Als es darum ging, einen ehrenamtlichen Regierungskommissär für die EXPO 2010 in Shanghai zu finden, war Hannes Androsch fast die logische Wahl: Der ehemalige Vizekanzler und Finanzminister gilt als einer der profiliertesten Manager Österreichs und genießt eine hervorragende internationale Reputation. Gemäß der Regelung des Internationalen Ausstellungsbüros ernennt jedes teilnehmende Land einen Regierungskommissär. Er nimmt die fachlichen und repräsentativen Agenden der Regierung wahr. Hannes Androsch erklärt seine Aufgabe folgendermaßen:
„Unsere Aufgabe ist es, die bestmögliche Präsentation in unserem Pavillon vorzunehmen. Wir möchten den interessierten Menschen in China vermitteln, welche Möglichkeiten Österreich in der Zusammenarbeit bieten kann. Österreich und Wien sind beispielsweise durch die Musik weltbekannt. Wir haben jedoch auch in der Kommunaltechnologie und der Umwelttechnologie ein sehr hohes Niveau. Sonst wäre es nicht möglich, dass Wien die lebenswerteste Großstadt im internationalen Ranking ist. Das möchten wir transportieren und versuchen, unseren Firmen in und um die EXPO eine entsprechende Plattform für ihre bilateralen Beziehungen und Kontakte zur Beziehungsknüpfung zu bieten."
Der Regierungskommissär vertritt Österreich im Außenverhältnis, insbesondere gegenüber der Leitung der Weltausstellung in Shanghai. Im Innenverhältnis beaufsichtigt er gemeinsam mit den finanzierenden Partnern die strategische Planung, die Grundsatzentscheidungen sowie die operative Abwicklung. Den Grundgedanken der EXPO in Shanghai fasst Hannes Androsch folgendermaßen zusammen:
„Es geht darum, der Welt aber auch den Chinesen selbst zu zeigen, dass China höchst erfolgreich auf die Weltbühne zurückgekehrt ist. Das ist also sowohl eine Präsentation Chinas gegenüber der Welt als auch gegenüber den eigenen Bürgerinnen und Bürgern. Für die Teilnehmer wie uns ist es die Chance, sich bestmöglich zu präsentieren – sicherlich auch verbunden mit der Erwartung, unsere Geschäftsbeziehungen zu intensivieren und verbessern. Das liegt zwar sicher nicht nur an unserer EXPO-Teilnahme, aber wir konnten im vergangenen Krisenjahr immerhin Zuwächse unserer Ausfuhren nach China verzeichnen. Im heurigen Jahr hat sich das noch einmal deutlich gesteigert, und die Möglichkeiten sind bei Weitem noch nicht ausgereizt."
Österreich hat sich bei der Weltausstellung in Shanghai für einen eher ungewöhnlichen Auftritt entschieden. Dieser kommt weitgehend ohne traditionelle Ausstellungstücke aus und arbeitet dafür mit digitalen Projektionen. Hannes Androsch erklärt die Idee dahinter.
„Wir präsentieren uns einerseits als Musik- und Tourismusland, andererseits aber auch als ein Technologieland mit einem hohen Qualitätsstandard und einer hohen Lebensqualität im urbanen Bereich. Wir zeigen auch unsere balancierte Verknüpfung von Stadt und Land. Das sind Dinge, die in den nächsten 50 Jahren ein weltweites Thema sein werden. Bald werden 70 Prozent der Weltbevölkerung im urbanen Bereich leben, in China über 50 Prozent. Das ergibt vielfältige Probleme. Das beginnt ganz offensichtlich mit dem Verkehr und setzt sich fort mit Versorgungserfordernissen, Gesundheitswesen und Bildungswesen. Es braucht also Lösungsangebote, um das urbane Leben lebenswert zu gestalten, aber gleichzeitig auch eine Balance zu finden zu den ländlichen Regionen."
Bis 31. Oktober hat man noch die Möglichkeit, sich selbst ein Bild von dieser ungewöhnlichen Präsentation zu machen. Insgesamt 184 Tage lockt die Expo in Shanghai auf einer Ausstellungsfläche von 5,28 Quadratkilometern etwa 70 Millionen Besucher an. Zur Halbzeit zieht Hannes Androsch eine positive Bilanz:
„Alles in allem gibt es keinen Grund, unzufrieden zu sein. Wir haben für unsere Größe eine überdurchschnittliche Wahrnehmung. Es ist noch gar nicht lange her, dass wir in unserem Pavillon den millionsten Besucher begrüßen konnten. Aber auch die Wahrnehmung und die Wertung unseres Pavillons und unserer Aktivitäten haben durchaus eine Würdigung erfahren. Wir sind gerade dabei, auf Anregung der politischen Führung Chinas in Beijing nachzuadjustieren und nachzubessern – insbesondere im Bereich der Präsentation unseres kommunaltechnologischen und umwelttechnologischen Potenzials. Also können wir alles in allem mit der Wahrnehmung in Österreich aber auch mit der Wahrnehmung in China knapp vor der Halbzeit zufrieden sein."
Interviewt von: Wolfgang Kuhn
Gesprochen von: Wolfgang Kuhn