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Menschen auf Ostkurs - 10 Fragen an Johannes Röwert
  2012-10-18 18:39:48  cri

Wo kommen Sie ursprünglich her und wie und wann sind Sie auf China gekommen?

Ich komme aus Ost-Berlin, aus Alt-Treptow, um genau zu sein. Auf China bin ich gekommen, weil mein bester Freund, den ich seit über 15 Jahren kenne, Chinese ist, er stammt aus Peking. Ich habe mit ihm in Berlin immer Basketball gespielt, wobei er anfangs kein Deutsch und kein Englisch konnte. Und dann haben wir uns immer wieder mal chinesische Filme angeschaut, mit englischen Untertiteln, und so bin ich auf China gekommen.

China - das Reich der Mitte: Was hat das damals für Sie bedeutet, bevor Sie hier ankamen?

China war ein bißchen wie ein Alien. Über die Filme habe ich natürlich ein China kennengelernt, das es so nicht gibt. Ich wusste also nicht wirklich, was auf mich zukommt. Ich habe 2006 eine Reise nach China gemacht, und da war alles völlig anders als erwartet. Das war sogar mit einer Reisegruppe, also komplett stereotyp: in chinesischen staatlichen Restaurants essen, die Perlenmärkte ankucken, solche Sachen. Es war schon sehr anders als ich mir das aus den Filmen eben vorgestellt habe.

Erster Tag im neuen Land, können Sie sich noch an Ihre ersten Eindrücke erinnern? Wie war das?

Mein erster wirklicher Eindruck, als ich 2008 nach China gezogen bin, der war schon sehr chinesisch: ich bin direkt vom Flughafen zum Künstlerviertel 798, um mich mit einem Investor zu treffen, über den ich nach China gekommen bin und der ein Restaurant mit mir aufmachen wollte. Ich setze mich also zu ihm, rauche eine chinesische Zigarette und denke mir "Ach, die sind ja gar nicht so schlecht...". Und er sitzt mir gegenüber und sagt: "Eigentlich will ich das Restaurant jetzt doch nicht mehr aufmachen." Ich hatte meinen Koffer noch gepackt und fragte, ob ich ein Rückflugticket von ihm bekomme - ich habe keines gekriegt, deswegen bin ich noch hier (lacht).

Was genau machen Sie hier?

Ich betreibe ein Cafe in der Beiluoguxiang. Wir heißen "Beiluo Bread Bar" und wir spezialisieren uns auf deutsches Brot, guten Kaffee, gutes Bier und Nudeln.

Wie unterscheidet sich ein ganz normaler Arbeitstag in Beijing von einem Arbeitstag in Deutschland?

Hm, Pekinger oder Beijinger Arbeitstage beinhalten Probleme, die man in Deutschland so nicht kennt. Zum Beispiel: meine Küche ist komplett elektronisch, und einmal die Woche oder alle zwei Wochen läuft dann mal die Elektrizität aus. Das sind so Sachen, die es in Deutschland nicht gibt. Dann müssen sich die Leute mal 20 Minuten gedulden, bis wir zur Bank sind und Elektrizität aufgeladen haben. Oder eine andere Geschichte: der Sicherungskasten. Ich kann die Kaffeemaschine und den Ofen nicht beide gleichzeitig betreiben, das ist einfach so. Es ist mehr witzig als traurig. Naja, (lacht), es ist: anders.

Was ist Ihrer Meinung nach "typisch" für Beijing beziehungsweise "typisch" chinesisch?

Typisch für Beijing ist, nicht zu arbeiten, sich aber über Leute, die arbeiten, zu beschweren. Und Fotos von Ausländern zu machen, das ist, glaube ich, auch "sehr Beijing". Auf der anderen Seite ist Beijing, dass man zum Beispiel auch abends mit jedem etwas trinken kann, egal welchen Alters, und Spaß mit jedem haben kann. Ich finde, Beijing ist da sehr nahe zu Berlin, keiner ist wirklich nett, aber alle sind sehp...herzig.

Welche Eigenschaft der Chinesen, welche Gewohnheit würden Sie gern in Ihrer Heimat übernehmen?

Oh, das ist schwierig. Ich finde es schon ganz ok, dass man Regeln nicht immer so befolgen muss, wie sie vorgegeben sind. Das kann man aber so nicht mit nach Deutschland nehmen, weil das kein anderer versteht. Also eine schwierige Frage... Ich finde, die chinesische Eigenschaft, dass man auf die Familie sehr acht gibt, ist eine Eigenschaft, auf die man auch in Deutschland mehr Rücksicht nehmen könnte. Wenn hier in China ein Familienmitglied etwas braucht, gibt ihm die Familie das, egal, ob sie es sich leisten kann oder nicht. Diesen starken Familienzusammenhalt könnte man vielleicht in Deutschland auch wieder besser betonen.

Und womit kommen Sie überhaupt nicht zurecht?

Ich komme überhaupt nicht zurecht mit Versprechen, die nicht wirklich Versprechen sind. Wenn mir jemand sagt, er macht das, dann verlasse ich mich darauf, das bin ich so gewohnt. Wenn es dann nicht funktioniert, bin ich in der Regel dann sehr... sagen wir mal sauer. Ich verstehe nicht, warum man Versprechen gibt, die nicht als Versprechen gedacht sind.

Auf welche Weise hat Sie das Leben hier in dieser Stadt, in China verändert, beeinflusst, was bedeutet China heute für Sie?

Verändert hat es mich, ja, ich habe hier relativ viel abgenommen (lacht). Ich bin auch wesentlich relaxter, ich lasse Sachen einfach mehr passieren. In Deutschland war ich ein großer Kontrollfreak, alles musste so passieren, wie ich mir das vorgestellt habe. Hier in China lasse ich die Dinge eher so geschehen. Das ist etwas, das ich, glaube ich, in Deutschland auch wirklich nutzen kann. Eine sehr positive Veränderung, die man in Peking einfach machen muss.

Und, wie lange wollen Sie bleiben? Schon Rückflugticket gebucht?

Ich habe ein Rückflugticket, für nächsten Monat. Aber nur für ein Visum; zwei Wochen Deutschland. Ich weiß nicht, wie lange ich hier noch bleiben will. Ich bin mir sicher, dass ich hier keine Kinder großziehe, aber es ist eine gute Stadt, man findet wesentlich einfacher Kontakte. Und es ist ein dankbarer Arbeitsmarkt hier, gerade im Restaurant-Bereich. Also: 5 Jahre Minimum.

Foto, Protokoll und Interview: Christoph Limbrunner

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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