Die ursprüngliche Heimat der Xibo liegt in der Gegend von Shenyang, dem Hauptort der Provinz Liaoning, im Nordosten Chinas. Ihre Umsiedlung vom Osten in den Westen des Landes geht auf einen Befehl des chinesischen Kaisers Qianlong zurück. Zur Verteidigung der Nordwestgrenze seines Reiches sowie zur Erschließung des dortigen Gebiets befahl Kaiser Qianlong im Jahr 1764 die Umsiedlung von 1.200 Xibo-Soldaten inklusive ihrer 3.300 Familienangehörigen nach Xinjiang. Die Wahl von Kaiser Qianlong fiel auf die Xibo, weil diese damals als tapfere Soldaten und hervorragende Bogenschützen bekannt waren.
Der lange Marsch der Xibo - Gemälde im Xibo-Museum
Viele Xibo überlebten den 5.500 Kilometer langen und 15 Monate dauernden Marsch von Osten nach Westen Chinas nicht. Obwohl ihnen Kaiser Qianlong vor ihrer Abreise die Erlaubnis erteilte, nach 60 Jahren wieder in ihre angestammte Heimat zurückzukehren, blieben die meisten der Überlebenden für immer in Xinjiang. Heutzutage existiert eine eigentliche Xibo-Kultur nur noch in Xinjiang. Die Xibo in Shenyang haben sich längstens mit anderen ethnischen Gruppen vermischt und sich der Lebensweise der dortigen Han-Chinesen angepasst.
Obwohl es auch Heiraten zwischen Xibo und Angehörigen anderer ethnischen Gruppen gibt, ist es den Xibo in Xinjiang gelungen, ihre Kultur am Leben zu erhalten. Dazu gehört auch der Verzicht auf Hundefleisch, wodurch die Xibo der Leistung ihrer Hunde auf dem langen Marsch Respekt zollen. Jedes Jahr am 18. April nach dem chinesischen Mondkalender kommen Xibos aus ganz China im Xibo-Tempel in Shenyang zusammen, um an die Umsiedlung ihrer Vorfahren nach Xinjiang zu gedenken.
Typisches Xibo-Wohnzimmer
Die meisten Xibo in Chabuchaer leben heutzutage vom Getreideanbau (hauptsächlich Mais und Weizen) oder von der Viehzucht (Schafe). Da sie als ethnische Minorität von der staatlichen Ein-Kind-Politik ausgenommen sind, haben sie in der Regel zwei bis drei Kinder. Äußerlich sind die Xibo nicht von den Han-Chinesen zu unterscheiden, sprachlich hingegen schon. In der Schrift ähnelt ihre Sprache stark dem Mongolischen, was die Aussprache anbelangt, haben die beiden Sprachen aber wenig gemein.
Mit einer Ausnahme sind die Schulen in Chabuchaer, dem Autonomen Kreis der Xibo in Ili, gemischt. Das heißt, dass sich die Schülerschaft aus verschiedenen ethnischen Gruppen zusammensetzt. Sowohl in den gemischten Schulen als auch in der reinen Xibo-Schule ist Mandarin die Unterrichtssprache. Das Erlernen der Xibo-Sprache in Wort und Schrift gehört jedoch in beiden Schultypen zum Stundenplan - in den gemischten Schulen wie der Zhakuqiniulu-Schule selbstverständlich aber nur für die Xibo-Kinder.
Unterricht in der zweisprachigen Schule in Chabuchaer
Schüler in der zweisprachigen Schule in Chabuchaer
Die Leiterin der Zhakuqiniulu-Schule, Frau Liu, ist vom Erfolg des gegenwärtigen Schulsystems überzeugt. Stolz erwähnt sie das Beispiel eines ihrer Xibo-Schüler, der es an die renommierte Tsinghua-Universität in Beijing geschafft hat und im Moment in Deutschland sein Studium fortsetzt.
In Zukunft werden wohl noch mehr Xibo-Jugendliche den umgekehrten Weg ihrer Vorfahren einschlagen und den Sprung an eine der Top-Universitäten im Osten Chinas schaffen - nicht zuletzt, weil Angehörige von ethnischen Minderheiten bei der alljährlichen landesweiten Uni-Aufnahmeprüfung in den Genuss eines 50-Punkte-Bonus kommen.
Mit freundlichen Grüßen aus dem Xibo-Kreis Chabuchaer,
Text: Simon Gisler
Fotos: Li Qian