Vor 15 Jahren verlor das Ehepaar Li aus der nordchinesischen Stadt Chengde innerhalb kürzester Zeit ihre beiden Söhne an eine Krankheit. Über Nacht verwandelte sich die glückliche, vierköpfige Bauernfamilie in ein einsames Ehepaar. Der jüngere der beiden Brüder, Li Baoyuan, hatte zuvor an der Universität für Landwirtschaft Hebei studiert. Nachdem seine Kommilitonen von den Problemen der Familie erfahren hatten, entschieden sie sich dazu, das Ehepaar finanziell zu unterstützen. Und so erhielten die Lis in den letzten 15 Jahren insgesamt 56 Briefe und 15 Überweisungen. Die Hilfe der einstigen Studenten ermöglichte es ihnen zudem, die Krankenhausschulden ihrer Söhne in einer Höhe von 70.000 Yuan RMB zu tilgen.
Es war der 1. Oktober 1996, als Li Baoyuan, Student an der Universität für Landwirtschaft in Hebei, überraschend einer schweren Krankheit erlag. Nur kurz zuvor war bereits sein älterer Bruder Li Guangkun verstorben. Innerhalb weniger Tage war so von der bisher vierköpfigen Familie Li nur ein trauerndes Elternpaar geblieben.
Yang Zhengwu, einer der ehemaligen Kommilitonen Li Baoyuans, lassen die tragischen Ereignisse jener Zeit bis heute nicht los.
„Sie haben ihre beiden Söhne verloren. Von der Familie sind nur die alten Eheleute geblieben, die von diesem Schicksalsschlag in jeder Hinsicht überfordert waren."
Zwei Monate nach dem Tod seines jüngsten Sohnes erhielt das noch immer trauernde Familienoberhaupt Li Weihe plötzlich unerwartet Post aus der Universität für Landwirtschaft Hebei. Darin befand sich neben einem Überweisungsträger ein beigelegter Brief, in dem die Kommilitonen des Verstorbenen Li Baoyuan versicherten, von nun an die Lebenshaltungskosten des Ehepaares zu übernehmen. Der Brief und die warmherzige Fürsorge, auf die er schließen ließ, rührte die beiden zu Tränen. Nach Aussage Shi Cuipings, inzwischen Dozentin an der Universität für Landwirtschaft Hebei, ging die Hilfsaktion voll und ganz aus einer Eigeninitiative der Kommilitonen hervor.
„Wir haben uns Sorgen um das alte Ehepaar gemacht. Jeder hätte doch an unserer Stelle das Gleiche getan. Wir fühlten uns dazu verpflichtet, sie zu unterstützen."
15 Jahre lang erhielten die Eheleute regelmäßige Überweisungen und Briefe von den Kommilitonen ihres verstorbenen Sohnes. Es war diese Verlässlichkeit, die die Verbliebenen neuen Mut schöpfen ließ und ihnen die Kraft zum Weiterleben gab.
Ihre Hilfsaktion hielten die Klassenkameraden jedoch lange geheim. Nicht einmal Huang Wenjun, der damalige Tutor der Studenten, war in die Vorgänge eingeweiht.
„Ich habe von dieser Sache erst einen Tag vor der Ankunft von Li Baoyuans Vater in diesem Jahr erfahren. Er war hierher gekommen, um die ehemaligen Mitschüler seines Sohnes zu besuchen und sich bei ihnen zu bedanken. Erst zu diesem Zeitpunkt haben sie mir ihr Geheimnis anvertraut."
Du Yanmin, vor 15 Jahren Klassenleiter, erklärt die Motivation der ehemaligen Studenten:
„Wir hoffen, daß das Ehepaar auch weiterhin gesund bleibt. Das ist unser größtes Anliegen. Die Hilfsaktion werden wir auch in Zukunft fortsetzen, das versprechen wir."
Im Heimatdorf der Lis Wulongji ist die Hilfsaktion eine weit und breit gelobte Tat. Dorfvorsteher Li Weiren teilt uns mit:
„Alle Anwohner wissen von dieser guten Tat, und sie alle sind sehr gerührt. Einmal eine gute Tat zu leisten mag leicht sein. Aber über eine so lange Zeit hinweg Gutes zu tun, dafür gibt es fast keine Worte mehr."
Auch Li Weihe ist es nahezu unmöglich, seine Dankbarkeit gegenüber den früheren Mitschülern seines Sohnes zum Ausdruck zu bringen.
„Diese Tat zeugt wirklich von größter Herzlichkeit. Ich kann meine Dankbarkeit nicht in Worte fassen. Diese Männer und Frauen mögen nicht meine leiblichen Kinder sein, aber ich betrachte sie alle ohne Unterschied wie meine eigenen Söhne und Töchter."
Für die solchermaßen gelobten Helfer ist es bis heute eine Selbstverständlichkeit, dass sie in den vergangenen Jahren nie von der Erfüllung ihres Versprechens absahen.
„Das alte Ehepaar hat alle seine Kinder verloren. Egal, um wen es geht, jeder hätte an unserer Stelle doch das Gleiche getan."
Genügsam, solidarisch und zukunftsorientiert – dies sei der Eindruck, den die Klasse Nummer 9301 bei ihm hinterlassen habe, wie uns Huang Wenjun erklärt.
„Alle dieser Schüler kommen vom Land. Sie sind mit dem mühsamen Leben in den Dörfern aufs engste vertraut. Sie wissen, wie hart und schwierig es für die Bauern ist, ihren Kindern einen Universitätsbesuch zu ermöglichen."
Sicherlich ist es auch diesem Wissen um die Härten des ländlichen Lebens zu verdanken, dass die ehemaligen Kommilitonen Liu Baoyuans sich mit solcher Sorge und Tugend um die Eltern ihres ehemaligen Mitschülers kümmern.
Übersetzt von Xiao Lan
Gesprochen von Li Yanping