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China – eine Wirtschaftsmacht in Anführungszeichen
  2010-09-15 10:56:54  cri
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Japan hat vor einigen Tagen sein Bruttoinlandsprodukt (BIP) für das zweite Quartal 2010 bekannt gegeben. Diesen Zahlen zufolge hat Chinas BIP nun auch das japanische überholt. Mit anderen Worten: China hat Japan als „zweitstärkste Wirtschaftsmacht" abgelöst. Dies beschreiben chinesische Ökonomen jedoch in Anführungszeichen. Mehr dazu in unserem folgenden Beitrag.

Das Wort „überholen" eignet sich sehr gut, um Chinas wirtschaftliche Entwicklung im 21. Jahrhundert zu beschreiben. Im Jahr 2006 überholte Chinas BIP erstmals jenes von Großbritannien. Ein Jahr später übertraf Chinas BIP erstmals jenes von Deutschland, das weltweit lange Zeit an dritter Stelle lag. Und nun liegt also auch Japan hinter China. Angesichts dieser enormen Entwicklung stellt sich die Frage, ob denn jetzt in China bereits alle Menschen wohlhabend sind?

Am 17. August nahm Yao Jian, der Sprecher des chinesischen Handelsministeriums, Stellung zu Chinas neuesten Wachstumszahlen. Dass Chinas BIP im Juni erstmals jenes von Japan übertroffen habe, zeige Chinas wirtschaftliche Kraft. Als Grund für Chinas wirtschaftlichen Aufstieg nannte Yao Jian die Reform- und Öffnungspolitik. Was die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung Chinas anbelangt, gab sich Yao Jian optimistisch.

Chinas Aufstieg zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht hinter den USA ist bemerkenswert. Den Chinesen selber hat dieser Erfolg neues Selbstvertrauen gegeben. Chinas neuester Erfolg darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass längst noch nicht alle Menschen im Milliardenreich in Wohlstand leben. Zwar hat Chinas BIP jenes von Japan übertroffen, doch Japan hat zehnmal weniger Einwohner als China. Das Pro-Kopf-BIP in China macht lediglich einen Zehntel des japanischen Pro-Kopf-BIPs aus. Das Tageseinkommen von rund 150 Millionen Chinesen beträgt nach wie vor weniger als ein US-Dollar. Gemäß UN-Standard leben diese Menschen unter der Armutsgrenze. Liu Guangming, ein bekannter chinesischer Finanzberater, warnt daher auch vor zu großen Hoffnungen:

„Der Riesenunterschied zwischen dem zweiten Platz beim BIP und Platz hundert beim Pro-Kopf-BIP zeigt deutlich, dass China noch keine Wirtschaftsmacht ist. Das Pro-Kopf-Einkommen widerspiegelt die Kaufkraft und damit auch die Lebensqualität der Bürger eines Landes. In China gilt als arm, wer pro Jahr weniger als 1.300 Yuan RMB verdient. Wenn man diese Zahl als Ausgangspunkt nimmt, dann leben in China noch 40 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze. Das ist eine sehr große Zahl."

Wie Liu Guangming angedeutet hat, ist das BIP eines Landes mit Vorsicht zu genießen. Chinas Weg zu einer Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand für alle ist noch lang. Der Vergleich mit Japan belegt dies eindrücklich: Im Jahr 2009 betrug das Pro-Kopf-BIP in Japan 37.800 US-Dollar. In China hingegen lediglich 3.600 US-Dollar. In Bezug auf das Pro-Kopf-BIP liegt China 92 Plätze hinter Japan. Liu Guangming weiss nur zu gut, dass China wirtschaftlich noch weit hinter Japan zurück liegt. Entsprechend vorsichtig äußert er sich über Chinas neuestes BIP:

„Ein Land kann mit dem BIP nur unzulänglich bewertet werden. Das BIP sagt nichts über einige strukturelle Unterschiede oder Faktoren wie beispielsweise die Zufriedenheit einzelner Menschen oder Bevölkerungsteile."

In Bezug auf seine Handelsstruktur liegt China im internationalen Vergleich noch weit hinten. Ein Großteil seiner Exportindustrie ist nach wie vor arbeitskräfte- und ressourcenintensiv. Der sowohl vom technischen als auch fachlichen Standpunkt eher niedrig einzustufende Dienstleistungssektor spielt derzeit noch eine marginale Rolle. Dazu noch einmal Liu Guangming:

„Im Vergleich mit anderen Ländern weist China nach wie vor ein hohes Wirtschaftswachstum auf. Aber wenn man nur das BIP betrachtet und die Tatsache ignoriert, dass die Erhöhung des BIP auf noch mehr Investitionen und noch mehr Export basiert, sich die Kaufkraft gleichzeitig aber noch immer auf einem niedrigen Niveau bewegt, dann dient dies weder der besseren Verteilung des Einkommens noch der Verbesserung der Lebensqualität des Volkes."

Einen Nachholbedarf hat China auch in Bezug auf sein Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen. In den chinesischen Städten wurden allein im Jahr 2008 fast neun Millionen Arbeitslose registriert, das sind mehr Menschen als in der Schweiz leben. 12,5 Prozent der chinesischen Bevölkerung sind bereits über 60 Jahre alt. Die Alterung der Gesellschaft ist nur eine der vielen großen Herausforderungen, vor der die chinesische Zentralregierung steht.

Bei der Wirtschaftsplanung müssen schwere strukturelle Probleme gelöst werden. Das größte Problem ist das Ungleichgewicht in der Branchenstruktur: der primäre und der sekundäre Sektor binden noch immer zuviele Arbeitskräfte. Hinzu kommt das Entwicklungsgefälle zwischen Stadt und Land. Liu Guangming ist aber zuversichtlich, dass China auch diese Herausforderungen meistern wird:

„Wenn die Regierung in Zukunft wirklich alle finanziellen und materiellen Kräfte für die Umwandlung des wirtschaftlichen Entwicklungsmodells mobilisiert und die Reformen zugunsten des Volkes intensiviert, dann bin ich überzeugt, dass China in absehbarer Zeit zu einer Wirtschaftsmacht im wahrsten Sinne des Wortes wird."

Übersetzt von Zhu Qingan

Gesprochen von Li Zheng

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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