Jeder Mensch verbringt rund einen Drittel seines Lebens mit Schlafen. Der Schlaf ist für den Menschen fast genauso unentbehrlich zum Leben wie Sauerstoff und Wasser. Nach dem Einschlafen taucht man in eine unbekannte, fremde Welt ein. Eine Welt, über die man keine Kontrolle hat. Zu dieser Welt gehören auch Schlafstörungen, die in den vergangenen 20 Jahren immer mehr in den Fokus der Wissenschaft gerückt sind. In den Augen vieler Schlafforscher befasst sich die heutige Medizin jedoch nach wie vor zu wenig mit dem Phänomen Schlaf. Aus genau diesem Grund haben es Wissenschaftler und Mediziner aus Deutschland und China als notwendig betrachtet, ein gemeinsames Zentrum für die Erforschung des menschlichen Schlafs ins Leben zu rufen.
Am 17. April wurde in Beijing das Chinesisch-Deutsche Zentrum für Schlafmedizin gegründet. Dieses Schlafforschungs-Zentrum arbeitet eng mit der Peking-Universität zusammen und ist Teil des Beijinger Volkskrankenhauses.
Das 1918 gegründete Volkskrankenhaus ist das erste von Chinesen selbst errichtete Krankenhaus, das auf der modernen Schulmedizin beruht. Im Volkskrankenhaus untergebracht ist seit 1989 das Zentrum für Atem- und Schlafkrankheiten. Das Zentrum ist eines der ersten klinischen Anstalten in China, die sich mit Schlafstörungen befassen. Besonders wegen seiner Gen-Forschung im Bereich der akuten Schlafstörungen bei Kindern genießt das Zentrum international einen guten Ruf. Das Zentrum ist zudem Initiator und Veranstalter des Internationalen Forums für Schlafmedizin, das seit 2004 alle zwei Jahre in Beijing stattfindet.
Das Internationale Forum für Schlafmedizin hat sich bereits als Austauschplattform für Schlafforscher aus aller Welt etabliert. Frau Chen Hong, die Vize-Leiterin des Volkskrankenhauses, freut sich über den Start des Chinesisch-Deutschen Schlafzentrums. Sie ist überzeugt, dass die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland die Schlafforschung deutlich voranbringen wird:
"Das Schlafen ist eine der am meisten vertrauten Aktivitäten in unserem Leben. Infolge der wachsenden Anforderungen des modernen Lebens und der Veränderung der Lebensformen gehören Schlafstörungen heutzutage zu den häufigsten Arten von chronischen Krankheiten. Aus diesem Grund sind Experten aus aller Welt parallel zur Eröffnung des Chinesisch-Deutschen Zentrums für Schlafmedizin zum Gedankenaustausch zusammengekommen. Dieser Gedankenaustausch wird die Schlafforschung und Schlafmedizin mit Sicherheit voranbringen."
Zum diesjährigen Forum kamen über 200 Wissenschaftler und Ärzte aus China und dem Ausland nach Beijing, darunter auch Forscher aus Deutschland, Kanada, den USA, Südkorea, Japan und Hongkong. Viele der ausländischen Gäste können sogar Chinesisch sprechen – sehr zur Überraschung von Han Jianguo, den stellvertretenden Direktor des Chinesisch-Deutschen Wissenschaftszentrums, welche das Forum finanziell unterstützt. Han Jianguo erzählt uns, wie es zur Gründung des Chinesisch-Deutschen Schlafzentrums kam:
"Bei meiner Teilnahme am letzten Internationalen Forum für Schlafmedizin erkannte ich, wie schwer die Menschheit in der heutigen Zeit unter Schlafproblemen leidet. Mir wurde die Wichtigkeit der Schlafmedizin erst so richtig bewusst. Wir verbringen einen Drittel unseres Lebens mit Schlafen. Für viele Menschen jedoch ist das Schlafen aus unterschiedlichen Gründen zu einem großen Problem geworden. Dazu gehören sowohl private als auch berufliche Gründe – nicht zuletzt psychischer Druck. Vor zwei Jahren haben wir darüber diskutiert, was wir tun können, um die Schlafforschung voranzutreiben. Die Zusammenarbeitsprojekte, die vom Chinesisch-Deutschen Wissenschaftszentrum gefördert werden, sind nicht einfach nur Symposien und Foren. Wir betrachten es auch als eine unserer Aufgaben, den Austausch von Nachwuchskräften und deren Ausbildung zu fördern."
Das Chinesisch-Deutsche Wissenschaftszentrum hat im Dezember 2009 ein Expertenteam für die Gesundheitsmedizin eingesetzt. Das Ziel dieses Expertenteams ist es, so Professor Han Jianguo, die gemeinsamen chinesisch-deutschen Forschungsprojekte im medizinischen Bereich künftig stärker zu fördern. Zudem soll mehr Geld für die Ausbildung junger chinesischer Mediziner in Deutschland – unter anderem auch im Bereich der Schlafmedizin ausgegeben werden.
Zum Zeitpunkt als das Chinesisch-Deutsche Schlafzentrum gegründet wurde, lief das Schlafforschungsprojekt zwischen China und Deutschland schon seit drei Jahren. Die Leiter dieses Forschungsprojekts sind Professor Han Fang vom Volkskrankenhaus, das der Peking-Universität angeschlossen ist, und auf deutscher Seite Professor Thomas Pollmächer vom Max-Planck-Institut sowie Professor Thomas Penzel von der Berliner Universitätsmedizin Charité. Von Professor Pollmächer vom Max-Planck-Institut erhalten wir einen Einblick in die Komplexität der Schlafforschung:
"Professor Penzel ist zuständig für die Aspekte kardiovaskuläre Erkrankung und nächtliche Atemstörungen, während ich mich mehr mit den Effekten der chronischen Störung des Schlafes auf die Hormonsekretion und auf den Stoffwechsel beschäftige. (00:46 -)In das Gebiet der Schlafmedizin gehören eigentlich alle Störungen des Schlafes, die entweder subjektiv den Patienten als solche auffallen, dass der Schlaf ganz schlecht, banal ist, oder die auch die Tagesbefindlichkeit beeinträchtigen. Wir haben auch sehr viele Patienten, die gar nicht bemerken, dass ihr Schlaf gestört ist, die aber tagsüber erheblich in ihrer Vigilanz, also in ihrer Wachheit oder in ihrer Leistungsfähigkeit, beeinträchtigt sind. Dazu gehören Insomnien, nächtliche Atemstörungen, sogenannte Parasomnien. Dazu gehört der Schlafwandel. Dazu gehören bestimmte motorische Verhaltensstörungen. Da gehören überhaupt sehr viele Motorikveränderungen im Schlaf dazu. Insgesamt sind es 88 Erkrankungen, die das Gebiet der Schlafmedizin ausmachen."
Laut Professor Pollmächer leiden zehn Prozent aller Deutschen an klinisch relevanten Schlafstörungen. In China sollen es gar 38 Prozent sein. Aufgrund dieser hohen Zahlen haben sich die Mediziner und Wissenschaftler der beiden Länder zusammengetan. Gemeinsam soll nun nach Lösungen zur Behebung dieses Problems gesucht werden.
Professor Han Feng hat sich auch intensiv mit den psychischen Problemen von Überlebenden des schweren Erdbebens in Sichuan befasst. Er weist auf einen interessanten Aspekt der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) hin:
"Schlafprobleme sind bereits in der Traditionellen Chinesischen Medizin bekannt. So werden im Buch "Ben Cao Gang Mu" des namhaften TCM-Arztes Li Shizhen einige Beispiele genannt. Li Shizhen und viele andere TCM-Experten griffen auch auf die chinesische Philosophie zurück. Die Theorie über die Harmonie zwischen dem weiblichen Element Yin und dem männlichen Element Yang gilt als ein Prinzip zur Behandlung von Schlafproblemen."
Ob und inwiefern die Traditionelle Chinesische Medizin der modernen Schlafforschung helfen kann, ist ungewiss. Es ist aber gut möglich, dass die TCM den Wissenschaftlern des neu gegründeten Chinesisch-Deutschen Zentrums für Schlafmedizin helfen wird, neue Wege zur Behandlung von Schlafstörungen zu finden. Auf diesem Weg wünschen wir dem Chinesisch-Deutschen Zentrum für Schlafmedizin viel Erfolg und alles Gute!
Bearbeitet von: Xu Wei
Interview und Text von: Qiu Jing