"Ja, sie war ja wirklich noch ein baby, als wir sie adoptiert haben. Englisch ist also tatsächlich ihre Muttersprache. Sie weiß, dass sie aus China kommt, und sie ist auch stolz drauf, eine kleine Chinesin zu sein, aber sie ist dabei eben ein amerikanisches Mädchen."
Im vergangenen Jahr adoptierte die Familie dann noch einen chinesischen Teenager, einen 15-jährigen Jungen, der natürlich bereits seine Eigenheiten hatte. Für Linette Corrigan ein Grund dafür, dass Teenager in einer neuen Umgebung vor beträchtlichen Herausforderungen stehen können:
"Die erste ist schon mal die Sprache. Man muss sich einfach mal vorstellen, nicht mit den neuen Eltern reden zu können und in einer völlig neuen Situation zu sein, in der man nie weiß. was vielleicht als nächstes passiert. Und dann ist ja da noch das Problem, in eine völlig andere Kultur hineinzufinden. Zum Beispiel wird ein gewisser persönlicher Freiraum in Amerika sehr geschätzt, dass einem Leute also nicht zu sehr auf die Pelle rücken. In China ist das ganz anders. Da rückt dann eben ein Teenager aus China seinen Klassenkameraden in den USA unheimlich eng auf die Pelle und findet das natürlich ganz normal. Die anderen in der Klasse finden es aber zumindest merkwürdig oder auch sehr unhöflich. Sie geben dem Teenager dann zu verstehen, sich ein Stück weit zu verziehen..."
Nach aktuellen Angaben aus dem chinesischen Ministerium für Zivil- und Meldeangelegenheiten wurden in den vergangenen 30 Jahren rund 100.000 chinesische Waisen sowie Kinder mit körperlichen Behinderungen von Familien außerhalb des chinesischen Festlandes adoptiert. Die meisten dieser Kinder stammten aus Waisenhäusern oder Wohlfahrtseinrichtungen.
Dem aktuell gültigen chinesischen Adoptionsrecht zufolge können Kinder vom amtlicher Vormund, von einer sozialen Einrichtung oder von ihren leiblichen Eltern zur Adoption freigegeben werden, wenn diese dafür eine Genehmigung erhalten haben, etwa weil sie zur grundlegenden Fürsorge für das Kind absolut nicht in der Lage sind.
Inzwischen habe sich die Situation allerdings verändert, meint Zhang Shifeng, der Direktor des chinesischen Zentrums für Kinderwohlfahrt und Adoption:
"Im realen Leben sehen wir kaum Fälle aus der ersten beziehungsweise aus der dritten Gruppe, es werden also kaum Kinder vom Vormund oder von den eigenen Eltern zur Adoption freigegeben. Deshalb will der neue Vorschlag nun auch detaillierte Verfahrensregeln vorgeben, um überforderten Pflegebeauftragten und Betreuungseinrichtungen zu helfen, für die Kinder ein angemessenes neues Zuhause zu finden – hier im Lande oder eben auch außerhalb."
Auch der Adoptionsexperte Brian Stuy aus den USA würdigt in den nun vorgeschlagenen Veränderungen zunächst einmal das Bemühen der Behörden um das Wohlergehen aller Kinder. Andererseits meint er aber auch, dass es im besten Interesse der Kinder sei, wenn sie so lange wie möglich in ihrem Geburtsland und bei ihren leiblichen Eltern sein könnten. Die von ihm gegründete Firma „Research-China" hilft Adoptiveltern im Ausland dabei, in China die leiblichen Eltern der von dort adoptierten Kinder ausfindig zu machen.
"Bei Adoptionen kommt es immer zu Verlusten. Ganz offensichtlich ist ja der Verlust der Familie, in die jemand hineingeboren wurde. Zweitens kommt der Verlust der Kultur und des Geburtslandes, und beide tragen ja wesentlich zur kindlichen Entwicklung bei. Also international hat sich nach entsprechenden Untersuchungen die Auffassung durchgesetzt, ein Kind besser in seiner gewohnten Umgebung zu belassen, als es in ein fremdes Land zu bringen, ohne Verbindungen zur dortigen Kultur und Geschichte und so weiter."
Der chinesische Adoptionsexperte Zhang Shifeng stimmt seinem US-Kollegen Brian Stuy hier zu. Auch wenn noch nicht alle Regeln bis ins Detail ausgefeilt seien, so zeichne sich doch schon ab, dass inländische Adoptiveltern ganz weit oben auf der Liste stehen werden. Schließlich sei ja das Wohlergehen der Kinder das Hauptziel.
Im vergangenen Jahr haben sich übrigens 31.000 Familien bei Adoptionsprogrammen in China registriert – darunter rund 27.000 chinesische Familien.