Die US-Fiskalklippe wurde vorübergehend umschifft, der Aufschub hat die Probleme aber nicht gelöst: In den nächsten Wochen müssen sich Präsident, Repräsentantenhaus und Senat auf langfristig tragfeste Kompromisse einigen, vor allem zur Schuldenobergrenze, zu Ausgabenkürzungen und zur Steuerpolitik. Diese Einigung – oder ihr Ausbleiben – wird auch die chinesisch-amerikanischen Beziehungen beeinflussen, meint die englischsprachige Zeitung "China Daily". Hier Auszüge:
Ende 2012 überstiegen die Schulden der USA die 16,4-Billionen-Dollar-Marke. Das sind 52.000 US-Dollar pro Einwohner und 15.000 Dollar mehr als der griechische Pro-Kopf-Anteil an der dortigen Staatsverschuldung.
Als größter ausländischer Kreditgeber besitzt China US-Schuldverschreibungen in Höhe von 1,1 Billiarden Dollar. Damit entfallen 65 bis 70 Prozent der chinesischen Devisenreserven, die mit insgesamt rund 3,3 Billiarden Dollar mehr als 40 Prozent des Bruttosozialproduktes ausmachen, auf US-Dollar. Daher löst das anhaltende Gerangel um die amerikanische Schuldenobergrenze bei internationalen Gläubigern wie China auch Überlegungen aus, die Devisenreserven auf andere Währungen umzuschichten.
Denn in den USA geht der Streit über mögliche Einsparungen zur Sanierung der Staatsfinanzen weiter: Die Republikaner fordern massive Ausgabenkürzungen in allen Etats mit Ausnahme der Verteidigung. Genau dort wollen die Demokraten sparen. Dem begegnen Republikaner und Neoliberale wiederum mit Warnungen vor Gefahren für die nationale Sicherheit und mit Bemühungen, chinesische Unternehmen auf dem US-Markt zu behindern und die mit 7,8 Prozent anhaltend hohe Arbeitslosigkeit als Ergebnis chinesischer Aktivitäten darzustellen – vom unfairen Wettbewerb über Währungsmanipulationen und Handelsprotektionismus bis hin zu Patent- und Urheberrechtsverletzungen.
In den bilateralen Beziehungen herrscht ohnehin ein gewisses gegenseitiges Misstrauen wegen der unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Systeme sowie Sicherheitsinteressen beider Länder. Und im Chinesisch-Amerikanischen Strategie- und Wirtschaftsdialog stehen auf US-Seite personelle Veränderungen an: Nachfolger von Außenministerin Hillary Clinton wird der Demokrat John Kerry, auch Finanzminister Timothy Geithner geht. Und Persönliches spielt selbst in einem staatlich institutionalisierten Regierungsdialog eine Rolle.
Dabei müssen beide Seiten in Sicherheitsfragen ein neues Verständnis füreinander finden: Sei es zum veränderten US-Engagement im Asien-Pazifik-Raum oder zu regionalen Meeresdisputen, sei es zur Modernisierung der chinesischen Streitkräfte oder zur internationalen Online-Spionage, zum iranischen Atomprogramm oder zu Nordkorea.
Auch wirtschaftlich stehen China und die USA vor neuen Herausforderungen - nicht nur durch globale Veränderungen, sondern auch in Handel und Investitionen, bei Urheberrechten, in der Innovationspolitik und in der Welthandelsorganisation WTO. Allerdings bedeuten große Herausforderungen und Risiken immer auch große Chancen.
So könnte ein Abbau der Verschuldung Washington neue Möglichkeiten eröffnen und Barack Obama als erster multipolarer US-Präsident in die Geschichte eingehen. Statt gegenseitigen Misstrauens könnte sich ein strategischer Neubeginn in den wichtigsten bilateralen Beziehungen des 21. Jahrhunderts entwickeln.