Auf der Suche nach Linderung für die kleineren und größeren Schmerzen des Alltags ist eine Praxis für Akupunktur für viele Anwohner Beijings der erste Anlaufpunkt. Jiang Ruixia unterzieht sich erst seit kurzem der traditionellen Therapie mit Nadeln. Dennoch ist sie überzeugt, dass die Akupunktur ihren Schulterschmerzen deutlich entgegenwirkt.

Nachdem sie Platz auf einer Liege genommen hat, beginnt der Akupunkteur damit, insgesamt 15 Nadeln an speziellen Punkten auf ihrem Rücken und ihren Schultern anzusetzen. Daraufhin werden die Nadeln mit Drähten an eine Elektrizitätsquelle angeschlossen und unter Strom gesetzt, um die Wirkung der Behandlung zu erhöhen. Nach etwa 15 Minuten stellt die 54-jährige Buchhalterin fest, dass die Schmerzen in ihrer Schulter verschwunden sind.

„Ich leide oft an Schulterschmerzen und habe schon alles versucht, verschiedene Medikamente, Massagen, aber nichts hat wirklich geholfen. Letzte Woche habe ich dann eine Behandlung mit Akupunktur versucht, und es war wirklich hilfreich. Daher bin ich für eine zweite Behandlung zurückgekehrt. In den drei Tagen nach der Behandlung habe ich keinerlei Schmerzen empfunden, sie scheint also sehr wirksam zu sein. Deswegen bleibe ich dabei."

In der Tat erfreut sich die Akupunktur inzwischen einer solchen Beliebtheit, dass manche der Spezialkliniken in Beijing förmlich von Patienten überrannt werden. Frau Zhou Ning kann dies aus eigener Erfahrung bestätigen: Sie arbeitet als Akupunkturärztin und benötigt jeden Tag zehn Stunden, um ihre Patientenliste abarbeiten zu können.

„In den letzten Jahren ist die Akupunktur als traditionelle chinesische Therapieform wieder bekannt geworden. Inzwischen bemerken auch immer mehr junge Menschen, welche Vorteile die Akupunktur auszeichnen: Sie ist praktisch, einfach in der Verabreichung und hat keinerlei Nebenwirkungen. Das lässt sie für viele Patienten als attraktive Wahl erscheinen."

In China blickt die Therapie mit Nadeln auf eine Geschichte von knapp 1.800 Jahren zurück. Kern und Fundament der Akupunktur ist die Vorstellung einer im menschlichen Organismus wie im gesamten Universum zirkulierenden Lebensenergie, dem Qi. Dieses Qi nun fließt entlang zwölf Leitbahnen durch den Körper. Jede dieser als Meridian bezeichneten Leitbahnen wird in Beziehung zu bestimmten Organen und Organsystemen gesetzt. Kommt es innerhalb des menschlichen Körpers zu Störungen, wird der Fluss des Qi entlang der korrelierenden Meridiane blockiert oder gehemmt. In diesem Fall setzt der Spezialist an besonderen, dicht unter der Hautoberfläche gelegenen Akupunkturpunkten Nadeln an, um das Gleichgewicht des Qi-Flusses wiederherzustellen.

Unter einigen Ärzten der Schulmedizin ist diese traditionelle Therapie nach wie vor sehr umstritten, Zweifel an der wissenschaftlichen Grundlage sowie der Wirksamkeit der Akupunktur sind weit verbreitet. Nach Ansicht Yang Jinhongs, Professorin für Akupunktur an der Chinesischen Akademie für Medizin, sind weitere Forschungen und Öffentlichkeitsarbeit entscheidend für die Zukunft der Akupunktur.

„Wir würden eine systematische Erforschung der Akupunktur und eine Standardisierung der Bemühungen in der Öffentlichkeitsarbeit sehr begrüßen. Auf diese Art wollen wir den Menschen mehr Kenntnisse über die Geschichte, die Theorien und die Anwendungsgebiete der Akupunktur vermitteln. Wir wollen, dass mehr Menschen die Akupunktur verstehen und als Berufszweig anstreben."

In den letzten Jahren hat die chinesische Regierung eine ganze Reihe von Kampagnen gestartet, die der Förderung der Akupunktur dienen sollen. So wurden etwa in allen Kreisstädten des Landes Spezialkrankenhäuser ins Leben gerufen. Im November vergangenen Jahres fand die Akupunktur zudem Eingang in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes. Es ist daher durchaus zu erwarten, dass der Akupunktur in naher Zukunft eine neue Blüte bevorsteht. Dies geschieht nicht zuletzt, weil die Zahl der Spezialärzte stetig zunimmt und immer mehr Menschen die Akupunktur als effektive medizinische Behandlung anerkennen.

Übersetzt von Zheng An