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Traditionelle Chinesische Medizin – Ein Interview über die Wurzeln und die Zukunft dieser Heilkunst
  2011-11-04 17:13:55  cri

Dr. Xue Nan arbeitet bereits seit zehn Jahren in dem Krankenhaus als blinder Massagetherapeut und bildet zudem als Doktor der TCM Studenten aus dem Ausland aus. Aber auch internationale Patienten behandelt der Arzt, und der Einfachheit halber nennt er sich daher kurz Dr. Richard. Er gibt also einen kleinen Überblick über die Traditionelle Chinesische Medizin:

„TCM hat eine Geschichte von mindestens 4.000 Jahren. Ganz zu Beginn verwendete man zum Beispiel durch Sonnenenergie aufgeheizte Steine zum Heilen. Oder auch Kräuter, um Krankheiten zu behandeln. Vor etwa 2.500-3.000 Jahren hat sich die Gesellschaft dann deutlich weiterentwickelt, und in dieser Zeit ist dann auch diese Form der Medizin entstanden."

Der Begriff „Traditionelle Chinesische Medizin" ist bekannt, aber was genau steckt dahinter? Und welche Anwendungsmethoden gibt es? Dr. Richard zählt sie auf:

„Wir verwenden Akupunktur, Kräuter, Gräser und Pflanzen und auch Massagen. Die Massagen sind als traditionelle Physiotherapie Bestandteil der TCM. Dann gibt es noch das Schröpfen, oder Ohrnadeln. Als dies sind Möglichkeiten zum Behandeln von Krankheiten."

Schon beim Aufzählen der Behandlungsarten wird also klar, dass sich die Traditionelle Chinesische Medizin deutlich von der Medizin im Westen unterscheidet. Und diese Unterscheidung gilt auch für die Diagnose:

„Die TCM kennt verschiedene Formen der Diagnose. Etwa das Betrachten. Das Betrachten der Augen, der Zunge und des Gesichts, also die Farbe des Gesichts. Gibt es dabei Abnormitäten? Ist der Patient voller Energie oder herrscht ein Mangel an Energie? Und hören wir genau auf die Stimme des Patienten. Ist sie stark oder schwach? Ist der Redefluss flüssig? Dann gibt es das Riechen: wenn wir bei einem Patienten sind, riechen wir genau, denn unterschiedliche Krankheiten erzeugen einen unterschiedlichen Geruch. Und dann ist da noch das Gespräch: wir stellen dem Patienten konkrete Fragen: wie lange dauern die Probleme an, was sind die Ursachen? Gibt es andere Fälle in der Familie und so weiter."

Nun, das macht doch der Arzt im Westen mehr oder weniger auch, möchte man sagen. Die Beurteilung der Gesamterscheinung des Patienten, die Anamnese, also die systematische Befragung, die Abklärung des familiären Hintergrundes… Das stimmt schon, aber es geht weiter:

„Die nächste Form der Diagnose ist das Überprüfen des Pulses. Der Doktor fasst den Patienten mit seinen Fingern am Handgelenk und kann aufgrund der gefühlten Signale darauf schließen, welche gesundheitlichen Probleme vorhanden sind."

Die Informationen, die durch all diese Diagnosemöglichkeiten erhalten werden, werden dann zusammen ausgewertet. Anschließend legt der TCM-Arzt fest, welche Form der Behandlung am besten ist: Massagen, Kräuter oder das Stimulieren bestimmter Punkte auf den Meridianen. Der TCM zufolge durchfließen unseren Körper nämlich nicht nur Blutbahnen, sondern auch sogenannte Meridiane, in denen eine gewisse Form der Energie durch unseren Körper strömt. Dr. Richard gibt eine Erklärung:

„Die Meridiane sind eine sehr abstrakte Idee. Es sind Kanäle, in denen Qi und Blut transportiert werden. Dieses Qi wird im Westen als eine Form der Energie verstanden, und dieses Qi ist zusammen mit dem Blut von großer Bedeutung für unseren Körper. Das Qi kann den Blutfluss stimulieren, und das Blut ist ja eine gewisse Form der Nahrung für unseren Körper. Wenn es aber an Qi mangelt, kann das Blut nicht richtig fließen. Kommt es zu einem Blutverlust, hat das Qi keinen Aufenthaltsort mehr und es verschwindet ebenfalls. Qi und Blut sind also zwei gegensätzliche Dinge, aber aufeinander angewiesen und voneinander abhängig; und beide werden im Körper durch die Meridiane transportiert."

Um nun diesen Fluss zu fördern oder zu reduzieren, werden in der TCM - abhängig vom jeweiligen Krankheitsbild – bestimmte Punkte auf diesen Meridianen stimuliert: mit Druckmassage oder eben durch Akupunktur. 361 dieser Akupunkturpunkte hat der menschliche Körper, und jeder einzelne hat einen eigenen Namen. Diese Form der Behandlung ist geeignet für akute und chronische Krankheiten, gerade bei letzteren bestehen gute Heilungschancen. Dies gilt etwa für Beschwerden der Weichteile des Körpers, also Muskeln, Bindegewebe, Sehnen, Blutgefäße, Lymphgefäße, Gelenke und Fettgewebe. Aber auch bei Kopfschmerzen, Magen- und Darmproblemen oder Schlaflosigkeit sind üblicherweise gute Behandlungsergebnisse zu verzeichnen. Andere Beschwerden wie Bluthochdruck oder Diabetes können jedoch nicht vollständig mit Akupunktur oder Akupressur geheilt werden, allerdings ist Dr. Richard zufolge eine Linderung möglich.

Auf die Bitte, TCM und westliche Medizin zu vergleichen und den größten Unterschied zu benennen, antwortet Dr. Richard:

„In der TCM betrachtet man das Gesamtbild; in der westlichen Medizin betrachtet man eher die kleinen Dinge: die Moleküle, die Zellen. In der TCM betrachtet man den ganzen Körper, die ganzheitliche Situation. Die verschiedenen Organe stehen in Beziehung zueinander. Und der Körper ist verbunden mit der Außenwelt. TCM-Ärzte betrachten daher das Ganzheitliche, in der westlichen Medizin konzentriert man sich auf die Zellen und Moleküle."

Aber nicht nur das, auch was die Forschung betrifft, unterscheiden sich beide:

„In der westlichen Medizin betreibt man viel Forschung. Wenn man ein neues Medikament entwickelt, wird dieses viele Jahre im Labor erforscht, um mehr über die Wirkungsweise und die Nebenwirkungen zu erfahren. In der TCM legt man hingegen mehr Wert auf Erfahrung. TCM ist sehr alt, also gibt es viele Erfahrungswerte. Und wir legen viel Wert auf die jeweilige Erfahrung des Arztes."

Auch in der Behandlung in Krankenhäusern findet Dr. Richard Unterschiede:

„In den Krankenhäusern im Westen gibt es meist auch immer dieselben Medikamente und Präparate, weil nach denselben Bluttests und medizinischen Untersuchungen vorgegangen wird. Besucht man hingegen einen TCM-Arzt, so beurteilt dieser ganz individuell. Die Diagnose kann sich hierbei von Arzt zu Arzt unterscheiden, ebenso die Behandlung."

Dass TCM auch im Westen immer mehr an Popularität gewinnt, erkennt Dr. Richard an seinen Ausbildungskursen. Studenten aus Amerika, Afrika oder Europa sitzen dann bei ihm in der Vorlesung und lernen mehr über diese alte Heilkunst. Die Traditionelle Chinesische Medizin hat sich über Jahrtausende bewährt und sich zudem immer weiterentwickelt. Wie aber sieht die Zukunft der TCM aus? Kommt es zu einer Verbindung von westlicher und chinesischer Medizin?

„An den Universitäten und TCM-Instituten wird darüber gerade viel diskutiert. Einige sagen, wir sollten die westliche Sichtweise nutzen, um die TCM mehr zu erforschen. Andere stimmen dem weniger zu. Meiner Meinung nach müssen wir die positiven und guten Ideen unserer Vorfahren hinsichtlich der TCM bewahren. Und wir sollten die Vorteile der modernen westlichen Medizin nutzen. Man kann so detailiertere Forschung betreiben. Was sind zum Beispiel die chemischen Bestandteile einer bestimmten medizinischen Pflanze? Welche Chemikalie ist am effektiefsten für welches Symptom? Vielleicht ist das ein möglicher Weg in der Zukunft."

Und es gibt noch ein Beispiel: im Beijing Massage Hospital wird derzeit untersucht, welche Auswirkungen eine Druckmassage genau auf den Körper hat. Was passiert in den einzelnen Körperregionen oder Organen, wenn der Therapeut mehr Druck auf einen Punkt ausübt? Oder weniger? Und wieso wirkt eine Akupunktur oder Akupressur bei einem Patienten besser als bei einem andern? Es ist also so, wie Dr. Richard sagt: die alte Kunst der TCM-Behandlung beibehalten und sie mit modernen Möglichkeiten der westlichen Medizin näher erforschen, dass scheint ein vernünftiger und richtiger Schritt in die Zukunft zu sein.

Text, Photos und Interview:
Christoph Limbrunner

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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