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Wird Bremens „Blauer Engel" China einen „blauen Himmel" bescheren?
  2010-07-21 10:42:43  cri
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Der Begriff "Car-Sharing" sollte Deutschen nicht fremd sein. Das Projekt wird schon seit 20 Jahren in Bremen erfolgreich umgesetzt. Dort sind es mittlerweile etwa 5.500 Kunden, die sich derzeit 130 Fahrzeuge teilen, die auf 40 Stationen im Stadtgebiet verteilt sind. Der Anbieter „cambio" trägt das offizielle Umweltzeichen „Blauer Engel". Statistiken zeigen, dass eines der Fahrzeuge dieses Projekts durchschnittlich vier bis acht private Autos ersetzen kann. Durch das Car-Sharing wird also nicht nur beispielsweise die Parkplatzsituation entspannt, auch die Verkehrs- und die Umweltbelastung nehmen ab. Dank dieser positiven Aspekte steht das Car-Sharing im Bremen-Pavillon zweifellos im Fokus, und deshalb wollen wir uns in der heutigen Sendung dieser Idee etwas näher widmen. Dabei stellen sich verschiedene Fragen: ist solch ein Projekt auch in chinesischen Städten durchführbar? Ist das Car-Sharing eine Bedrohung für die deutsche Automobilindustrie, die ja auch ihre Produktion in China erweitern möchte? Was ist wichtiger, Umwelt oder Profit?

Vor dem Stand über das „Car-Sharing" im Bremen-Pavillon hat sich eine lange Schlange gebildet. Die meist chinesischen Besucher lauschen sorgfältig den Erklärungen des Fachpersonals. Anschließend nehmen sie mit großer Neugier in einem der Modelautos Platz. Ob dieses Projekt ebenfalls in chinesischen Städten erfolgreich durchgeführt werden könnte, darüber haben Deutsche und Chinesen allerdings ihre eigene Meinung. Martin Bürger vom Bremen-Pavillon hat sich lange mit China beschäftigt und spricht auch fließend Chinesisch. Zu Car-Sharing in China sagt er:

"Ich bin der Meinung, dass dieses Projekt in jeder Stadt durchführbar ist, dadurch, dass wir Autos teilen bei Car-Sharing. Das ist das Konzept: wir besitzen kein Auto mehr. Sondern: wenn ich kein Auto benutze, kann es jemand anderes benutzten. Das heißt, wenn Sie sich zum Beispiel Bremen ansehen: Bremen ist eine recht kleine Stadt im Vergleich zu Shanghai. In Bremen ersetzen praktisch um die 160 Car-Sharing-Autos etwa 1.000 private Autos. Aber wenn wir das zum Beispiel in Shanghai hätten, da leben viel mehr Leute hier. Hier würden viel mehr Nutzer in so einem Club, in so einem Projekt sein. Wenn man zum Beispiel 6.400 Car-Sharing-Autos hätte, die würden 40.000 private Autos ersetzen. Das heißt, die Effizienz des Projekts würde viel größer werden, und selbstverständlich bin ich der Meinung, dass so was auch in Shanghai effektiv wäre und auch durchführbar wäre."

Herr Rothe ist ebenfalls Mitarbeiter im Bremen-Pavillon und für Informationen über die Windenergie verantwortlich. Aber auch zur Durchführbarkeit des Car-Sharings in China hat er sich schon seine Gedanken gemacht und nennt ein Beispiel:

"Hier in Shanghai habe ich gesehen, dass es bicycle - Fahrrad-Sharing - gibt. Und so ähnlich muss man sich das vorstellen, dass man auch ein Auto mieten kann."

Es scheint also, dass die Experten aus Deutschland durchaus zuversichtlich sind, was die Umsetzung dieses umweltfreundlichen Projekts in China betrifft. Was aber sagen chinesische Besucher, wenn sie von dieser Idee hören? Nina Kunert, ebenfalls Mitarbeiterin des Bremen-Pavillons, hat sich umgehört:

"Also erstmal ist mir aufgefallen, dass vor allen Dingen die Chinesen sehr, sehr neugierig sind. Wir hatten auch schon viele deutsche Besucher, die waren jetzt nicht so interessiert. Sie haben sich zwar alles angekuckt, aber haben das mehr oder weniger nur aufgenommen. Die Chinesen stellen sich zum Beispiel vor ein Exponat und fragen: „Ja was ist das? „ . Und dann wird halt erklärt „Ja, das ist das und das.". Und das macht dann auch viel mehr Spaß, denen das zu erklären, weil die auch viel mehr neugieriger sind."

Haben chinesische Besucher neben viel Neugier aber auch viel Hoffnung in das Car-Sharing? Qi Shanshan studiert Germanistik an der Universität Südostchina in Nanjing. In den Semesterferien arbeitet sie im Bremen-Pavillon und erläutert den Besuchern das „Car-Sharing". Allerdings sieht sie die Durchführbarkeit der Idee in China etwas skeptisch:

"Ich meine, dieses Projekt ist für kleine Städte geeignet. Wieviel Car-Sharing-Stationen muss man denn in Shanghai, einer so großen Stadt, aufbauen? Zudem sind die heutigen Chinesen sehr stolz darauf, eine eigene Wohnung und ein eigenes Autos zu haben. Im Vergleich zu dem Geltungsbedürfnis der Chinesen scheint der Umweltschutz nur ein kleiner Begriff zu sein. Aus diesem Grund ist die Einrichtung von Car-Sharing-Station in großen Städten nicht einfach. Falls die Stationen nicht ausreichend das ganze Stadtgebiet bedecken, wäre es für die Nutzer mehr als ungünstig. In Bremen beispielsweise sind die Stationen ja normalerweise in der Nähe der jeweiligen Wohnviertel errichtet worden. Wenn das Projekt aber in Zukunft wirklich in chinesischen Städten durchgeführt werden sollte, möchte ich sicher daran teilnehmen. Auch wenn ich mir nach meinem Studium den Kauf eines privaten Autos leisten könnte, würde ich dies dann vielleicht nicht machen. Was beim Car-Sharing für mich besonders wichtig ist: dass ich nach dem jeweiligen Einsatzzweck jeweils unterschiedliche Autotypen nutzen kann."

Durchaus positiv sieht das Car-Sharing Herr Lou aus Shanghai. Er ist Büroangestellter und interessiert sich sehr dafür:

"Das ist interessant. Ich hoffe, dass das Car-Sharing auch in China umgesetzt werden kann. Das ist sicher gut für kurze Fahrten! Aber für den Weg zur Arbeit scheint es nicht ganz so günstig zu sein. Ich habe derzeit kein eigenes Auto. Falls dieses Projekt aber in China realisiert werden sollte, möchte ich daran teilnehmen und den geplanten Kauf eines Autos einige Jahre verschieben."

Sollte sich diese Idee wirklich in China durchsetzen, so wird die Zahl der Autos auf den Straßen sicher deutlich langsamer steigen. Davon allerdings dürften speziell die Automobilhersteller wenig begeistert sein, immerhin richtet fast jeder Autobauer seinen Blick auf den riesigen chinesischen Markt. Einerseits also Verkehrsentlastung und Umweltschutz, andererseits Umsatz und Arbeitsplätze. Was ist wichtiger?

Martin Bürger, Herr Rothe und Nina Kunert vom Bremen-Pavillon sprechen sich für eine umweltfreundliche Zukunft aus, und Martin Bürger weiß, wer davon profitieren kann:

"Autohersteller, die sich jetzt schon sehr in eine Car-Sharing-Richtung orientieren, weil sie wissen, dass darin die Zukunft liegt. Ich hab` so einen Gedanken gehabt: eine Sache ist, man kann Geld damit verdienen, Autos zu produziere. Das heißt, ich produziere einmal ein Auto, und es wird gekauft und es wird benutzt 20 Jahre lang, und ich kriege für die 20 Jahre kein Geld. Aber überlegen Sie mal: wenn ich ein Auto produziere und 20 Jahre lang ist es immer im Umlauf. Und Car-Sharing-User nutzen dieses Auto, und ich kann Geld auch über dieses Car-Sharing-Projekt einbekommen, durch die Vermietung des Autos."

Interview geführt von Li Qian

Text verfasst von Li Qian

Gesprochen von Qiu Jing

Weitere Links:

1. Kunming bildet Handelsplattform mit südasiatischen Ländern

2. „Haier" – eine chinesische Marke mit globalem Anspruch

3. Volvo – mit neuem Besitzer zu altem Erfolg

 

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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