Grenze zwischen China und Nordkorea
Grenzbrücke über den Tumen-Fluss
Tumen ist lediglich einen Steinwurf von Nordkorea entfernt. Von der chinesischen Seite sieht man mit blossem Auge hinüber in die nordkoreanische Stadt Namyang. Die beiden Grenzstädte sind einzig durch den schmalen Tumen-Fluss voneinander getrennt. So nah die beiden Städte geografisch auch sind, zwischen ihnen liegen Welten. Auf der einen Seite Tumen, eine tyische chinesische Kleinstadt, die von reger Bautätigkeit und lebhaftem Verkehr gekennzeichnet ist. Die Fassaden der Häuser sind so bunt wie die vielen Werbetafeln überall im Stadtzentrum. Auf der Strasse kämpfen Busse, Autos, Dreiräder und Fahrräder um jeden Meter.
Blick auf Namyang
Nordkoreanische Briefmarken
Von alledem ist auf der nordkoreanischen Seite nichts zu sehen. Namyang erweckt den Anschein einer Geisterstadt. Die meisten der wenigen grauen Wohnblocks sind am zerfallen. Ausser zwei gelben Lastwagen sind keine Fahrzeuge zu erkennen. Nicht einmal die koreanische Flagge oder Soldaten sind auf der Brücke über den schmalen Tumen-Fluss auszumachen. Die zweispurige Brücke macht ebenfalls einen baufälligen Eindruck. Sie sieht aus, als ob schon lange kein Fahrzeug mehr darüber gefahren wäre. Der Grenzübergang auf der nordkoreanischen Seite scheint stillgelegt zu sein. Von den glücklichen Massen, die dem "geliebten Führer" Kim Jong Il zujubeln, wie es die Briefmarken in den Läden neben dem chinesischen Grenzübergang suggerieren, ist in Namyang nichts zu spüren. Verkehrs- oder Fabriklärm hört man nicht, Menschen sieht man keine. Es herrscht eine Totenstille. Wie genau es hinter den nebelverhangenen Berghängen hinter Namyang aussieht, weiss wohl nur Kim Jong Il, "die Sonne des 21. Jahrhunderts", wie der nordkoreanische Staatschef auf grossen Buchstaben auf einem Hügel oberhalb von Namyang gepriesen wird.
Das Waisenhaus von Li Wenzhe
Ein Zimmer im Waisenhaus
Der Computerraum
Gibt gerne Auskunft - Li Wenzhe
Li Wenzhe und einige seiner Schützlinge
Nicht auf Briefmarken verewigt ist Li Wenzhe. Der 57-Jährige aus Helong, einem verschlafenen Nest nahe Tumen, widmet sein Leben bedürftigen Kindern. In seinem aus eigenen Mitteln finanzierten Waisenhaus leben momentan 34 Waisenkinder unterschiedlicher Nationalitäten zwischen 6 und 19 Jahren. Insgesamt hat der zweifache Familienvater in den vergangenen 30 Jahren nicht weniger als 130 Kinder adoptiert. Als Grund für seine aussergewöhnliche Warmherzigkeit nennt der quirlige Li die Nächstenliebe, die er erfahren durfte, als es ihm als junger Erwachsener einst nicht so gut ging.
Mit den Worten "Bai wen bu ru yi jian" (Einmal sehen ist besser als hundertmal hören), bittet er uns lächelnd zu einem Rundgang durch sein gepflegtes Waisenhaus. Nur zu gern hätten wir uns auch in Namyang selbst ein Bild gemacht. Doch leider stösst dieses chinesische Sprichwort im einige Kilometer entfernten Nordkorea nach wie vor auf wenig Gegenliebe.
Fotos und Text: Simon Gisler