Eigentlich stehen die Vorzeichen für die Guqin ganz schlecht. Bereits der Name brandmarkt die Griffbrettzither als „Alte Qin". Das Instrument stellte man sich lange Zeit nur im Zusammenhang mit Geschichtsschinken mit Kostümen und komischen Frisuren vor. Und es ist noch gar nicht lange her, da stimmte auch das Klischee. Doch heute ist es anders. Auch junge Chinesen mit Jeans und Kurzhaarschnitt wollen das alte Instrument lernen. Das Interesse für traditionelle Kultur wird immer größer und die Guqin immer beliebter.
Wir haben gerade bei einem Guqin-Kurs mitgehört, die die Guqin-Studiengesellschaft für ihre Mitglieder organisiert hat. Der Leiter Bai Yunlong stellt seinen Kurs kurz vor:
„Die Kurs-Teilnehmer kommen aus allen Berufen und Altersgruppen. Die jüngsten, die bei mir Guqin lernen, sind nur vier, fünf Jahre alt."
Die 31-jährige Xing Jie arbeitet in einer Kinderbibliothek im Beijinger Bezirk Xicheng. Sie ist zufällig auf die Guqin aufmerksam geworden. Aber die alte Griffbrettzither hat sie sofort in ihren Bann gezogen.
„Ich war beim Judo, da hat mein Trainer einmal Guqin gespielt. Die Melodie war wunderschön! Ich habe mich schon immer für traditionelle chinesische Musik interessiert, für Guzheng und Pipa. Der Klang der Guqin gefällt mir aber besonders. Deswegen habe ich beschlossen, das Instrument zu lernen."
Xing Jie ist nicht alleine gekommen sondern hat auch ihre fünfjährige Tochter mitgebracht. Die dreiköpfige Familie hat gleich zwei Guqins angeschafft, eine große und eine kleine. Mutter und Tochter üben täglich gemeinsam und haben beide viel Spaß.
Zhang Naifu ist zwar erst zehn Jahre alt, hat aber bereits Auslandserfahrung. Erst vor drei Jahren ist er mit seinen Eltern aus Neuseeland nach China zurückgekehrt. Aber er spricht schon fließend Chinesisch und ist gerade dabei, Guqin zu lernen. Sein Vater sagt:
„Erst im Ausland habe ich den Wert der chinesischen Kultur schätzen gelernt. Die traditionelle chinesische Kultur ist wirklich eine große Schatzkammer. Deshalb möchte ich, dass mein Sohn sich in dieser Richtung weiterbildet. Guqin ist ein Teil der traditionellen chinesischen Kultur. Deswegen habe ich ihn Guqin lernen lassen."
Der Vater sagt auch, dass viele Mitschüler dem Beispiel seines Sohnes gefolgt sind und begonnen haben, traditionelle chinesische Instrumente zu lernen. Früher waren sie mehr an westlichen Instrumenten interessiert, doch heute habe sich das geändert.
Die Guqin-Studiengesellschaft unternimmt viel, um die Guqin in der öffentlichen Wahrnehmung zu fördern. Ein Projekt heißt „Guqin zieht in die Hochschulen ein". Der Generalsekretär der Guqin-Studiengesellschaft Zhang Zisheng erklärt:
„"Guqin zieht in die Hochschulen ein" ist ein langfristiges Projekt von uns. Wir haben dutzende Hochschulen und Universitäten aufgesucht. Dort geben wir einen Einblick in den Ursprung, Entwicklung und die Besonderheiten des Instruments. Wir führen ein paar Guqin-Melodien vor und beantworten Fragen der Studenten."
Und während das Interesse steigt, schießen Guqin-Studios in verschiedenen Teilen des Landes wie Pilze aus dem Boden. Das „Shu Qin Xi" im Zentrum von Beijing ist vor allem unter Büroangestellten beliebt. Yang Shu ist die Besitzerin des Studios.
„Am Anfang hatten viele keine Ahnung von Guqin. Sie konnten sogar die Guqin von der Guzheng nicht auseinanderhalten. Wir mussten eine Menge Aufklärungsarbeit leisten. Aber ich bin glücklich darüber, denn wir haben immer mehr Teilnehmer und unser Studio ist sehr beliebt. Zu Neujahr und an Festtagen bringen viele Kurs-Teilnehmer Leckereien mit und helfen uns bei der Organisation unseres Qin-Treffens, wenn wir zu beschäftigt sind. Deshalb habe ich das Gefühl, dass das Studio nicht mir allein gehört, sondern allen Liebhabern von Guqin und traditioneller chinesischer Kultur."
„Shu Qin Xi" bietet nicht nur Guqin-Kurse an, sondern auch Veranstaltungen zu verschiedenen Kulturthemen. Jeden Samstag gibt es ein Treffen, an dem man etwas über die Tee-Zeremonie, Antiquitäten oder Traditionelle Chinesische Medizin lernen kann. Ungeachtet des teueren Eintritts sind die Kurse über traditionelle chinesische Kultur sehr beliebt.
Wir schreiben das 21. Jahrhundert. Trotzdem ist die Tradition der „Alten Qin" nicht nur lebendig, sondern entwickelt sich immer weiter. So spielt der Guqin-Meister Li Xiangting mit amerikanischen Musikern Guqin zusammen mit Querflöte, Klavier und Bratsche. Und Konzerte von Meister Gong Yi mit Sinfonieorchestern sind fast immer ausverkauft.