Es ist Fünf Uhr morgens. Der 41-jährige Liang Lianchun radelt durch das winterliche und noch dunkle Beijing in Richtung You'an-Krankenhaus. Dem Vize-Leiter des Zentrums für Infektionskrankheiten steht wieder ein hektischer Tag bevor. Seit vor mehr als sieben Monaten der Grippevirus A/H1N1 die Runde macht, ist Liang Lianchuns Leben viel stressiger geworden.
Anfang April dieses Jahres brach die A/H1N1-Grippe als erstes in Mexiko aus. Am 11. Mai wurde in der Provinz Sichuan der erste A/H1N1-Fall im Landesinneren Chinas festgestellt. Dann tauchten Schlag auf Schlag in Shandong, Beijing und Guangdong weitere Infizierungsfälle auf.
Anfang Juni nahm das You'an-Krankenhaus in Beijing seinen ersten A/H1N1-Patienten auf. Bereits Ende April, als die Grippeepidemie China noch nicht erreicht hatte, rief das Krankenhaus bereits eine erhöhte Alarmbereitschaft aus. Über 20 Ärzte und Pflegepersonal des Infektionszentrums seien dann umfassend ausgebildet worden, sagt Liang Lianchun.
„Niemand von uns hatte damals irgendwelche Erfahrungen mit dem A/H1N1-Virus. Wir begannen unsere Ausbildung auf der Basis von ersten Informationen aus dem Internet. Chefärzte, Ärzte und Krankenschwester erhielten ein unterschiedliches Training. Simulationstests wurden auch durchgeführt. Zudem haben wir auch rechtzeitig Extra-Reserven und zusätzliche Krankenbetten besorgt."
Doktor Liangs Arbeitstag ist von morgens bis abends voll gestopft mit Terminen. Er beginnt und beendet seinen Tag mit Sitzungen; morgens um halb sieben und abends gegen 21 Uhr. Er muss auf jede Einzelheit genau achten. Vorsicht ist beim Anlegen des Schutzmantels geboten. Dieser Prozess allein dauert über eine Stunde.
„Gegen kurz nach fünf Uhr morgens muss ich im Krankenhaus sein. Am Abend komme ich erst um zehn oder gar elf Uhr nach Hause. Manchmal bleibe ich sogar im Krankenhaus drei ganze Tage und zwei Nächte."
Dank intensiver Behandlung und Pflege konnten die ersten A/H1N1-Patienten geheilt werden und das Krankenhaus verlassen. Ein Erfolg für Liang und seine Kollegen. Zudem war die Sterblichkeitsrate durch den Grippevirus niedriger als angenommen.
Obwohl die erste Infektionswelle dank strikter Kontrollen und Präventionen in China recht mild war, bringt der Winter noch einige neue Herausforderungen mit sich. Im Oktober wurden in China täglich nahezu 1.000 A/H1N1-Infektionen gemeldet. Die Zahl schwerer Erkrankungen und Todesfälle stieg ebenfalls.
Doktor Liang erinnert sich an eine Nacht im Oktober. Über 20 Studenten einer Beijinger Universität kamen auf einmal mit A/H1N1-Infektionsverdacht ins You'an-Krankenhaus.
„Ich erhielt einen Anruf und musste sofort ins Krankenhaus. In dieser Nacht kamen über 20 Fälle auf einen Schlag. Es war wirklich viel Arbeit. Man kann den Stress gar nicht beschreiben."
Angesichts der kritischen Lage hat die chinesische Regierung den Fokus von Prävention auf Behandlung der A/H1N1-Grippe verlegt. Dabei stand das You'an-Krankenhaus an vorderster Front. Aufgrund seiner guten Ausstattung musste das Krankenhaus vor allem schwere A/H1N1-Fälle aufnehmen.
„Wir haben ein standardisiertes Krankengebäude, in dem Ärzte und Patienten getrennte Korridore benutzen. Die Frischluftzufuhr in den Krankenzimmern ist gut. Es gibt zudem viele Luftfilter."
Da die Zahl der Patienten ständig zunimmt, stößt das Krankenhaus auch an die Grenzen seiner Kapazität. Doch um alle Patienten bestens zu behandeln, wurde das medizinische Personal, das sich um A/H1N1-Patienten kümmert, um 20 weitere Kollegen aufgestockt.
„Für die Betreuung eines Schwerkranken werden manchmal bis zu sieben, acht Ärzte und Pfleger eingesetzt. Personaltechnisch stehen wir unter großem Druck. Unsere Mitarbeiter können sich manchmal erst nach acht bis zwölf Stunden Arbeit ausruhen."
Vom stressigen Leben der Ärzte, kann Qi Jiaqian, Liang Lianchuns Frau, ein Lied singen.
„Während des Essens zu Haus wird er angerufen und muss dann schnell ins Krankenhaus. Im Krankenhaus nimmt er sein Handy nicht mit. Ich kann ihn deshalb oft telefonisch nicht erreichen. Für die Familie bin ich jetzt die Hauptstütze."
Bis jetzt sind im You'an-Krankenhaus insgesamt 75 schwere und höchst gefährliche A/H1N1-Erkrankungsfälle behandelt worden. Liang Lianchun und seine Kollegen haben viele dieser Patienten das Leben gerettet.
Laut jüngsten Statistiken sind derzeit 90 Prozent aller Grippepatienten in China mit dem A/H1N1-Virus infiziert. Experten vermuten, dass sich die Grippe noch bis zum Frühjahr 2010 ausbreiten werde. Doch es gibt auch Fachleute, die die A/H1N1-Grippe als eine ständig wiederkehrende Krankheit ansehen. Diese Mutmaßungen kümmern Doktor Liang Lianchun derzeit weniger. Für ihn besteht einfach der Wunsch: alle A/H1N1-Patienten zu heilen und gesund nach Hause zu schicken!
Gesprochen von: Xiao Lan
Text von: Ren Jie