von Helmut Matt
Vom Schwarzwalddörfchen in die chinesische Hauptstadt. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft.
Auch wenn ich zur eigentlichen Geburtsstunde des deutschen Dienstes von Radio Peking noch nicht auf der Welt war, so habe ich doch ebenfalls im Jahr 1960 das Licht der Welt erblickt. Wir beide, die deutsche Redaktion von CRI und ich werden im Jahr 2010 ein halbes Jahrhundert alt. Grund zu feiern also. Es waren bewegte Jahre, die hinter uns liegen. Dass sich allein schon in diesen dreißig Jahren unserer Bekanntschaft sehr viel ereignete, lässt ahnen, wie viele Veränderungen und weltgeschichtliche Stürme die Redaktion in den 50 langen Jahren ihres bisherigen Lebens überstanden haben muss.
In dem kleinen, abgeschiedenen Schwarzwalddörfchen Kaltbrunn, in dem ich aufwuchs, begann im Jahr meiner Geburt gerade die vollständige Elektrifizierung. Von befestigten Straßen war noch keine Rede und es gab auch nur ganz wenige Familien, die ein Auto besaßen. Während ich als einfacher Schwarzwaldjunge eine glückliche Kindheit genoss, litt man in China gerade unter den Folgen des „Großen Sprungs nach vorn" und hatte die schweren Jahre der Kulturrevolution noch vor sich.
Als ich im Alter von ungefähr 14 Jahren den internationalen Kurzwellenrundfunk für mich entdeckte, war das Radio noch die wichtigste Quelle für Informationen aus aller Welt, wenn man über den Horizont der Tagespresse hinausblicken wollte.
„Hier ist Radio Peking!" Als ich zum ersten Mal diese Ansage aus dem Lautsprecher meines ersten Weltempfängers hörte, wusste ich noch sehr wenig über das Leben, die Menschen und die Kultur im fernen China.
Und doch war ich fasziniert von der Möglichkeit, in meiner eigenen, deutschen Sprache Nachrichten und Informationen direkt von diesem fernen Punkt der Erde zu hören.
Einen beträchtlichen Teil meines Lebens haben die Sendungen aus der chinesischen Hauptstadt mich nun schon begleitet. So wie ich als Kind Sprechen, Gehen und Lesen lernen musste, hat auch die deutsche Redaktion von Radio China International, wie der Sender heute heißt, sehr viel erfahren und gelernt. Während man in den frühen Jahren noch daran denken musste, auch auf Informationen zwischen den gesprochenen Worten zu achten, ist CRI heute ein moderner, dynamischer und multimedialer internationaler Auslandsdienst geworden.
Als ich im Jahr 1976 zum ersten Mal einen Hörerbrief an Radio Peking schrieb, wusste ich nicht, ob ich darauf jemals eine Antwort erhalten würde. Groß war daher mein Erstaunen, als ich schon nach wenigen Wochen nicht nur einen freundlichen Brief im Briefkasten vorfand, sondern auch noch gleich zwei geheimnisvoll aussehende Päckchen mit fremdartigen Schriftzeichen und bunten Briefmarken. Das eine enthielt einen sehr schönen, aufgerollten Wandkalender, das zweite eine kleines rotes Bändchen mit dem Titel „Worte des Vorsitzenden Mao" sowie mehrere Zeitschriften und die Zeitung „Peking Rundschau". Aus diesem ersten Briefwechsel entwickelte sich im Laufe der Jahre ein regelmäßiger Kontakt. Auch wenn ich während meiner Studienjahre weniger Zeit für das Radio und das Briefeschreiben hatte, ist dieser Kontakt doch immer lebendig geblieben.
Der erste Wimpel, 1976
Ein ganz besonderes Wiedersehen gab es dann im Jahr 2005: Es war kurz vor Weihnachten 2004 als Do Xiaowen mich anrief um mir mitzuteilen, dass ich den CRI-Wettbewerb über die Provinz Zhejiang gewonnen habe und dass man mich zu Beginn des Jahres 2005 in China erwarte. Nachdem ich meine Fassung allmählich wieder gefunden hatte, setzte ich sofort alle Hebel in Bewegung, um alles für die erste Chinareise Erforderliche zu organisieren.
„Einmal sehen ist besser als hundert Mal hören." Diese bekannte chinesische Weisheit sollte sich auf meiner ersten Chinareise in vielfacher Hinsicht bewahrheiten. Die große Gastfreundschaft und liebevolle Aufnahme berührte mich sehr. Ich lernte, dass die Formen der Kommunikation sich unterschieden, begriff aber zugleich, dass menschliche Zuneigung keine Grenzen kennt. Mit pochendem Herzen, lebendigen Eindrücken und dem zwingenden Wunsch nach einem baldigen Wiedersehen, kehrte ich am 15. Januar 2005 wieder zurück nach Deutschland. Das Herz war so voll, dass aus der ersten Reise ins Reich der Mitte nicht nur ein umfangreicher Reisebericht zurück blieb, sondern auch zahlreiche Skizzen, die drei Jahre später die Grundlage für mein erstes literarisches Werk, einen Roman aus Südost-China, bilden sollte.
Vor dem CRI-Gebäude, Januar 2005
Wo immer man glücklich ist, bleibt ein Teil des eigenen Herzens zurück. Es bewegte mich, als ich von dem unsäglichen Ausmaß an Zerstörung und Tod erfuhr, das sich am 12. Mai 2008 in der südwestchinesischen Provinz Sichuan ereignet hatte. Ohne zu Zögern organisierte ich in meiner damaligen Firma und im Bekanntenkreis eine Hilfsinitiative, über die es mir gelang, innerhalb von 3 Wochen fast 3000 EURO an Hilfsgeldern für die Katastrophenregion zu mobilisieren.
Unter einem sehr viel glücklicheren Vorzeichen stand meine nächste persönliche Begegnung mit China und mit Radio China International. Noch im Mai des Jahres 2008 teilte mein lieber Freund Sun Jingli mir mit, dass er die schöne Aufgabe habe, mir zu sagen, dass ich den Olympia-Wettbewerb von CRI gewonnen habe und für Ende Juni nach China eingeladen sei. „Den olympischen Geist im Vorfeld der Olympiade erleben" – unter diesem Motto lernte ich nicht nur viele neue Freunde aus aller Welt kennen, sondern erlebte einmal mehr die chinesische Gastfreundschaft von ihrer schönsten Seite kennen. Aus der Reise nach Beijing und ins östliche Qingdao ergaben sich zahlreiche neue Freundschaften und zugleich auch der Stoff für ein weiteres Buch über Themen aus der chinesischen Mythologie – für das ich derzeit einen Verleger suche.
Sommer 2008, Preiszeremonie in der Großen Halle des Volkes
Ein Höhepunkt meines letzten Besuchs bei Radio China International war eine private Einladung zum Abendessen beim damaligen Redaktionsleiter Sun Jingli. In fröhlicher Runde trafen wir uns in seiner Beijinger Wohnung, um zusammen mit seiner Frau Dou Xiaowen, deren Mutter und Freunden das Wiedersehen zu feiern. Dieser sehr persönliche Abend wurde zugleich auch zur Geburtsstunde der „CRI-Clubs", der gut ein Jahr später in Freiburg im Breisgau aus der Taufe gehoben wurde. Bei leckerem Essen und einem Glas feinen chinesischen Rotweins besprachen wir die Möglichkeiten, den deutschsprachigen Hörern neben Radio, Internetauftritt und Online-Forum eine Plattform vor Ort in Deutschland zur Verfügung zu stellen, die sich als Gemeinschaft nicht nur von Radiofreunden versteht, sondern die allen China-Interessierten offen stehen sollte.
24.Oktober 2009, Gründung des ersten deutschsprachigen CRI-Clubs in Freiburg
Diesem ersten Gespräch folgte ein intensiver Gedankenaustausch. Viele Ideen und Anregungen wurden im folgenden Jahr ausgetauscht, zahllose E-Mails geschrieben und Telefongespräche geführt, bis es am 24. Oktober 2009 endlich soweit war: Im Jiangnan Teehaus in der Freiburger Altstadt gründete sich im Beisein der chinesischen Vizekonsuls sowie einer hochrangigen Delegation aus Beijing der erste deutschsprachige CRI-Club.
Im Jahr 2010 feiert Radio China International das 50-jährige Bestehen der deutschen Redaktion. Grund zum Feiern also – für CRI, für alle Hörer und ganz gewiss auch für mich. Die jahrzehntelange Freundschaft mit dem Sender, die vielen Informationen und ungezählten Stunden guter Unterhaltung mit den Programmen von Radio Peking / Radio China International waren stets eine Bereicherung für mich und haben in vieler Hinsicht dazu beigetragen, meinen Horizont zu öffnen für Neues, Überraschendes, Ungeahntes.
Gemeinsam mit meiner Frau Linda, die CRI, den CRI-Club und mich immer aktiv und mit Begeisterung unterstützt hat und weiterhin mit der Pflege der Club-Webseiten maßgeblich zum Clubleben beiträgt, wünsche ich Radio China International noch eine lange, erfolgreiche Zukunft, viel Glück und stets aufmerksame Hörer. Ich freue mich darauf, dass die Sendungen aus Beijing mich auch in den kommenden Jahrzehnten begleiten werden und unsere Sender-Hörer-Freundschaft sich immer weiter vertieft.
(Über Autor: Deutsche Staatsangehörigkeit, Monitor des deutschsprachigen Programms von CRI, Vorsitzender des CRI-Clubs, lebt in Herzbolheim, Deutschland.)