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Menschen auf Ostkurs - 10 Fragen an Susanna und Stephan Hasse
  2012-11-09 10:19:47  cri

Leben und arbeiten in China: Erleben Sie die Volksrepublik und im Besonderen die chinesische Hauptstadt Beijing durch ihre ausländischen Bewohner. Heute haben wir zehn Fragen an Susanna und Stephan Hasse. Susanna (39) ist Klassenlehrerin einer elften Klasse und leitet den Englisch-Fachbereich an der Deutschen Botschaftsschule Peking. Außerdem ist sie regionale Fortbildungskoordinatorin für die Region Ostasien. Ihr Mann Stephan (47) organisiert den Vertretungsplan der Deutschen Schule und leitet den Sportbereich.

Wo kommen Sie ursprünglich her und wie und wann sind Sie nach China gekommen?

Susanna: Wir kommen aus Hannover und sind erst vor eineinhalb Jahren, also Mitte 2011, nach Peking gekommen. Bei der Entsendung von Lehrern ins Ausland kann man sich nicht einfach für ein Land bewerben. Es gibt in Deutschland eine zentrale Meldestelle, das Bundesverwaltungsamt, wo man sich registrieren lassen kann. Vorher wird noch geprüft, ob man geeignet ist. Das hängt dann sehr stark von der Fächerkombination ab.

Stephan: Meine Frau wurde an ihrer Schule noch einmal auf Herz und Nieren geprüft. Als dann von der Landesschulbehörde das Okay kam, ging's los.

Susanna: Die Lehrer werden in die ganze Welt geschickt – an deutsche Schulen im Ausland. Für alle Einsatzorte gelten dieselben Bestimmungen. Ein paar spezielle Fälle gibt es natürlich. Nach Kabul beispielsweise wird man nur als „one-man-mission" entsendet, also ohne Familie.

China, das Reich der Mitte: Was hat das damals für Sie bedeutet, bevor Sie hier ankamen?

Stephan: Von Land und Kultur hatten wir überhaupt keine Ahnung. Dass hier ein riesen Wirtschaftswachstum herrschte und herrscht, war schon bekannt, aber sonst haben wir mit China eigentlich nichts weiter verbunden.

Susanna: China lag nicht in unserem Fokus. Wir wollten nach unserem ersten Auslandsaufenthalt in Indonesien, an der Deutschen Schule in Jakarta, gerne wieder nach Asien. Damals war das ein Sprung ins kalte Wasser. Wir hatten wirklich keine Ahnung. Aber Asien hat uns sehr fasziniert und deshalb war für uns auch klar, dass, wenn ein Angebot aus China kommt, wir das auch annehmen werden.

Erster Tag im neuen Land, können Sie sich noch an Ihre ersten Eindrücke erinnern? Wie war das?

Susanna: Das Wetter war herrlich! Im Mai letzten Jahres sind alle neuen Kollegen von der Botschaftsschule auf eine Schnupperwoche eingeladen worden. Wir hatten strahlend blauen Himmel, es war schon richtig warm. Das hatte mich sehr überrascht.

Stephan: Trotz des wenigen Vorwissens hat man sich natürlich ein bisschen auf China vorbereitet. Es traf eigentlich alles zu, was man gehört hatte, beispielsweise, dass die lieben Chinesen auch mal ihren ganzen „Schmutz" auf die Straße spucken, dass es unheimlich laut ist und auf den Straßen absolutes Chaos herrscht.

Susanna: Wir haben das natürlich auch sofort mit unseren Eindrücken aus Indonesien verglichen und dahingegen ist uns Peking wesentlich weniger chaotisch vorgekommen, sauberer und moderner. Mit dieser Moderne hatte ich nicht gerechnet. Dass Tradition und Moderne derart dicht nebeneinander existieren können, hatte ich mir vorher nie so vorgestellt. Jedenfalls ist nach dieser Vorbereitungswoche niemand abgesprungen. Einige sind zwar nach einem Jahr schon wieder gegangen. Wir haben aber auch viele Kollegen kennengelernt, die schon länger hier leben, und das gerne.

Was genau machen Sie hier?

Susanna: Wir kümmern uns um die Kinder der Menschen, die beruflich auf Auslandseinsatz sind, damit diese auch die Möglichkeit haben, einen deutschen Schulabschluss zu erlangen. Und, damit sie auch ein bisschen von der deutschen Kultur mitbekommen, dafür sind wir auch da. Wir sind nicht primär nur zum Unterrichten unserer spezifischen Fächer hier. Wir sind auch kleine Botschafter, die den Schülern zeigen, was gerade in Deutschland passiert, wie es Altersgenossen geht, die in Deutschland zur Schule gehen. Es gibt an unserer Schule viele Kinder, die Deutschland nur aus dem Urlaub kennen.

Wie unterscheidet sich ein ganz normaler Arbeitstag in China von einem Arbeitstag in Deutschland?

Stephan: In Deutschland hat es zu einer bestimmten Zeit geklingelt, dann war Schulschluss und man ist nach Hause gegangen. Dadurch, dass wir so eine kleine Gemeinschaft in so einer großen Stadt sind, findet nach dem Unterricht noch sehr viel auf dem Schulgelände statt. Wir haben ein großes AG-Angebot, hauptsächlich im Sportbereich, weil die Kinder hier kaum Möglichkeiten haben, sich sportlich zu betätigen. Es gibt hier kein Vereinswesen.

Susanna: Viele unserer Schüler haben schon mehrere Auslandsaufenthalte hinter sich, das prägt in vielerlei Hinsicht. Sie sind viel offener und flexibler, was Neuerungen und Veränderungen angeht. Sie können schnell neue Kinder integrieren, haben ein Gespür dafür, andere aufzunehmen. Das gilt auch für Lehrer. Der Kontakt ist da zum Teil privater.

Was ist Ihrer Meinung nach „typisch" für Beijing beziehungsweise „typisch" chinesisch?

Susanna (lacht): Na ja, das Spucken auf die Straße hat Stephan ja schon erwähnt.

Stephan: Ich weiß nicht, ob das jetzt nur ein Peking-Effekt ist, aber im Verkehr wird ohne Ende gehupt. Ich glaube, das ist ein großes Hobby, weil viele Autofahrer sich einfach nicht anders zu helfen wissen.

Susanna: Wir sind ja relativ früh unterwegs, wenn der Schulbeginn kurz vor acht Uhr ist. Die Chinesen machen Tai Chi, laufen rückwärts, tragen ihre Vögel an den Fluss: Über solche Kuriositäten freue ich mich jeden Tag. Das ist immer ein sehr schöner Beginn meines Alltags. Auf einer Klassenfahrt in die Provinz habe ich gesehen, wie einfach das Leben dort auch noch sein kann, und solche einfachen Aspekte kann man auch in Peking immer wieder einmal entdecken, auch wenn die Moderne sehr stark um sich greift.

Welche Eigenschaft der Chinesen, welche Gewohnheit würden Sie gern in Ihrer Heimat übernehmen?

Stephan: Wie meine Frau eben schon erwähnte, die Eigenschaft, dass sich die ältere Generation morgens und abends auf der Straße oder in Parks sportlich betätigt, sei es Tai Chi oder gemeinsames Tanzen. Oft sind in den zumeist aus Frauen bestehenden Gruppen ein, zwei Männer, die sich dann auch nicht schämen, dabei zu versagen. Das gibt es in Deutschland einfach nicht. Das sehen wir immer wieder gerne.

Susanna: Ich finde auch den Familienzusammenhalt sehr schön, wie eng die Generationen zusammenarbeiten, um die Kinder aufzuziehen. Das hat natürlich auch eine Schattenseite, wenn die Kinder nicht von den eigenen Eltern erzogen werden können, aus Zeitgründen oder weil sie ganz woanders arbeiten und die Kinder zurücklassen müssen. Aber die Idee, dass mehrere Generationen im Haus miteinander agieren, finde ich dennoch sehr schön. Das verliert sich ein bisschen in Deutschland.

Und womit kommen Sie überhaupt nicht zurecht?

Susanna: Da gibt es eigentlich nicht so viel. Ich ärgere mich natürlich, wenn mir einer fast auf die Füße spuckt (lacht). Ich wundere mich auch über so manche Gegensätze: Wie ordentlich z.B. die Menschen am Bus anstehen können und in der U-Bahn wird gedrängelt. Es gibt aber nichts, womit ich überhaupt nicht zurechtkäme. Ich bin vielleicht irritiert, lass mich aber gerne auf etwas Neues ein.

Stephan: Ich finde immer wieder erstaunlich, dass die Verkehrsteilnehmer grüne Ampeln ignorieren. Man kommt nur mit der Menschenmasse heil über eine Kreuzung. Wenn man es alleine versucht, ist es schon sehr gefährlich.

Auf welche Weise hat Sie das Leben hier in dieser Stadt, in China verändert, beeinflusst, was bedeutet China heute für Sie?

Stephan: Viele in Deutschland sehen China immer noch als billige Einkaufsmöglichkeit. Das trifft zumindest für die großen Städte überhaupt nicht mehr zu: Peking und Shanghai sind moderne Weltstädte geworden und entsprechend teuer. Wir haben ehrlich gesagt auch nicht mit solchen Kosten gerechnet. Über die Mieten brauchen wir gar nicht sprechen. Was wir hier bezahlen, glaubt uns in Deutschland sowieso keiner. Wir haben eine tolle Wohnung, das sage ich auch immer wieder, auch wenn an einem Neubau hier nicht unbedingt alles neu erscheint, so wie man es in Deutschland erwartet.

Susanna: Man geht hier einfach täglich mit neuen Eindrücken durch den Tag. Es vergeht eigentlich kein Tag, an dem sich in der Stadt nichts verändert. Ich glaube, dass sich gerade auch die Geschwindigkeit dieser Veränderungen auf uns auswirkt. Wenn wir Ferien haben, genieße ich tatsächlich die Langsamkeit. In Deutschland freue ich mich auch über die Beständigkeit. Ich freue mich aber auch jedes Mal wieder auf die temporeichen Veränderungen hier in Peking und komme gerne wieder zurück.

Und, wie lange wollen Sie bleiben? Schon Rückflugticket gebucht?

Susanna: Nur für die Ferien, wir kommen dann wieder! (lacht)

Stephan: Ich glaube, so spontan kann man das nicht sagen. Es kann immer was dazwischen kommen, sei es aus gesundheitlichen oder anderen Gründen. Wir erfüllen jetzt erstmal unseren ersten Vertrag, der auf drei Jahre angelegt ist, und entscheiden dann, ob es uns noch gefällt.

Susanna: Also ich könnte mir schon vorstellen, dass wir verlängern. Uns gefällt's schon gut hier!

Interview und Foto: Marie Bollrich

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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