Dandongs touristische Hauptattraktion liegt nicht in der Stadt selber, sondern am anderen Ufer des über 900 Meter breiten Yalu-Flusses. Touristen, die in Chinas größte Grenzstadt kommen, wollen in erster Linie einen Blick auf das völlig isolierte Nordkorea werfen.
Die Chinesisch-Nordkoreanische Freundschaftsbrücke über den Yalu
Friedensdenkmal auf der Yalu-Brücke
Im Mittelpunkt dieses Nordkorea-Tourismus steht die Yalu-Brücke, die im Koreakrieg von den Amerikanern schwer zerstört und als Mahnmal zur Hälfte wieder aufgebaut wurde. Wo einst die Bomben einschlugen, wimmelt es heute von Touristen - vorwiegend aus China - , die mit dem Fernglas hinüber ins geheimnisvolle Nordkorea schauen oder sich vor einer angeblichen Riesenradattrape fotografieren lassen - auf Wunsch in traditioneller nordkoreanischer Tracht. Die Situation erinnert stark an den Mauer-Tourismus vor 1989 in Westberlin.
Chinesische Touristengruppe auf der Yalu-Brücke
Nordkorea im Blickfeld
Kontraste - das abgewirtschaftete Sinuiju link, das pulsierende Dandong rechts
Viel zu sehen gibt es von der Aussichtsplattform der Yalu-Brücke aus jedoch nicht. Die nordkoreanische Grenzstadt Sinuiju scheint sich im Dornröschenschlaf zu befinden. Am Ufer spielen oder baden einige Kinder. Dahinter stehen einige Gebäude, deren Funktion nicht ganz klar ersichtlich ist. Hochhäuser wie im gegenüberliegenden Dandong existieren in Sinuiju nicht. Auch von Verkehr ist wenig zu spüren. Während von Dandong aus lautes Autogehupe zu vernehmen ist, sind in Sinuiju nur Fahrräder auszumachen. Etwas weiter flußaufwärts ist etwas Leichtindustrie in Form von drei Schornsteinen zu erkennen, die aussehen, als hätten sie schon lange keinen Rauch mehr ausgestossen. Von Grenzsoldaten fehlt jede Spur.
Touristenboot auf dem Grenzfluss
Für 50 Yuan RMB (zirka fünf Euro) bringen Schiffe die Touristen noch näher ans nordkoreanische Ufer heran. Wem das immer noch nicht genügt, der kann bei einem lokalen Reisebüro auch einen eintägigen Gruppenausflug für 680 Yuan RMB (rund 68 Euro) nach Sinuiju buchen. Dieser verhältnismäßig teure Tagestrip steht nur Chinesen offen. Für Ausländer ist Sinuiju geschlossen. Das Interesse an Nordkorea hält sich in China jedoch in Grenzen. Einem Reisebüroinhaber in Dandong zufolge gehört Nordkorea nicht zu den beliebtesten Reisezielen chinesischer Touristen. Destinationen wie Südkorea, Japan oder Übersee seien viel gefragter.
Die Große Mauer auf dem Hushan
Momentan ganz klar im Schatten des Nordkorea-Tourismus steht die Große Mauer auf dem Hushan zwölf Kilometer von Dandong entfernt. Das östlichste Ende der Mauer wurde im 15. Jahrhundert während der Ming-Dynastie gebaut. Von ihrem höchsten Punkt aus hat man eine tolle Aussicht auf die grünen Felder und Hügel Nordkoreas. Der Blick von der Yalu-Brücke hinüber ins heruntergewirtschaftete Sinuiju wirft aber unweigerlich die Frage auf, was in Dandong länger überleben wird: Der "Mauer"-Tourismus oder der Abschnitt der Großen Mauer auf dem Hushan?
Mit freundlichen Grüßen aus der Grenzstadt Dandong,
Text und Fotos: Simon Gisler