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Die Hüter der versunkenen Stadt Loulan
  2011-05-21 17:14:15  cri
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Im Herbst sind die Grabräuber in Loulan jeweils ganz besonders aktiv. Entsprechend vorsichtig sind die Wachmänner, wenn sich ihnen eine Person nähert. Eine Ausnahme machen sie höchstens bei bekannten Gesichtern wie Qu Mingming, der Verlobten ihres Chefs, Cui Yousheng. Qu Mingming ist an diesem lauen Herbsttag extra in die abgelegene Geisterstadt gereist, um ihrem Verlobten Cui Yousheng das Jawort zu geben. Eine Hochzeit in seinem Heimatort lehnte Cui Yousheng ab, weil er in dieser von Grabräubern besonders bedrohten Jahreszeit unbedingt bei seinen Männern sein wollte. Seiner Verlobten Qu Mingming blieb daher nichts anderes übrig, als ins abgelegene Loulan zu reisen.

Mitarbeiter: „Willst du Qu Mingming heiraten?"

Cui: „Ja, ich will!"

Mitarbeiter: „Willst du für immer bei ihr bleiben?"

Cui: „Ja, ich will!"

Die meisten der in Loulan stationierten Wachmänner sind ledig. Ihre Arbeit in der abgeschiedenen Ruinenstadt lässt eine Beziehung nur schwer zu. Cui Yousheng weiß das nur zu gut. Erst im verhältnismäßig hohen Alter von 36 Jahren fand er seine große Liebe Qu Mingming. Seine Heirat gibt den noch verbliebenen Junggesellen auf dem Wachposten in Loulan Hoffnung.

Jiao Yingxin ist Leiter des Büros für das Kulturerbe im Kreis Ruoqiang und damit auch verantwortlich für die Außenstelle in der Ruinenstadt Loulan:

„Die Arbeit hier in Loulan ist sehr mühsam. Wenn man über eine längere Zeit an einem solchen Ort arbeitet, bleiben die Kontakte zur Außenwelt natürlich begrenzt. Einen Ehepartner zu finden, ist fast aussichtslos. Die Suche nach einer Partnerin für die Junggesellen unter dem Wachpersonal ist daher die dringlichste Aufgabe unseres Büros."

Loulan ist heute menschenleer und öde. Außer Forschungsreisenden, von denen hier jedes Jahr einige ums Leben kommen, verirrt sich kaum jemand in diese unwirtliche Gegend. Während der Blütezeit von Loulan vor zweitausend Jahren sah das freilich ganz anders aus. Damals war die Stadt nordwestlich des Luobupo-Sees in ganz China als Warenumschlagplatz bekannt.

Die Außenstelle zum Schutz des Kulturerbes in Loulan wurde im Jahr 2003 errichtet. Bis Jiao Yingxin und seine Männer damals eine geeignete Stelle fanden, waren sie neun Tage zu Fuß unterwegs:

„Wir wählten einen Standort und bauten dort unsere Zelte auf. Die Zelte bildeten unsere Außenstelle. Der Wind wehte immer mindestens drei Tage lang. Wenn es stark stürmte, wehte der Wind unsere Zelte jeweils fort und wir hatten kein Dach mehr über dem Kopf. Zum Glück hatten wir große Eimer dabei, die wir zum Befestigen der Zeltplanen benutzen konnten."

Die größte Herausforderung, mit der die Wachmänner in Loulan zu kämpfen haben, ist allerdings nicht das Wetter, sondern die Einsamkeit. Die sechs Kulturschützer arbeiten immer in Zweier- oder Dreier-Teams. Die Teams arbeiten jeweils in Schichten von zwei Monaten – oft auch länger. Nach der Rückkehr von ihrer täglichen Patrouille gibt es für die Wachmänner praktisch nichts mehr zu tun und die Langeweile setzt ein. Die mitgebrachten Zeitungen sind rasch gelesen und die neuesten Songs auf den Handys alsbald dutzendfach gehört. Einen Fernseher gibt es hier draußen nicht. Die Solaranlage, mit der Strom erzeugt wird, reicht nur für die Beleuchtung. Cui Yousheng lebte einst acht Monate ohne Unterbruch in Loulan:

„Wenn ich in die Zivilisation zurückkehre und andere Menschen sehe, fällt es mir schwer, mich mit ihnen zu unterhalten. Ich fühle mich überhaupt nicht in der Lage, mit ihnen zu sprechen. Nach einer Woche kehre ich meistens wieder nach Loulan zurück."

Loulan ist 380 Kilometer von Ruoqiang, der nächsten Stadt, entfernt. Bis zur Sanierung der Landstraße dauerte die Fahrt zwei Tage – bei schlechtem Wetter sogar noch länger. Nach Regen verwandelt sich der ansonsten harte Untergrund in eine Rinne aus Schlamm, in der ein Vorwärtskommen praktisch unmöglich ist. Steckengebliebene Autos sind auf dieser Straße keine Seltenheit. Geduld und handwerkliches Geschick sind dann gefragt.

Jiang Xiaoxi, der Fahrer vom Leiter des Büros für das Kulturerbe im Kreis Ruoqiang, hat beides schon des Öfteren benötigt. Einmal scheiterte er gleich Dutzende Male hintereinander. Erst nach einem Monat gelang es ihm schließlich, Loulan mit den dringend benötigten Nahrungsmitteln zu erreichen. Als Jiang Xiaoxi endlich in Loulan eintraf, hatten die Wachmänner nur noch etwas Mehl und Salz übrig:

„Die Fahrt dauerte damals über zwei Tage. Als ich endlich in Loulan eintraf, umarmten wir uns alle und weinten über eine halbe Stunde lang."

Die versunkene Stadt Loulan wurde im Jahr 1900 vom schwedischen Forscher Sven Hedin entdeckt. Die über zweitausend Jahre alten Zhanguoce-Manuskripte, die von seinem Team ausgegraben wurden, sorgten damals für eine Weltsensation. Auch die zu Tage geförderten Seidenstücke aus der Han-Dynastie und Manuskripte mit der seltenen Kharoshthi-Schrift verblüfften die Archäologen. Die sensationellen Funde riefen aber auch die Grabräuber auf den Plan – sehr zum Ärger von Meng Hangao, einem bekannten Altertumsforscher aus Ruoqiang:

„Allein zwischen 1998 und 2002 wurden einhundert wertvolle Gräber geplündert. Die Grabplünderungen kamen überraschend und ärgern uns natürlich unwahrscheinlich. Zum Schutz der Gräber in Loulan sahen wir uns daher gezwungen, eine Schutzstelle zu errichten."

Die archäologischen Fundstellen in Loulan erstrecken sich über eine Fläche von über einhundert Quadratkilometer. Ein so großes Areal vor Grabräubern zu bewachen, ist nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Die Mitarbeiter der Schutzstelle gehen jeden Tag zweimal auf Patrouille. Am Abend schieben sie zudem noch Wachdienst in der Nähe ihrer Unterkunft. Falls sie Grabräuber entdecken, informieren sie sofort die Polizei in Ruoqiang. Aufgrund der Abgeschiedenheit sind sie aber in den meisten Fällen auf sich alleine gestellt. Direkte Auseinandersetzungen mit Grabräubern sind daher keine Seltenheit.

Seit Errichtung der Außenstelle in Loulan konnten bisher fünf Banden von Grabräubern festgenommen und vier weitere verscheucht werden. Glücklicherweise hatten die festgenommenen Plünderer mit ihrer illegalen Tätigkeit noch kaum begonnen.

Die Arbeit als Wachmann in Loulan ist eine psychische und physische Belastung, die nur die wenigsten langfristig aushalten. Entsprechend hoch ist die Fluktuation unter dem Wachpersonal. Einige hielten es nicht einmal zwei Tage in der Einöde von Loulan aus. Langjährige Mitarbeiter wie Cui Yousheng und Jiang Xiaoxi bilden die Ausnahme. Obwohl sie nicht viel verdienen, halten sie Loulan die Treue. Für sie ist ihre Arbeit weit mehr als ein reiner Broterwerb:

„Wir schieben für unsere Vorfahren Wache. Das ist eine sinnvolle Aufgabe. Wir tragen dazu bei, dass die Kulturgüter für die Nachwelt erhalten bleiben. Die zukünftigen Generationen werden uns einmal dankbar dafür sein, dass wir das Kulturerbe für sie geschützt haben."

Ihre harte Arbeit lohnt sich durchaus. Laut Meng Hangao wurden 80 Prozent der Exponate im neuen Geschichtsmuseum der Stadt Ruoqiang von den Mitarbeitern der Außenstelle in Loulan gefunden:

„Vor der Gründung der Volksrepublik sind viele Kulturgegenstände verloren gegangen. Heute versuchen wir, sie gut zu schützen und für die Nachwelt zu bewahren."

Übersetzt von Zheng An

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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