Mit zirka 300.000 Angehörigen ist die Naxi-Nationalität eine der bevölkerungsärmeren ethnischen Minderheiten Chinas. Die Naxi leben in der fruchtbaren Ebene von Lijiang in der Provinz Yunnan in Südwestchina. In der Gemeinde Shuhe, sieben Kilometer von Lijiang entfernt, siedelten schon die Vorfahren der Naxi. Dort haben sich die Kultur und die Sitten und Gebräuche der Naxi am besten erhalten.
Die Gemeinde Shuhe wurde schon im Bericht von Xu Xiake, einem bekannten Reisenden aus der Zeit der Ming-Dynastie, also der Zeit von 1368-1644, erwähnt. Das zeigt, dass die Ortschaft schon damals ein wichtiger Markt war. Die traditionsbewusste Gemeinde mit ihren windschiefen Holzhäusern und schattigen Gassen zieht wie ein Magnet zahlreiche in- und ausländische Besucher an.
He Wenhu, der 32-jährige Besitzer eines Holzwarengeschäftes spricht nicht nur die Sprache der Naxi, sondern auch fließend Hochchinesisch. Unserer Reporterin sagte er, zu Hause spreche er allerdings nur die Sprache der Naxi. He Wenhu erläutert der Reporterin, dass die Naxi eine eigene Sprache und Schrift haben. Die piktographische Dongba-Schrift wird von Gelehrten als "Enzyklopädie des Altertums der Naxi-Nationalität" bezeichnet. Der Name "Dongba" leitet sich von einer gleichnamigen Religion ab.
Die Religion Dongba ist eine polytheistische Religion des Animismus. Dabei wird der Natur, beispielsweise den Bergen, dem Wasser oder dem Feuer, eine Seele zugesprochen, die Seelen in der Natur werden von den Naxi als Götter verehrt. Diese Religion kennt keine Doktrin, keine einheitliche Organisation und auch keinen Tempel. Der Zeremonienmeister wird "Dongba" genannt. Die Dongba sind die Intellektuellen der Naxi, sie verstehen sich auf rituelle Handlungen, auf Medizin, Literatur und Kunst. Der Titel "Dongba" kann auch vererbt werden. An allen wichtigen Zeremonien, beispielsweise bei Opferungen für den Himmelsgott oder die Vorfahren, an Feiern anlässlich von Festtagen, bei Hochzeiten oder Totenfeiern sowie bei Weissagungen aller Art sind Dongba beteiligt.
Die Dongba-Schrift wurde von den Dongba benutzt, um Erinnerungen festzuhalten und um den Ablauf bestimmter Rituale festzulegen. Durch das Zusammensetzen der einzelnen Zeichen entstehen unterschiedliche Bedeutungen. Heute können nur noch wenige Naxi die Dongba-Schrift lesen. Dazu He Wenhu:
"Die Dongba-Schrift sieht man heute fast ausschließlich bei Kunstveranstaltungen. Es gibt ohnehin nur wenige Schriftzeichen in diesem piktographischen Schriftsystem. Bis heute sind etwa 300 Schriftzeichen entziffert worden."
1997 wurde die traditionsbewusste, historische Stadt Lijiang, in der auch viele Angehörige der Naxi-Nationalität wohnen, von der UNESCO in die Welterbe-Liste aufgenommen.