Immer mehr Chinesen wenden sich einem Leben als sogenannte Investmentmigranten im Ausland zu und bewerben sich um Aufenthaltsgenehmigungen in den USA oder Kanada. Um ein Visum dieser Kategorie erhalten zu können, sind Geldanlagen in zuvor bestimmten Fonds und Wertpapieren nötig. Werden diese Auflagen erfüllt, ist der Erwerb eines längerfristigen Aufenthaltsrechtes möglich.
Huang Xiaoliang ist Anwältin, Mitte dreißig und eine jener Menschen in China, die einen solchen Schritt aus verschiedenen Gründen in Erwägung ziehen.
„Ich habe im Ausland studiert und Gefallen am Lebensstil meines Gastgeberlandes gefunden. Man hat weniger Druck am Arbeitsplatz und auch im alltäglichen Leben. Aber eine green card als Anwältin zu bekommen, ist relativ schwierig."
Bei der sogenannten skills-based immigration, der Einwanderung aufgrund spezieller Befähigung, handelt es sich um die Einbürgerung von Fachkräften aufgrund eines Bedarfs seitens der Wirtschaft des Ziellandes. Neben dem Nachweis der besagten Fähigkeiten ist zumeist auch die Beherrschung der Landessprache eine Voraussetzung für den Erwerb eines Visums.
Huang Xiaoliang ist nach wie vor unentschlossen, welches Land ihr am meisten zusagt und in welchem Bereich sie ihr Geld anlegen möchte.
Robert Mu arbeitet als Anwalt für Einwanderungsrecht bei der Investmentberatungsfirma AAE Group, die sich auf ausländische Anleger spezialisiert hat. Seinen Aussagen zufolge tätigen die meisten seiner Klienten Investitionen in den USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Singapur und Großbritannien. Die Wahl der Geldanlage ist dabei zumeist durch örtliche Regelungen eingeschränkt, wie er erklärt.
„Verschiedene Länder haben unterschiedliche Vorgaben. In Kanada zum Beispiel investiert man in einen von der Regierung akkreditierten Fonds, der die Gelder wiederum in lokalen Projekten anlegt. In den USA hingegen darf nur in Wertanlagen investiert werden, die eine Anerkennung der Einwanderungsbehörden vorweisen können. Der australische Staat schreibt sogar vor, dass Investmentmigranten ausschließlich Staatsanleihen erwerben dürfen."
Wie Robert Mu weiter erklärt, stammen die meisten chinesischen Investoren aus wohlhabenden Provinzen und Städten des Landes, darunter Guangdong, Zhejiang, Jiangsu und Shanghai.
Song Quancheng ist Direktor am Institut für Migrationsstudien an der Universität Shandong. Er erläutert die Hintergründe der gegenwärtigen Bevölkerungsbewegungen.
„International betrachtet handelt es sich bei Aus- und Einwanderung um eine Folge der Globalisierung. Diese führt zu Verlagerungen von Kapital, Technologien und Wirtschaftsgütern, und auch Bevölkerungstransfers sind ein Teil dieser Bewegungen. Im Fall Chinas ist es vor allem ein höherer Lebensstandard, der die Menschen zur Auswanderung antreibt. Gleichzeitig sind einige wohlhabende Personen um den Erhalt ihres Eigentums in China besorgt. In der Folge entscheiden sie sich häufig dafür, ihre Finanzen im Ausland anzulegen."
Allerdings lässt der eingangs erwähnte Bericht der China Merchants Bank darauf schließen, dass sich die wohlhabenden Chinesen dabei nicht von Profitgier lenken lassen: Nahezu die Hälfte der Befragten gab an, mit den Wertanlagen vor allem ihre Investitionsrisiken streuen zu wollen.
Übersetzt und gesprochen von Lucas Göpfert