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Herausforderungen und Hoffnungen der chinesischen Literatur - im Gespräch mit Literaturkritiker Hu Ping
  2009-09-14 18:14:02  cri
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Welche Autoren werden in China am häufigsten gelesen? Warum stoßen Bestseller auf harsche Kritik? Was sind die Trends in der chinesischen Literatur? Wie versucht man in China, den literarischen Austausch mit dem Ausland zu intensivieren? Die Antworten auf diese Fragen geben einem ein umfassendes Bild über die zeitgenössische chinesische Literatur. Die richtige Person, um diese Fragen zu beantworten, ist der Beijinger Literaturkritiker Hu Ping.

Der 1952 geborene Hu Ping gehört der chinesischen Schriftstellervereinigung an. Er beschäftigt sich schon seit langem mit Literaturtheorie und gilt als einer der berühmtesten Literaturkritiker Chinas. Ihm ist aufgefallen, dass Werke, die sich mit ernsten Themen befassen, immer weniger gelesen werden:

"Die Popliteratur oder Werke, deren Inhalt unterhaltsam und leicht verdaulich sind, haben heutzutage einen sehr großen Leseranteil. Das ist definitiv anders als früher. Früher wurde nämlich nur die elitäre Literatur, also Literatur, die sich mit ernsten Themen und Problemen befasste, propagiert. Ich betrachte das nicht unbedingt als eine negative Tendenz. Denn sonst wäre die Literatur eintönig. Die Popliteratur und Unterhaltungswerke beleben die Literatur und sprechen eine große Leserschaft an."

Für Hu Ping gibt es zwei Gründe für diese Tendenz hin zur Popliteratur. Zum einen besteht bei den Lesern ein großer Bedarf nach Lektüren, die sich mit den Alltagsproblemen der Menschen befassen. Geschichten über Mut, Liebe, Freundschaft und Familie werden gern gelesen. Ambitiöse Schriftsteller wollen sich nicht auf diese Themen beschränken. Sie wollen in ihren Texten experimentieren und literarisches Neuland entdecken. Und genau hier liegt das Problem. Nur ein kleiner Teil der Leser ist an solchen Texten interessiert. Die Popliteratur hält Hu Ping für unentbehrlich für den Alltag. Literarische Maßstäbe setzen dürfe sie allerdings nicht:

"Werke mit ernsten Themen werden zwar nur von einem kleinen Teil der Leser gelesen, sind aber richtungsweisend für die Literatur. Ohne Werke, die sich mit ernsten Themen befassen, würde die Literatur ihre Sinngebung verlieren."

Die meisten Bestseller gehören heute dem Genre Popliteratur an. Immer häufiger tauchen junge Schriftsteller aus dem Nichts auf und erleben einen kometenhaften Aufstieg. Viele der heutigen Bestsellerautoren sind unter 30 Jahre alt. Der 57-jährige Hu Ping führt diese Tendenz auch auf den Einfluss des Internets zurück:

"Die heutige Zeit ist ein großes Zeitalter fürs Schreiben. Es heißt, jedes Jahr würden im Internet 200.000 neue chinesische Romane erscheinen. Diese Zahl kann ich nicht bestätigen. Aber ich bin mir sicher, dass die Hemmschwelle etwas zu schreiben noch nie so niedrig war wie heute. Jeder, der will, kann etwas schreiben und das Geschriebene danach ins Internet stellen. Im weitesten Sinn können wir hier von Veröffentlichung sprechen. Noch vor einigen Jahrzehnten sah das ganz anders aus. Da war das Veröffentlichen und Herausgeben von Texten nicht einfach. Ein langer Prozess war erforderlich, bis das Geschriebene endlich aufs Papier gebracht werden konnte."

Früher waren Redakteure und Herausgeber wie eine Schleuse zwischen dem Autor und seinen Lesern. Dank der "technischen Revolution", so Hu Ping, ist diese Schleuse nun plötzlich verschwunden. Nichtsdestotrotz sei der Weg für junge Autoren lang und steinig. Sie hätten zwar einen feinen Instinkt für das Leserinteresse, dafür aber noch Verbesserungspotential, was ihre schreiberischen Fähigkeiten anbelangt, meint Hu Ping. Sie müssten noch viel von der älteren Schriftstellergeneration lernen. Eine große Leserzahl sei zweifelsohne ein kommerzieller Erfolg, bedeute aber nicht automatisch einen Platz in der Literaturgeschichte, gibt der angesehene Beijinger Literaturkritiker zu bedenken.

Die Hektik des Alltags, die zunehmend wichtigere Rolle des Marktes, der technologische Fortschritt und sogar die Beseitigung des Analphabetismus sind nach Auffassung von Hu Ping die Hauptgründe dafür, dass Werke mit ernsten Themen - vor allem mit gesellschaftlichen Problemen- immer weniger gelesen werden:

"Seit langer Zeit betrachten chinesische Schriftsteller das Aufdecken von sozialen Problemen als eine ihrer Hauptaufgaben. Dies geht einerseits auf die Predigt des großen Philosophen Zhou Dunyi vor über tausend Jahren zurück. Zhou Dunyi sieht die Literatur als Träger von Wertvorschriften und Moral. Andererseits wurde die Literatur im 20. Jahrhundert als politisches Instrument betrachtet. In neuester Zeit - auch durch den zunehmenden Kontakt mit dem Westen – hat sich dies jedoch geändert. Immer mehr Schriftsteller vertreten die Ansicht, dass man durch das Schreiben seine eigenen Gefühle sowie die Gefühle anderer Menschen ausdrücken soll. Das sei wichtiger, als soziale Mißstände zu kritisieren. In unserer modernen Zeit halten die Medien - nicht die Literatur - Wache für die Gesellschaft. Man lernt die Welt durch die Wissenschaft kennen und nicht durch die Literatur. Dies sind die Gründe, welche die Autoren veranlassen, ihre Schwerpunkte von sozialen Problemen auf das Innerliche und auf die Menschen selbst zu verlagern."

Einige westlichen Zeitungen führten diesen Trend auf die chinesische Kulturpolitik zurück. Literaturkritiker Hu Ping hält diese Ansicht für eine Misinterpretation sowohl der chinesischen Kultur als auch der gesellschaftlichen Entwicklung. Seiner Meinung nach haben diese Zeitungen die Rolle des Marktes und die Selbständigkeit der heutigen chinesischen Autoren übersehen.

Um das Verständnis zwischen China und dem Westen zu verbessern, versucht die chinesische Schriftstellervereinigung nun, mehr chinesische Autoren und ihre Werke im Westen bekannt zu machen. Hu Ping weiss, dass dies keine einfache Aufgabe sein wird:

"Der Einfluss der westlichen Literatur auf China ist größer als der Einfluss der chinesischen Literatur auf den Westen. Ich führe dieses Phänomen auf die Schwierigkeit der chinesischen Sprache zurück. Noch wichtiger aber ist es, die Vorurteile der westlichen Kritiker gegenüber Autoren aus China abzubauen. Erst dann werden mehr chinesische Autoren bekannter. Amerikanische und europäische Verlage bevorzugen Autoren, die einen rebellischen Charakter haben wie die Schriftstellerin Annbaby. Es wurde übersehen, dass es viele chinesische Autoren gibt, deren Werke höhere literarische Werte haben. Trotzdem sind sie im Westen unbekannt. Die chinesische Schriftstellervereinigung hat nun die Aufgabe, chinesische Autoren im Ausland vermehrt bekannt zu machen. Ausländische Verlage, die sich für chinesische Literatur interessieren, können die chinesische Schriftstellervereinigung ansprechen."

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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