Shi Lisheng im Jahr 1957
Fünfzig Jahre! Im endlosen Strom der Menschheitsgeschichte sind sie bloß ein kurzer Augenblick. Für einen einzelnen Menschen aber gelten sie als eine lange Phase eines Lebens voller Einsatz.
Vor eben diesem halben Jahrhundert, am 7. September 1957, kam ich, die ich soeben das Studium im Fachbereich Deutsch am Beijinger Fremdspracheninstitut abgeschlossen hatte, dem Leben und der Zukunft erwartungsvoll entgegenblickend, in das damalige Amt für Rundfunkwesen und beschritt so einen neuen Weg, auf dem ich mich mein ganzes Leben lang mit dem Rundfunkwesen beschäftigen sollte. Anfangs wurde ich in das der Personalabteilung unterstehende Büro für Angelegenheiten der ausländischen Experten zugewiesen. Ende 1959 wurde ich im Zuge der Vorbereitungen auf die Ausstrahlung eines deutschsprachigen Programms von Radio Peking in die dortige deutsche Redaktion versetzt, und da habe ich dann bis zu meiner Pension gearbeitet, genau 30 Jahre! Während dieser Zeit war ich als Übersetzerin und Redakteurin tätig. Aber die Aufgabe, die ich am längsten ausübte und zu der ich die tiefste Beziehung aufbaute, war die Betreuung der Hörerpost, immerhin 15 Jahre lang.
Was ich in diesem Aufgabenbereich hauptsächlich unternahm, war die Beantwortung der Hörerbriefe sowie die Zusammenstellung des Programms für den Hörerbriefkasten. Das waren oft sehr umfangreiche und mannigfaltige Aufgaben, die viel Engagement erforderten. Unsere Hörer damals stammten aus verschiedenen Teilen der Bevölkerung und aus allen deutschsprachigen Staaten und Gebieten. Den meisten von ihnen mangelte es aber an tieferen Kenntnissen über China. Man kann jedoch sagen, dass sie alle mit sehr großer Neugier unsere Sendungen anhörten. Sie stellten frei und offenherzig Fragen, die sich auf Bereiche wie Politik, Wirtschaft, Kultur, Sitten und Gebräuche oder das Alltagsleben bezogen, und sie selbst äußerten auch offen und aufrichtig ihre Meinungen dazu. Damit unsere Hörer China besser kennenlernen konnten, behandelten wir nicht nur jeden Brief von ihnen gewissenhaft, sondern haben auch aktiv und enthusiastisch viel Informationsarbeit geleistet. Unsere unablässigen Bemühungen haben schnell Resultate gezeigt und ein Echo gefunden. In den ersten Jahren gingen die Hörerbriefe nur aus der DDR ein und die Anzahl dieser Hörerbriefe betrug etwa 30. Im Laufe der Zeit kamen auch immer mehr Hörerbriefe aus der Schweiz, Österreich, Dänemark, Luxemburg, Belgien, Liechtenstein und der BRD hinzu. Bis zum 25. Jubiläum der deutschen Redaktion 1985 stieg die Zahl der Hörerbriefe auf mehr als 5.000 pro Jahr. Auch die Qualität der Briefe hatte sich dementsprechend erhöht.
In den Jahren 1977, 1979 und 1985 lud die deutsche Redaktion Hörergruppen zu einem China-Besuch ein. Damit wurde eine neue Epoche des direkten Kontakts mit den Hörern eingeleitet. Ich kann mich heute noch deutlich an einen Steinmetz aus Deutschland erinnern. Er kam zweimal nach China, um China besser kennenzulernen. Bei seinem zweiten Besuch brachte er sogar Konservendosen mit, um die Ausgaben in China zu kürzen.
Ein junges Ehepaar wiederum ließ uns wissen, sie hätten nie damit gerechnet, aber sie seien einfach zu Tränen gerührt gewesen, als sie eine von uns geschickte Kassette mit dem chinesischen Violinkonzert „Liang Zhu" hörten und von der schönen chinesischen Musik ganz berauscht gewesen seien. Ein weiterer Hörer verfolgte fast jeden Tag unsere Sendung und nahm regelmäßig an unserem Quiz teil. Um den ersten Preis und somit eine Tibet-Reise zu gewinnen, hatte er mit meiner Hilfe eine große Menge an Materialien über Tibet gesammelt und studiert und war zu einem guten Tibet-Kenner geworden. Die Mühe zahlte sich aus: er nahm an dem Quiz teil und gewann! Er konnte sich so seinen Herzenswunsch erfüllen, Tibet einmal mit eigenen Augen zu sehen.
Während sich die Kenntnisse über China immer weiter vertieften, wurden mit der Zeit viele Hörer auch zu Freunden und berichteten ihrerseits von den Erlebnissen über das sich entwickelnde China. So konnte sich zwischen der deutschen Redaktion und den Hörern ein unsichtbares Band der Freundschaft herausbilden, das bis heute immer noch existiert.
Die Geschichte schreitet voran, und so hat sich auch der chinesische Auslandsrundfunk in China entwickelt. In dem halben Jahrhundert, das mit raschen Veränderungen verbunden war, hat sich beispielsweise die Sendezeit unseres Programms verlängert. Der Inhalt der Programme wurde reichhaltiger und vielfältiger. Wir haben Hörerdelegationen empfangen, in Deutschland ein Korrespondentenbüro errichtet, und es gibt nun einen CRI-Club.... Denken wir an die Vergangenheit zurück, sind wir sehr stolz darauf, dass wir unsere ganze Tatkraft für dieses großartige Werk eingesetzt haben. Blicken wir in die Zukunft, sind wir voller Zuversicht, weil wir sehen, dass wir Freunde in aller Welt haben.
Über die Autorin: Shi Lisheng kam 1957 in das der Personalabteilung des Zentralamts für Rundfunkwesen unterstehende Büro für Angelegenheiten der ausländischen Experten. Sie wurde 1959 in die Deutsche Redaktion von Radio Peking versetzt und war mehrere Jahre für die Hörerbetreuung zuständig. 1989 wurde sie pensioniert.