Forscher in Neuseeland haben ein Speiseeis entwickelt, von dem sie sich eine Linderung einiger negativer Auswirkungen von Krebsbehandlungen erhoffen.
Bei dem Produkt, das momentan unter dem Projektnamen „Recharge" läuft, handelt es sich um eine Eiscreme mit Erdbeergeschmack. Entwickelt wurde es von LactoPharma, einem Gemeinschaftsunternehmen der Universität Auckland und dem Molkereibetrieb Fonterra.
Geoff Krissansen, außerordentlicher Professor an der medizinischen Fakultät der Universität Auckland, ist Teil des Forschungsteams. Er erläutert die schwerwiegenden Konsequenzen, welche die Nebenwirkungen einer Chemotherapie haben können:
„Diese Medikamente verursachen Durchfall und einen Verlust an weißen Blutkörperchen, wodurch die Betroffenen einer Infektion schutzlos ausgesetzt sind. Durchfall und die geringe Zahl der Leukozyten können sich dabei lebensgefährlich, zumindest aber therapiehemmend auswirken."
Laktoferrin, ein in der Milch enthaltenes Protein, wird als hilfreich für Patienten angesehen, die unter Immunsuppression leiden, das heißt, an einem gehemmten Immunsystem. Wissenschaftler haben nun entdeckt, dass eine mit Eisen gesättigte Version von Laktoferrin bei Patienten in einer Chemotherapie besonders wirkungsvoll ist.
Daneben wurden auch einige andere bisher unbeachtete Eigenschaften von Milchfetten entdeckt. Sie können zum Beispiel einer Schädigung des Darms vorbeugen und die Zahl von weißen und roten Blutkörperchen stabilisieren.
Nach Angaben von Krissansen wurde die Eiscreme „Recharge" aus einer Kombination dieser Komponenten erzeugt:
„Auf einmal hatten wir die Vermutung, dass wir aus einer Mischung dieser beiden bioaktiven Wirkstoffe ein Produkt entwickeln könnten, welches wir Recharge nannten. Den Name Recharge haben wir deswegen ausgewählt, weil wir hofften, den Körper eines Patienten damit aufladen zu können, so dass er eine Chemotherapie durchsteht. Als es dann in die medizinische Erprobung ging, war Recharge noch viel wirksamer als die beiden Einzelwirkstoffe allein. Auf diese Weise entstand nun Recharge."
Nachdem die Forscher die wirksamen Anteile von Milchprodukten identifiziert hatten, entschieden sie sich für die Darreichungsform der Eiscreme. Auf diese Art wollten sie die bioaktive Wirksamkeit konservieren und das Produkt über längere Zeiträume lagerbar machen.
Allerdings stießen sie dabei auf ein neues Problem: Die originale Rezeptur musste möglichst ohne Beeinträchtigung der medizinischen Wirkung in ein Speiseeis umegwandelt werden. Daher wurde eine Zusammenarbeit mit dem Eiscremehersteller Tip Top, eine Tochterfirma Fonterras, aufgenommen. Gemeinsam begann die Suche nach einer Methode, mit der die medizinische Formel während des Herstellungsprozesses geschützt werden konnte.
Dr. Jeremy Hill ist technischer Leiter bei Fonterra:
„Normalerweise durchläuft Speiseeis während der Produktion eine Erhitzung - die Pasteurisation. Aber diese Pasteurisation hätte die Milchfette neutralisiert, die wir extra angereichert hatten und die ihre besonderen Eigenschaften in das Endprodukt einbringen sollten. Wir mussten also einen neuen Weg zur Herstellung von Eiscreme finden, um diese bioaktiven Wirkstoffe zu bewahren. Es hat uns eine bedeutende Anzahl von Versuchen gekostet, bis wir tatsächlich einen funktionierenden Weg zur Produktion von Recharge entdeckten."
Mike Findlay ist der Leiter von Versuchen zur Krebsbehandlung in Neuseeland, die an der medizinischen Fakultät der Universtität von Auckland angesiedelt sind.
Nach seinen Aussagen spielt Ernährung zwar stets eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Krebs. Doch dies sei das erste Mal, dass ein Nahrungsmittel konkret zum Nutzen von Patienten entwickelt wurde, die sich in einer Chemotherapie befinden:
„Bei Personen, die an Krebs im fortgeschrittenen Stadium leiden, stellen die essentiellsten Nahrungsfragen schon ein großes Problem dar. Die Energie wird vom Krebs förmlich abgesaugt, daher ist es sehr schwierig, selbst die zentralsten Bedürfnisse des Körpers zu erfüllen. Daher liegt der Schwerpunkt des Essens auf der Versorgung des Patienten mit der benötigten Energiemenge. Bisher existieren kaum wissenschaftliche Studien darüber, welche Nahrungsmittel zu therapeutischen Zwecken bei Krebspatienten und bei Patienten in einer Chemotherapie entwickelt werden können."
Übersetzt und gesprochen von Lucas