Im Zuge journalistischer Recherchen war zu erfahren, dass das chinesische Gesundheitsministerium landesweit gegen den Missbrauch von Antibiotika vorgehen wird. Das vordergründige Ziel einer solchen Maßnahme liegt dabei aber nicht in der Einsparung medizinischer Kosten und Ressourcen. Viel zentraler ist es, einem durch leichtsinnigen Umgang mit Medikamenten verursachten Auftreten antibiotikaresistenter Bakterien vorzubeugen. Genaueres zu diesem Thema lässt sich dem folgenden Beitrag entnehmen.

Herr Lian ist einer der vielen Taxifahrer Beijings. In den letzten Tagen hatte er einige Erkältungssymptome an sich entdeckt und daher einen Arzt aufgesucht. Im Zuge der Behandlung wurde ihm auch die Infusion eines Antibiotikums verordnet.

„Die letzten zwei Tage hatte ich leicht erhöhte Temperatur, das ging nachmittags gegen drei Uhr los. Dann wurde ich drei Tage lang mit Infusionen behandelt, die mich drei- oder vierhundert Yuan gekostet haben."

Natürlich muss eine normale Erkältung üblicherweise nicht durch eine Infusion von Antibiotika behandelt werden. Doch Patienten wie Herr Lian, denen vorschnell hochpotente Medikamente verschrieben werden, sind in China durchaus nicht selten. Landesweit werden Antibiotika in vergleichbar leichtsinniger Weise verwendet. Professor Xiao Yonghong ist Mitglied im Expertenkomitee für den rationalen Gebrauch von Medikamenten des Gesundheitsministeriums. Zugleich forscht er in einem staatlichen Labor für Seuchenbehandlung am medizinischen Institut des Universitätskrankenhauses der Zhejiang Universität. Professor Xiao beschäftigt sich schon seit geraumer Zeit mit dem Missbrauch von Antibiotika. Er betont, welche katastrophalen Folgen die leichtfertige Verabreichung dieser Medikamente haben kann.

„Viele Patienten benötigen eigentlich keine Antibiotika, akzeptieren aber trotzdem die verschriebene Behandlung. Das führt einerseits zur Verschwendung medizinischer Ressourcen und andererseits zum Verlust der medizinischen Wirksamkeit des Medikaments. Letzteres gilt dabei nicht nur für den Patienten selbst, sondern für die ganze Menschheit, mit katastrophalen Folgen. Die im letzten Jahr entdeckten Bakterienstämme mit ihrer ausgeprägten Toleranz gegen Medikamente sollten uns eine Warnung sein. Denn sollten alle Bakterien resistent gegen Antibiotika sein, wären bakterielle Infektionen nur noch sehr schwer zu heilen. Das würde zu einer deutlich erhöhten Sterbeziffer unter den Patienten und akut lebensbedrohlichen Situationen führen."

Offiziellen Angaben zufolge werden Antibiotika in China viel zu häufig und zu intensiv genutzt. Nahezu 70 Prozent aller Krankenhauspatienten werden mit Antibiotika behandelt. Im Schnitt verbrauchen 100 allgemein Erkrankte eine Menge an antibakteriellen Medikamenten, die bei der rein antibakteriellen Behandlung von 80 Personen anfallen würde. Dies ist der weltweit höchste Wert und überschreitet den globalen Durchschnitt, wie er von der WHO angegeben wird, um das Doppelte. Das Problem lässt sich auf die folgenden Punkte zurückführen: die auf dem Verkauf von Medikamenten beruhende Finanzierung der Krankenhäuser, das bisherige System zur Verordnung von Medikamenten, die Überwachung von Medikamentenmissbrauch sowie die Befähigung des medizinischen Personals, angemessene Medikamente zu verordnen. Schließlich ist auch das fehlende öffentliche Bewusstsein über einen reflektierten Umgang mit Medikamenten ein Faktor. Diese Probleme bedürfen einer dringenden Lösung.

Um diesen Missständen entgegenzutreten, hat das Gesundheitsministerium eine ganze Reihe von landesweiten Projekten gegen den Missbrauch von antibakteriellen Medikamenten gestartet. Unter anderem ist vorgesehen, Gruppen aus speziell ausgebildetem Prüfpersonal unangekündigte Untersuchungen an medizinischen Institutionen durchführen zu lassen. Auf diese Weise sollen Unregelmäßigkeiten in der Nutzung und Verordnung von Antibiotika aufgedeckt werden.

Darüber hinaus soll eine Anzahl weiterer Maßnahmen ergriffen werden. So soll etwa der Erwerb jener Antibiotika eingeschränkt werden, die Spezialbehandlungen vorbehalten sind. Zudem sehen sich Ärzte, die der leichtfertigen Verordnung von Medikamenten überführt werden, einem strengeren Strafmaß ausgesetzt. Auch sollen Nutzungsrate und –menge von antibakteriellen Medikamenten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Nach Ansicht Professor Xiao Yonghongs sind diese Maßnahmen durchaus geeignet, dem Missbrauch von Antibiotika vorzubeugen. Zur gründlichen Lösung des Problems sei allerdings die Etablierung eines langfristig wirksamen Systems nötig.

„Zunächst müssen die Heilmittel neu kategorisiert werden. Unterschiedliche Ärzte sollten verschiedene Verschreibungsbefugnisse haben. Das ist eine effektive und international angewandte Methode, um den Missbrauch von wichtigen Antibiotika einzuschränken. Darüber hinaus kann eine kurzfristig anberaumte Überprüfung wirkungsvoll sein. Will man aber eine endgültige Lösung erzielen, so ist die aktive Beteiligungen sowohl der Ärzte als auch der Patienten erforderlich."

Nach aktuellen Angaben hat China bereits ein Netzwerk zur Überwachung antibiotikaresistenter Bakterien aufgebaut. Zurzeit werden immer mehr Krankenhäuser auf Basisebene schrittweise in diesen Verbund eingegliedert. Die in diesem Rahmen gewonnenen Daten spielen für die Forcierung und Steuerung einer vertretbaren Nutzung antibakterieller Medikamente eine unschätzbar große Rolle.

Überzetzt von Zhang Yiming

Gesprochen von Qiu Jing