Im Informationszeitalter von heute geht nichts mehr ohne Computer und Handy. Trotz allem High-Tech ist unser Alltag ohne Papier aber nach wie vor unvorstellbar. Das Papier, der Kompass, das Schwarzpulver und der Buchdruck gelten als die vier großen Erfindungen Chinas. Sie haben einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung und Verbreitung der chinesischen Kultur. Heute befassen wir uns mit dem Baqiao-Papier, dem mutmaßlich ältesten Papier Chinas

Der Beamte Cai Lun beantragte im Jahr 105, dass das von ihm erfundene Verfahren zur Papierherstellung im ganzen Reich verbreitet wird. Sein Antrag wurde vom damaligen Kaiser Han Hedi genehmigt. So steht es in den alten Geschichtsbüchern geschrieben. Cai Lun galt lange als Erfinder des Papiers. Eine zufällige Entdeckung in den 1950er Jahren erfordert jedoch eine etwas differenziertere Betrachtung.

Am 8. Mai 1957 entdeckten Zhou Zhiqiang und seine Kollegen bei ihrer Arbeit in der Baqiao-Ziegelsteinfabrik ein Grab aus der Westlichen Han-Dynastie. In dem über 2.000 Jahre alten Grab in einem Vorort im Osten von Xi´an, dem Hauptort der Provinz Shaanxi, wurden auch ein Dolch und ein Bronzespiegel entdeckt. Am Spiegel klebten noch immer Papierfetzen aus Leinenfasern. Die Arbeiter informierten umgehend den lokalen Denkmalschutz.

Kurz darauf entfernte ein Archäologe aus dem Museum der Provinz Shaanxi sorgfältig die Papierfetzen vom Spiegel. Insgesamt konnten fast 80 Papierstücke sichergestellt werden. Das Größte ist etwa zehn Zentimeter lang und zehn Zentimeter breit. Die antiken Papierfetzen wurden alsbald nach ihrem Fundort Baqiao benannt.

Das Baqiao-Papier ist dunkelgelb, sehr flach und ganz weich. Es ist ein verhältnismäßig festes Papier. Untersuchungen zeigen, dass das Papier in erster Linie aus Hanf hergestellt wurde. Ein weiterer Bestandteil ist Chinagras, eine Pflanzenart aus der Familie der Brennnesselgewächse. Die Fasern des Baqiao-Papiers sind rund einen Millimeter dick. Die Analyse der Fasern hat ergeben, dass die Rohstoffe des Papiers zuerst zurechtgeschnitten, dann gedämpft und schließlich zu einer Flüssigkeit verarbeitet wurden. Das Herstellungsverfahren scheint ganz simpel gewesen zu sein.

Die Untersuchung des Baqiao-Papiers hat einwandfrei bewiesen, dass in China bereits hundert Jahre vor Cai Lun Papier verwendet worden war. Der Ursprung der Papierherstellung in China geht damit auf das zweite oder erste Jahrhundert vor Christus zurück. Einige Experten halten das Baqiao-Papier gar für das älteste Papier der Welt.

Das Baqiao-Papier wurde seit seiner Entdeckung in der Stadt Xi´an aufbewahrt: zuerst im Beilin-Museum, seit 2007 im Historischen Museum der Provinz Shaanxi. Das wertvolle Papier auszustellen, ohne es zu beschädigen, war jedoch alles andere als einfach. Museumsmitarbeiterin Yang Jin erinnert sich:

„Wir haben das Papier zwischen zwei Glasplatten gelegt und dann versiegelt. Diese Abdichtung ist am besten für die Aufbewahrung des Papiers geeignet. Bevor wir das Papier ausgestellt haben, haben wir zuerst seinen Zustand geprüft. Sein Zustand ist stabil."

Die Entdeckung des Baqiao-Papiers hat in China eine heftige Diskussion ausgelöst. Wissenschaftler zweifelten plötzlich, ob Cai Lun auch wirklich der Erfinder des Papiers war. Mangels Beweisen ist ein endgültiges Urteil in dieser Frage bis heute nicht mit letzter Gewissheit möglich. Es gibt sogar Wissenschaftler, die das Baqiao-Papier gar nicht für richtiges Papier halten. Dazu noch einmal Yang Jin vom Historischen Museum der Provinz Shaanxi:

„Die Entdeckung des Baqiao-Papiers hat eine heftige Debatte ausgelöst. In Akademikerkreisen gilt das Baqiao-Papier gemeinhin als ältestes Papier Chinas, ja sogar der Welt. Cai Lun hat die Papierherstellung lediglich verfeinert und bekannt gemacht."

Ob das Baqiao-Papier tatsächlich auch das älteste Papier der Welt ist oder nicht, spielt für Nerson Willy keine Rolle. Der Tour Guide aus Norwegen will den Mitgliedern seiner Reisegruppe einfach mehr über die alten chinesischen Verfahren der Papierherstellung und ihre Bedeutung erzählen:

„Meiner Meinung nach gehört das Papier zu den wichtigsten Erfindungen der Menschheit. Als norwegischer Reiseführer weiß ich nicht allzu viel über das Baqiao-Papier. Ich halte es aber für eine Frühform von Papier. Ich möchte dieses Papier und die chinesischen Verfahren der Papierherstellung meinen Kunden vorstellen. Soviel ich weiß, benutzten die Chinesen als es noch kein Papier gab Bambus als Schreibunterlage."

Das rätselhafte Baqiao-Papier hat auch die Neugier der Studentin Zhou Lingjie geweckt:

„Shaanxi hat eine lange Geschichte. Für mich zeigt das Baqiao-Papier in gewisser Weise den Entwicklungsprozess von Papier in China. Vom Äußeren sieht es aus wie richtiges Papier."

Unter dem Mikroskop betrachtet, erkennt man, dass das Baqiao-Papier aus Pflanzenfasern besteht. Experten kamen daher zum Schluss, dass es sich um eine Art von Leinenpapier handeln muss. Das Cailun-Papier war freilich viel feiner und fortschrittlicher als das Baqiao-Papier. Archäologen zufolge war das Baqiao-Papier in der Westlichen Han-Dynastie noch nicht verbreitet. Denn damals wurden zum Schreiben ausschließlich Seide und Bambus benutzt.

Die Debatte über das Baqiao-Papier wird wohl noch eine ganze Weile andauern. Unbestritten hingegen ist schon jetzt, dass Papier eine chinesische Erfindung ist. Über die Seidenstraße gelangte das Papier tausend Jahre später auf die arabische Halbinsel, und von dort weiter nach Europa, wo im Jahr 1150 die erste Papierfabrik eröffnet wurde.

Übersetzt  und gesprochen von Lü Xiqian