also. Von einem Selbstläufer will Thomas Allemann aber nichts wissen. Der „Bergverkäufer" aus Lausanne ist sich bewusst, dass im hart umkämpften Tourismusmarkt von heute die relative Abgeschiedenheit und die landschaftliche Schönheit eines Ortes allein nicht mehr ausreichen, um Gäste anzulocken – erst recht nicht aus China:

„Man kann nur ein Produkt verkaufen in China, wenn es mit einer Berühmtheit – entweder einer Persönlichkeit oder etwas Berühmtem – im Zusammenhang steht. Die Rigi hat die erste Bergbahn Europas. Daher vermarkten wir die Rigi als den Berg mit der ersten Zahnradbahn in Europa. Das hilft natürlich auch, weil der Chinese hat dann das Gefühl, er ist auf einem speziellen Berg: Der Berg mit der ersten Zahnradbahn."

Von dieser Zahnradbahn hat bereits der amerikanische Schriftsteller Mark Twain geschwärmt. In seinem Reisetagebuch aus dem Jahr 1879 beschreibt er Europas erste Bergbahn als „leibhaftiges Wunder". Nicht weiter verwunderlich also, dass die geschichtsträchtige Bahn auch auf dem Titelblatt der Broschüre zu sehen ist, mit der Allemanns Verkäufer in China die großen Reiseveranstalter bearbeiten. Zu den weiteren Marketingmaßnahmen seines vierköpfigen Teams gehören die Organisation von PR-Events und gelegentliche Teilnahmen an Tourismusfachmessen. Seit Beginn dieses Jahres kann der Westschweizer bei der Vermarktung der Rigi in China auch noch auf die Unterstützung der etwas anderen Art zählen:

„Die sehr starke Luftverschmutzung, die wir hatten im Januar und Februar, die hilft natürlich bei der Vermarktung der Schweiz und der Destination Rigi. Ich werde in China öfters darauf angesprochen, wie schön es in der Schweiz ist, und wie sauber unsere Luft und Umwelt ist. Die Chinesen wissen, dass wir in Sachen Umwelt weltweit ein Spitzenreiter sind. Und das hilft natürlich bei der Vermarktung. Und auch bei der Luft. Es ist ganz klar, dass heute viele Chinesen träumen von Peking rauszukommen. Und davon nur träumen können, etwas Frischluft zu schnappen wie auf der Rigi."

Und bei genau dieser Luft will Allemann ansetzen, um seinen Traum von mehr chinesischen Gästen auf der Rigi zu verwirklichen. Die Vorzeichen stehen also nicht schlecht, dass der „Berg mit der ersten Zahnradbahn" dank den Touristen aus China schon bald wieder zur Königin unter Europas Bergen wird wie zu Goethes Zeiten.

Interview, Text und Bild: Simon Gisler

Sprecher: Li Zheng

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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