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Dem Krieg geweiht
  2012-07-13 23:06:05  cri

Bai Yun Ta, der Weiße-Jade-Turm, ist das Wahrzeichen von Lüshunkou. Auf einem Hügel stehend überragt er den Hafen und die gesamte Stadt. Der Turm ist das Symbol für den Sieg Japans im Russisch-Japanischen Krieg 1904-05. Der Krieg spielte sich zum größten Teil auf chinesischem Boden ab und Lüshunkou war sein Hauptschauplatz.

Es kann durchaus sein, dass die Welt ohne diesen Krieg heute eine andere wäre. Für Russland war es eine schmachvolle Niederlage, die die Krise im Land weiter verschärft hat, die wiederum zur Oktoberrevolution 1917 führte. Für Japan war es ein durch viele Opfer errungener Sieg, der den Aufstieg des Landes in die Reihen der westlichen Großmächte markierte. Genau diese Botschaft erzählt der Bai Yun Ta 白玉塔, den die japanischen Erbauer ursprünglich zum „Turm der Getreuen" weihten.

Foto: Jörg Pensin

Der Name Lüshunkou 旅顺口 – die „Bucht der Sicheren Reise" – wurde vom ersten Kaiser der Ming-Dynastie vergeben. Damit sollte die erfolgreiche Mission von zwei Generälen gewürdigt werden, die von der anderen Seite des Bohai mit dem Schiff übersetzten, um die Gegend von den Resten des mongolischen Heeres zu befreien. Lange Zeit machte der verschlafene Grenzposten des Reiches seinem Namen die Ehre. Doch mit dem Einbruch der Moderne brach in die malerische Bucht der Krieg ein.

Versuch der Stärkung

Ende des 19. Jahrhundert zehrten blutige Aufstände an der Macht des chinesischen Kaisers und ausländische Mächte besetzten eine Küstenstadt nach der anderen. Man reagierte mit der Selbststärkungsbewegung, bei der China unter anderem eine starke Flotte aufbauen wollte. General Li Hongzhang, einer der führenden Köpfe jener Zeit, beschloss, im Norden des Landes Seehäfen zu errichten und Lüshunkou wurde zur Basis der Nordflotte ausgebaut.

Foto: Simon Gisler

Doch kamen die Bemühungen zu spät. 1894 brach der Krieg gegen Japan aus, der in China wegen der Jahreszahl als Jiawu-Krieg bekannt ist. Die chinesische Flotte wurde vernichtet und Lüshunkou eingenommen. Nach der Eroberung der Stadt massakrierte die japanische Armee bis zu 30.000 Bewohner der Stadt.

Heute erinnert das Wan Zhong Mu 万忠墓 – das „Grab der Unzähligen Getreuen" – an das Kriegsverbrechen.

Ende der russischen Ostexpansion

Es wäre der Beginn der japanischen Herrschaft, wenn nicht eine andere Großmacht ihr Interesse an der Region mit Gewalt kundtäte. Die europäischen Staaten sahen nicht ein, warum sie das, worauf sie glaubten, ein Anrecht zu haben, mit einem Dritten teilen sollten. In der „Intervention von Shimonoseki" brachte man Japan dazu, einige Zugeständnisse wieder zurückzunehmen. Das es dem Westen dabei um eigene Interessen ging, wird niemanden verwundern. 1897 besetzte Deutschland Qingdao und Russland unterzeichnete seinerseits einen neuen Ungleichen Vertrag mit China, in dem es die Liaodong-Halbinsel und Port Artur, wie Engländer und nun auch Russen Lüshunkou nannten, für 25 Jahre „verpachtete".

Die russische Präsenz von damals währte nicht sehr lange und die Zerstörungen der Folgezeit waren zu groß, weswegen nicht viel an die Zeit erinnert. Die Villa des russischen Gouverneurs wurde von den Japanern später in ein gefürchtetes Gefängnis verwandelt, in dem chinesische und koreanische Widerstandskämpfer interniert wurden.

Foto: Jörg Pensin

Unter der russischen Herrschaft wurde Lüshunkou zu einer der stärksten Festungen von Nordostasien ausgebaut. Man zielte auf die Vorherrschaft im Fernen Osten. Doch hat man Japan dabei unterschätzt. 1904 erklärte Kaiser Meiji Russland den Krieg und griff Lüshun an. Über 150 Tage wurde die Stadt belagert. Abertausende von Soldaten und unzählige einfache Bauern und Städter ließen ihr Leben.

Japans Erinnerung

Die erbitterten und verlustreichen Kämpfe fanden auf den Hügeln statt, die die Stadt von der Landseite umgeben. Die meisten können heute besichtigt werden. Auf den einen sind rostige alte Kanonen die einzigen Zeugnisse des Stellungskriegs von damals. Erlingshan oder „Höhe 203" 二O三高地 wurde jedoch schon während der japanischen Besatzungszeit zu einer Erinnerungsstätte ausgebaut. Eine überdimensionale Gewehrpatrone erinnert an die japanischen Soldaten, die beim Einnehmen des Hügels ums Leben gekommen sind. 58.000 Soldaten mussten fallen, ehe man die strategisch entscheidende Anhöhe erobert hat. Von hier aus konnte die japanische Artillerie die im Hafen liegende russische Flotte zerstören. Weniger als ein Monat später war Port Artur gefallen.

Fotos: Jörg Pensin

Die Schützengräben, an denen wochenlang abertausende Menschen in den Tot gingen, sind zum Teil bis heute erhalten. Eine kleine Stele erinnert an den Sohn des japanischen Oberbefehlshabers Nori Maresuke, der ebenfalls hier sein Leben verlor. Heute sind es vor allem japanische Touristen, die die Stätte besuchen.

Erbe der Sowjets

Auch die japanische Herrschaft in China dauerte nicht so lange wie geplant. Am Ende des 2. Weltkrieges hat die sowjetische Armee zusammen mit chinesischen Einheiten die Japaner aus der Mandschurei vertrieben. Nachdem in China die Kommunisten and die Macht gekommen waren, wurde der Hafen an die Sowjetunion verpachtet, die hier eine militärische Basis errichtete. Im beginnenden Kalten Krieg sollte die Präsenz der USA in der Region ausgeglichen werden.

Foto: Simon Gisler

Die Spuren der sowjetischen Armee sind in der Stadt kaum zu übersehen. Auf dem russischen Soldatenfriedhof sind diejenigen beigesetzt, die bei den Kämpfen ihr Leben ließen. Darunter sind Piloten, die den Koreakrieg halbes Jahrzehnt später nicht überlebten. Die Tafel am Eingang spricht vom größten Friedhof für ausländische Staatsangehörige innerhalb Chinas. In der Neustadt besingt die „Säule des Sieges" den Beitrag der Rotarmisten an der japanischen Niederlage. Sie wurde 1955 errichtet, als die letzten russischen Soldaten aus der Stadt abzogen. Seitdem ist Lüshunkou fest in chinesischer Hand.

Foto: Jörg Pensin

Das heißt aber nicht, dass das Kriegerische aus der Stadt verschwunden ist. Seit den fünfziger Jahren hat die Nordseeflotte der Volksbefreiungsarmee hier ihren Stützpunkt. Im Hafen liegen Militärschiffe und auf den Straßen begegnen einem Matrosen in strahlenweißen Uniformen. Lange Zeit war es für Reisende aus dem Ausland überhaupt nicht möglich, die Stadt zu besuchen. Wenigstens das ist jetzt nicht mehr der Fall.

Text von Jörg Pensin

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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