Zweisprachiges Strassenschild in Yanji
Ein Drittel der 400.000 Einwohner von Yanji hat koreanische Vorfahren. Das koreanische Erbe ist denn auch allgegenwärtig im Hauptort des koreanischen autonomen Gebiets Yanbian. So sind beispielsweise alle Strassenschilder und Werbetafeln sowohl mit chinesischen als auch mit koreanischen Schriftzeichen beschriftet. Viele Einwohner von Yanji sind zweisprachig. Die Lokalregierung ist denn auch bestrebt, dieses kulturelle Erbe aufrechtzuerhalten - etwa indem sie die Gebühren an den Schulen der koreanischen Minderheit tief hält. Trotzdem schicken immer mehr Angehörige der koreanischen Minderheit ihre Kinder an staatliche Schulen, wo alle Fächer auf Chinesisch unterrichtet werden. Sie erhoffen sich dadurch für ihre Kinder bessere Berufsaussichten, weil die universitäre Ausbildung im Reich der Mitte ausschliesslich auf Chinesisch erfolgt. Umgekehrt schicken die Han-Chinesen ihre Kinder paradoxerweise zunehmend an die Schulen der koreanischen Minderheit, um ihnen die Option einer beruflichen Zukunft in Südkorea offen zu halten.
Koreanische Architektur
Gegessen wird im Schneidersitz auf dem Fußboden
Neben der koreanischen Sprache sieht man in denVororten sowie in der Umgebung von Yanji auch viele Häuser im koreanischen Baustil. Das Innere der kleinen Häuschen mit ihren blauen oder roten Ziegeldächern ist ebenfalls untypisch für China. Sowohl gegessen als auch geschlafen wird auf dem Fußboden. Betten gibt es keine. Wer aus gesundheitlichen Gründen oder altersbedingt nicht mehr im Schneidersitz auf dem Boden sitzen kann, der darf auf einem kleinen Schemel an der Tafelrunde teilnehmen. Um das Haus sauber zu halten, müssen am Eingang die Schuhe ausgezogen werden. Im Falle einer Einladung empfiehlt es sich daher dringend, keine Socken mit Löchern zu tragen...
Ein Hunderestaurant in der "Gou Rou Jie"
Das augenfälligste Beispiel des koreanischen Einflusses in Yanji ist die "Gou Rou Jie" oder Hundefleisch-Strasse, die aus mehreren Restaurants besteht, in denen praktisch alle Körperteile des Hundes - inklusive des Penis - zum Verzehr angeboten werden. Am besten sei das Fleisch von Hunden, die nicht älter als anderthalb Jahre sind, sagt Restaurantbesitzerin Li Hua. Hunde mit goldfarbenem Fell seien am teuersten und würden am besten schmecken. Das Geschlecht des Hundes hingegen habe kaum Einfluss auf den Geschmack. Bei Rüden sei der Geschmack jedoch etwas stärker ausgeprägt, dafür hätten sie weniger Fett, so die Hundeexpertin. Als Beilage empfiehlt sie Reis und Getränke wie Tee oder das in China gängige heisse Wasser. Auf keinen Fall kalte Getränke.
Moralische Bedenken über den Verzehr von Hundefleisch hat die ehemalige Hundehalterin Li Hua keine. Man müsse zwischen dem Hund als Nutztier und dem Hund als Haustier unterscheiden. Die Menschen würden ja auch Schweine und Rinder essen.
Hundefleisch scheint in Yanji bei Jung und Alt beiden Geschlechts gleichermassen beliebt zu sein. Besonders stolz sind die Einheimischen über die selbst erfundene Hundesauce, die es weder in den beiden Koreas noch sonstwo in China gibt. Die Sauce sei sogar noch besser als das dazugehörige Fleisch, meint ein älterer Einheimischer.
Traditionsbewusst - Bürgermeister Zhao Zhexue (3. von links)
Wie ein Drittel der Bevölkerung von Yanji gehört auch Bürgermeister Zhao Zhexue der koreanischen Minderheit an. Ob er die Vorliebe seiner Mitbürger für Hundefleisch teilt, behielt er für sich. Dafür betonte er, dass sich die Bewohner von Yanji trotz der starken Prägung durch die koreanische Kultur als Chinesen und nicht als Koreaner fühlen.
Mit freundlichen Grüssen aus dem "Little Korea",
Text und Fotos: Simon Gisler