Weit entfernt in Xinjiang, in der autonomen Kreisstadt Ili der Xibo-Nationalität, lebt ein kleines Mädchen namens Liu Minhui, die von klein auf an der Augenkrankheit Keratokonus litt. Dabei handelt es sich um eine voranschreitende Ausdünnung und Verformung der Hornhaut des Auges. In der Folge ihrer Erkrankung konnte die Betroffene die Welt nur noch durch ihr rechtes Auge wahrnehmen. Doch am Ende einer bewegenden Geschichte erhielt sie im Alter von 16 Jahren eine Hornhautspende, durch die die Welt in all ihrer Schönheit wieder vor ihren Augen erstand.
Mit elf Jahren hatte Liu Minhui häufig Probleme damit, Gegenstände auf größere Entfernungen mit dem linken Auge zu erkennen. Die Sehkraft ihres rechten Auges war hingegen normal, und so schenkte sie diesem Problem keine weitere Beachtung. Doch mit der Zeit nahmen die Komplikationen zu, während Liu Minhui immer häufiger unter Augenschmerzen litt.
Im Jahr 2008 diagnostizierten Ärzte die 13-Jährige schließlich mit Keratokonus an beiden Augen. Die Sehkraft ihres rechten Auges belief sich zu diesem Zeitpunkt auf 1.0, für das linke Auge hingegen wurde gerade einmal eine Sehschärfe von 0.08 festgestellt. Doch als wäre dies nicht schon schlimm genug, drohte eine Perforation der Hornhaut. Also begab sich Liu Minhui mit ihrem Vater in das Volkskrankenhaus des Autonomen Gebiets Xinjiang, um weitere Untersuchungen anzustellen. Nach Ansicht der dortigen Ärzte gab es zu einer möglichst bald durchzuführenden Hornhauttransplantation keine Alternativen.
Die zuständige Augenärztin Ding Lin erklärt die damalige Situation des Mädchens:
„Das Kind konnte zu dieser Zeit auf dem linken Auge so gut wie nichts mehr sehen. Ohne Operation hätte eine Perforation der Hornhaut mit vielen Komplikationen gedroht."
Doch eine Hornhauttransplantation stellte sich als kompliziert heraus. Insbesondere die Suche nach einer geeigneten Spende gestaltete sich schwierig. All dies lastete schwer auf den Eltern des Mädchens. Da sie nicht in den Genuss einer guten Bildung gekommen waren, mussten sie den Lebensunterhalt der Familie so gut es eben ging mit unregelmäßigen und einfachen Arbeiten bestreiten.
Als die Familie bereits alle Hoffnungen aufgegeben hatte, meldete sich das Volkskrankenhaus mit einer frohen Botschaft: Das Rote Kreuz in Aksu hatte eine Hornhautspende zur Verfügung gestellt. Doch da die Spende nur für kurze Zeit aufbewahrt werden konnte, musste die Transplantation so schnell wie möglich stattfinden. Also begaben sich Vater und Tochter noch am selben Tag ins Krankenhaus.
Nach mehreren Stunden der Mühen und Anstrengungen konnte die Operation schließlich erfolgreich abgeschlossen werden. Die Ärztin Ding Lin fasst das Ergebnis zusammen:
„Das Kind erholte sich schnell, ihre Sehkraft betrug schon bald wieder 0.8. Es ist sehr selten, dass sich Patienten nach einer Hornhauttransplantation so gut erholen."
Schon am dritten Tag nach der Operation konnte Liu Minhui wie andere Menschen auch die Welt in all ihrer Klarheit sehen. Da sie sehr aufgeweckt ist, verstand sie sehr gut, dass sie ihr Augenlicht einem Spender zu verdanken hatte. Um ihn ausfindig zu machen, nutzten ihre Eltern jede erdenkliche Weise, um das Krankenhaus zur Herausgabe der nötigen Informationen zu bewegen. Schussendlich konnten sie den Spender identifizieren: Es handelte sich um Lan Tian, einen 26-jährigen jungen Mann.
Im Alter von sechs Jahren hatte man bei Lan Tian fortgeschrittene Muskeldystrophie diagnostiziert. Aufgrund dieser schweren Muskelschwächekrankheit musste er bereits im dritten Schuljahr die Grundschule verlassen. Von diesem Zeitpunkt an konnte er nur noch zu Hause unterrichtet werden. Dort lernte er, vom einfachen Buchstaben bis hin zu komplizierten englischen Sätzen, und so verbrachte er jeden Tag seines Lebens voller Freude.
Lan Tian war überdies so gutherzig, dass er nicht einmal einer Ameise schaden konnte. Ein jedes Mal, wenn ihm eine Ameise begegnete, trat er beiseite und ließ sie passieren. Auch das kleinste Leben hatte es in seinen Augen nicht verdient, einfach verschwinden zu müssen.
Besonders gerne tauschte sich Lan Tian mit Freunden im Internet aus. Unter dem Nutzernamen „Engel ohne Flügel" brachte er vielen Menschen ein Lächeln und ein wenig Freude. Nachdem er die unzähligen Opfer des Erdbebens von Wenchuan 2008 gesehen hatte, entschloss er sich dazu, nach seinem Tod seine Hornhaut zu spenden.
Anfangs war seine Mutter damit überhaupt nicht einverstanden.
„Zu Beginn war ich dagegen, aber Lan Tian hat sehr viel mit mir darüber geredet. Schließlich habe ich ihn dabei unterstützt."
Noch am Tage seines Todes bemühte sich das Rote Kreuz Aksu darum, Lan Tians Hornhaut rechtzeitig zum Volkskrankenhaus zu bringen.
Nachdem sich ihre Augen erholt hatten, erinnerte sich Liu Minhui der Gnade des noblen Spenders und seiner Familie. Häufig schickte sie Lan Tians Mutter Nachrichten und sorgte sich um ihre Gesundheit. Die Beziehungen zwischen beiden Familien wurden immer enger, bis Lan Tians Eltern Liu Minhui fast als ihre eigene Tochter ansahen.
2011 wollte Liu Minhui das Frühlingsfest mit der Familie ihres Wohltäters verbringen. Als Liu Minhui am Bahnhof von Lan Tians Mutter abgeholt wurde, brachen die beiden Frauen in Tränen aus. In den folgenden 20 Tagen fühlte sich Liu Huimin im Hause der Lans geborgen wie bei ihrer eigenen Familie. Als sie schließlich die Heimreise antrat, teilte Lan Tians Mutter ihr mit, dass dies von nun an ihr zweites Zuhause sein könne. Sie würde sich sehr freuen, wenn Liu Minhui in den Sommerferien zurückkehren könnte.
„Ich hoffe, dass Minhui fleißig lernen wird und in Zukunft ihren eigenen Beitrag für die Gesellschaft leisten kann."
Nun will Liu Minhui Augenärztin werden. Wegen ihrer eigenen Krankheit sei sie ja schon so etwas wie eine Expertin für Augenleiden. Nun wolle sie sich Wissen und Kenntnisse aneignen, die sie in den Dienst anderer Menschen stellen könnte.
Zwei fremde Menschen und eine Hornhaut ¬¬– eine Geschichte, die uns zeigt, wie Menschen einander Hoffnung schenken können.
Übersetzt von Zhong Xi