Obwohl die chinesischen Bildungsbehörden mittlerweile beschlossen haben, die Hausaufgabenmenge der Schüler strenger zu kontrollieren, beklagen sich viele Schüler weiterhin über eine zu große Lernbelastung. Hören wir, was uns Schüler und Eltern an einer Schule in der südchinesischen Stadt Fuzhou darüber zu sagen haben:
Schüler A: „Jeden Tag müssen wir viel schreiben. Es dauert sehr, sehr lange. Wir haben keine Zeit mehr, eigenen Interessen nachzugehen."
Schüler B: „Wir müssen schon lange genug in der Schule wach bleiben. Eigentlich sind wir sehr müde. Ich bin dafür, dass wir zu Hause mehr spielen und uns so besser entspannen können. "
Mutter: „Kinder sollten sich mehr außerschulische Kenntnisse aneignen, zum Beispiel mehr Bücher lesen, die mit dem Unterricht nichts zu tun haben. Diese Zeit darf man ihnen nicht nehmen, denn das Wissen aus den Schulbüchern ist begrenzt. Es ist unvernünftig, ihre Fähigkeiten immer wieder durch das bestehende Prüfungssystem zu bestätigen und die Schüler pausenlos Hausaufgaben machen zu lassen. Das behindert die Entwicklung ihres Denkvermögens."
Angesichts des Drucks bei der nationalen Hochschulaufnahmeprüfung, bei der jährlich nur rund 50 Prozent der Kandidaten Studienplätze erhalten, sowie des Drucks auf dem Arbeitsmarkt, auf dem rund 30 Prozent der Hochschulabsolventen in China nach ihrem Abschluss keinen Job finden, hoffen Schulen, Eltern und Gesellschaft auf eine möglichst umfassende Entwicklung ihrer Kinder. Und gerade diese Erwartung bringt für die Kinder schwere Lernbelastungen mit sich, die sie erst mal verkraften müssen.
Was man tun kann, um die Schulkinder zu entlasten und gleichzeitig ihre Fähigkeiten zu entwickeln, war in China schon immer ein heiß diskutiertes Thema. In der Shanghaier Versuchs-Schule konnte man auf diesem Gebiet bereits einige Erfahrungen sammeln. Chen Gang, der Direktor für die Schüler ab 14 Jahren, erklärt uns:
„Die Erziehung an sich darf sich nicht ausschließlich am Nutzen orientieren. Mit den Worten unseres Schuldirektors: Die Erziehung soll allen Schülern einen gewissen Raum und eine gewisse Zeit geben, um selbstständig lernen zu können. Wir sind bestrebt, dies umzusetzen."
In der Versuchs-Schule durchlaufen Schüler innerhalb von zehn Jahren die Grundschule, die Mittelschule und die Mittelschuloberstufe. Das heißt, dass die Schüler schon ab dem fünfzehnten oder sechzehnten Lebensjahr an der nationalen Hochschulaufnahmeprüfung teilnehmen können. Um dies möglich zu machen, hat man in der Schule das System „Ten For Ten" erstellt. Interessen, Neigungen und zukünftige Karrierepläne der Schüler dienen in diesem Programm als „Hauptleitfaden", wobei für die zehn Schuljahre jeweils zehn Lernserien mit 200 Einheiten zu verschiedenen Schwerpunktthemen vorgesehen sind. So wird eine nahtlose Verbindung zwischen der Grundschule und der Mittel- und Oberstufe der Mittelschule ermöglicht.
„Die vom Staat definierten Grundlagen-, Aufbau- und Forschungskurse haben wir auf unsere Schulsituation bezogen in Kern-, Entwicklungs- und Bedarfskurse umgestaltet, um die Lerninteressen, Neigungen und künftigen Berufswünsche der Schüler zu ermitteln. Dabei berücksichtigen wir auch die seelischen Bedürfnisse der Schüler als Einzelkinder in der Familie."
Die Schüler lernen die Grundlagen der chinesischen Kultur, wie z.B. traditionelle moralische Sitten, und studieren Weisheiten aus klassischen chinesischen Werken wie dem Lun Yu oder Laotse.
„Aufgrund der Kontinuität und der Kombination der Unterrichtsmaterialien können unsere Schüler unbeschwerter lernen. Ihr Wissen ist breit gestreut, ihre gesellschaftliche Anpassung stark. Bei den Hochschulaufnahmeprüfungen stechen sie durch gute Leistungen hervor."
Herr Chen erklärt, dass die Schule zudem den internationalen Horizont der Schüler erweitern wolle. Sie pflege einen intensiven Austausch mit Australien sowie Ländern in Europa und Amerika.
Interview und Text von: Qiu Jing