Jahre nach dem weltweit ersten Versuch, den Buchhandel zu digitalisieren, sollen auch in China aus klassischen Büchern endlich E-Books werden. Dank neuer ausgereifter Lesegeräte steht der Buchhandel jetzt vor der Herausforderung eines neu zu erschließenden Massenmarktes. Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in unserem folgenden Beitrag.
Dies war weder ein Spielfilm noch ein Hörspiel, sondern die iPad-Ausgabe des Märchens „Alice im Wunderland". Das Display lässt digitale Texte nicht nur wie gedruckt erscheinen, mit multimedialen Effekten wie Musik und beweglichen Bildern kommt die interaktive Märchengeschichte besonders bei Kindern gut an.
Die Welt ist bereit für eine Revolution des Lesens. Jiang Qiping ist Generalsekretär des Forschungszentrums für Informationstechnologie an der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften. Seiner Auffassung nach steht das Zeitalter des interaktiven Lesens bereits vor der Tür:
„Es handelt sich dabei um die größte Revolution seit der Erfindung der Drucktechnik. Zuvor ähnelte das Lesen eher einer Einbahnstraße. Für den Leser war es nicht möglich, mit den Figuren im Buch Gedanken auszutauschen. Anhand der multimedialen Technologie ist dies in naher Zukunft nicht mehr ausgeschlossen. "
Zhu Xiangsong, der Vizepräsident der Internetplattform Doudingwang, geht sogar noch weiter. Er rechnet damit, dass in absehbarer Zukunft das herkömmliche Papier als wichtigstes Medium für die Darstellung gedruckter Informationen abgelöst wird:
„Mit Sicherheit bestimmen Interaktion und Digitalisierung zukünftig die Art und Weise des Lesens. Dabei spielt die hohe Effizienz eine ganz entscheidende Rolle. Die Menschen wollen heutzutage schnell lesen und damit mehr Informationen in weniger Zeit aufnehmen und verarbeiten. Derzeit behaupten viele, dass elektronische Lesegeräte die Gesundheit der Augen gefährden. Andere wiederum beschweren sich, dass ihnen bei elektronischen Lesegeräten der Geruch eines frisch gedruckten Buches fehle und man beim Lesen nicht umblättern könne. All diese so genannten Negativ-Faktoren können anhand neuer Technologien in absehbarer Zukunft beseitigt werden."
Dank neuer ausgereifter Lesegeräte steht der Buchhandel vor den Herausforderungen eines digitalen Massenmarktes. Xinhua Wenxuan Co. Ltd. zählt zu den althergebrachten Verlagen, die sich mit der digitalen Herausforderung der Branche konfrontiert sehen. Firmenvertreter Liu Dingguo meint dazu:
„Die Digitalisierung wirkt sich auf die Buchbranche vor allem in zwei Aspekten aus. Zum einen wird sie einen gravierenden Einfluss auf den Vertrieb gedruckter Lesematerialien haben, da alles online gelesen werden kann und daher ein Besuch in Buchhandlungen oder an Kiosken überflüssig wird. Zum anderen wird im Zuge der digitalen Entwicklung die traditionelle Redaktionsarbeit allmählich verschwinden, da die E-Books ausnahmslos online bearbeitet und produziert werden können."
Liu Dingguo meint, angesichts der digitalen Herausforderung müsse die traditionelle Buchbranche die eigene Wettbewerbsfähigkeit mit verschiedenen Geschäftsmodellen erhöhen. So hat die Xinhua Wenxuan Co. Ltd. im Juni 2010 insgesamt fünfzehn Tochtergesellschaften der Sichuan Verlagsgruppe übernommen. Die Gesamtkosten des Kaufes betrugen 1,25 Mrd. Yuan RMB. Liu Dingguo:
„Angesichts der Herausforderung muss die traditionelle Buchbranche in drei Bereichen umdenken. Erstens sollte man zusätzlich zur „Print-Version" den Kurs in Richtung Multimedia einschlagen. Zweitens werden wir unseren Blick vermehrt auf den Weltmarkt richten. Medienprodukte sollen in Zukunft eine wichtigere Rolle in der Exportwirtschaft spielen. Drittens müssen wir uns der technischen Revolution anpassen. Das heißt, wir werden mit Hilfe des Internets und anderer digitaler Technologien Produktion und Vertrieb verbessern."
Egal, ob der neue Trend eine sinnvolle Ergänzung zum herkömmlichen Buch ist oder dessen Ende bedeutet, die Xinhua Wenxuan Co. Ltd. Hat sich für eine geschäftliche Umgestaltung entschieden. Firmenvertreter Liu Dingguo zeigt sich dabei äußerst entschlossen:
„Wie sich die digitale Technologie auch immer entwickelt, es geht dabei eher um Produktions- und Vertriebsmethoden. Die Aufgabe der Verlage besteht aber nach wie vor darin, Inhalte zu produzieren und abzusetzen. Diese Aufgabe wird sich aufgrund der technischen Entwicklung nicht ändern."
Bereits in der Antike bemühten sich unsere Vorfahren mit verschiedenen Mitteln, ausformulierte Gedanken schriftlich niederzulegen, aufzunehmen und zu verstehen, von Orakelschriften bis hin zu gedruckten Büchern. In jedem Zeitalter hatte die Menschheit ihr jeweiliges zeittypisches Medium. Für Jiang Qiping von der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften, ist es immer noch zu früh zu prognostizieren, wann die klassischen Bücher durch elektronische Inhalte abgelöst werden:
„Der Buchhandel wird sich noch schneller digitalisieren. Kurzfristig scheint es aber eher unwahrscheinlich, dass das steigende Angebot elektronischer Literatur dem herkömmlichen Buch den Rang ablaufen wird. Klar ist, dass die Digitalisierung des Buches und die damit verbundenen strukturellen Änderungen des Marktes eine professionelle Konzeption innovativer Geschäftsideen erfordern."