„Ich kann allein Geld verdienen und von nun an will ich ein neues Leben haben", sagte die 40-jährige Kim Lee erleichtert nach dem Scheidungsurteil am 3. Februar. Der prominente Rosenkrieg stand seit August 2011 im Mittelpunkt der Medien, als die US-Bürgerin im Internet Fotos über die alltägliche Gewalt in ihrer Familie postete. Ihr Ex-Mann, Li Yang, ist der erfolgreiche Firmengründer von „Crazy English". Häusliche Gewalt bei den Lis? Viele wollten es zunächst kaum glauben, Gewalt gegen Frauen komme doch nur in bildungsfernen Familien vor.
Wie falsch dieses Klischee ist, wird von einer Umfrage des Allchinesischen Frauenverbands (ACWF) bestätigt: Jede vierte Chinesin wird daheim misshandelt. Die Gewalt kommt in allen möglichen Formen vor: physische und psychische Gewalt, wirtschaftliche Kontrolle und sexueller Missbrauch. „Mehr als die Hälfte der Frauen, die Hilfe bei uns suchen, sind Hochschulabsolventen", teilte eine Sprecherin des Beratungszentrums „Ahornblatt" mit, das sich den Belangen der Frauen widmet. „Manche Hochschulabsolventen benehmen sich noch radikaler als weniger Gebildete und wollen alles kontrollieren", analysiert Huang Qiao, ein Sozialarbeiter in Shenzhen. Männer sähen sich als Herren der Familie und seien davon überzeugt, dass sie daher ihre Frau auch schlagen dürfen.
Viele Aktivisten für Frauenrechte sehen in Kim Lees Freiheit von häuslicher Gewalt leider noch keinen Grund zum Feiern. Denn bislang gibt es in China kein Gesetz gegen häusliche Gewalt. Die Klauseln gegen häusliche Gewalt im Ehegesetz sind nur symbolisch. Und im Unterschied zu Kim Lee suchen die meisten Opfer in China Hilfe und Trost bei vertrauten Freunden statt bei der Polizei. Denn Streitigkeiten in der Familie gelten in der chinesischen Kultur traditionell als Schande und dürfen nicht offengelegt werden. Und selbst denjenigen, die ihren gewalttätigen Mann anzeigen, kann die Polizei wenig helfen, solange der Mann nicht erscheint.
Manche verzweifelte Opfer greifen zu extremer Selbsthilfe: Die 41-jährige Li Yan aus Sichuan hat ihren Mann umgebracht, um sich endlich aus seiner Gewalt zu befreien. Nun droht ihr die Todesstrafe.
Allerdings gibt es auch Hoffnung für Frauen, die für Sicherheit und Respekt kämpfen: 86 Prozent der vom ACWF befragten Chinesen befürworten, häusliche Gewalt als Verbrechen einzustufen. Und 93 Prozent meinen, dass China ein Gesetz gegen häusliche Gewalt benötige. Tatsächlich haben 28 Provinzregierungen bereits lokale Bestimmungen gegen häusliche Gewalt ausgearbeitet. Dies soll den Weg für ein nationales Gesetz ebnen, berichtete die Zeitung „China Daily".