Die Wirtschaft der Stadt Qingdao ist stark vom Außenhandel geprägt. Die aufgrund der Finanzkrise geschrumpfte Nachfrage führt seit einem halben Jahr unmittelbar zu einem beträchtlichen Rückgang der Aufträge aus dem Ausland. In der Krise sehen ein paar Großunternehmen der Stadt jedoch auch noch Geschäftschancen. Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass sie sich derzeit anhand von Fusionen und Übernahmen aktiv am Weltmarkt beteiligen. Mehr dazu in unserem folgenden Beitrag.
28. November 2008, ein Tag inmitten der weltweiten Finanzkrise. Internationalen Märkten droht ein kalter Winter. In einem Konferenzraum in der Innenstadt Frankfurts am Main breitete sich jedoch warme und fröhliche Atmosphäre aus. Hier fand die Unterzeichnung für eine Firmenübernahme statt. Das deutsche Unternehmen Consilium AG steht seit diesem Tag unter der Flagge des Qingdaoer Autozuliefer-Konzerns JIG. Zur erfolgten Fusion sagt JIG-Chef Jin Jingshan:
"Das deutsche Unternehmen, das wir diesmal zugekauft haben, ist eine seit langem an der Frankfurter Börse notierte Firma. Unser Ziel ist es, anhand dieses Deals einen künftigen Freiverkehr unseres Unternehmens am deutschen Börsenmarkt zu erleichtern. Da sich der internnationale Akquisitionsmarkt zurzeit aufgrund der Finanzkrise in einer Phase der Kostensenkung befindet, haben wir uns entschlossen, die Chance wahrzunehmen. An die deutsche Börse zu gehen ist sozusagen der erste Schritt unseres generellen Vorhabens, zunehmend global zu agieren."
Zurück zum JIG-Standort Qingdao. Angaben des städtischen Amtes für wirtschaftliche Zusammenarbeit zufolge arbeiten in ganz Qingdao mehr als 9.000 Außenhandelsfirmen aus dreizehn Wirtschaftszweigen. So ist die ostchinesische Hafenstadt zu 70 Prozent von der Exportwirtschaft abhängig. Inmitten des frostigen Wirtschaftswinters berichten seit Monaten zahlreiche in Qingdao ansässige Unternehmen von einer sehr ungünstigen Geschäftssituation. Angesichts dessen scheinen Geschäftsübernahmen bei gewissen Unternehmen an der Tagesordnung zu sein. Neben JIG bildet der Textilhersteller Cherry Group ein weiteres derartiges Beispiel. Laut Firmenchef Zhao Mingyao ist das Unternehmen seit Monaten international auf Shopping-Tour:
"Wir haben nacheinander zwei ausländische Unternehmen zugekauft. Das eine ist ein südkoreanisches und das andere ein japanisches. Für 1,23 Millionen Yuan RMB haben wir 700 Maschinen und Anlagen der Südkoreaner übernommen. Der japanische Textilhersteller Sojitz Apparel gehört zu den 500 weltweit führenden Unternehmen. In Qingdao präsent ist die Firma mit 18 Millionen Yuan Investitionen, 350 Mitarbeitern und mehr als 600 Maschinen und Anlagen."
Sowohl JIG als auch die Cherry Group sind nach notwendigen Restrukturierungen gerüstet, um ihre strategische Positionierung durch Zukäufe auszubauen und zu einem globalen Champion ihrer Branche aufzusteigen. Und sie können opportunistisch ihre wieder starke Bilanzstruktur und das Umfeld des Kapitalmarktes, also die niedrigen Zinsen, nutzen. Auch deshalb sind viele Qingdaoer Unternehmen auf dem Fusions-Markt sehr aktiv, und das Tempo wird sich in diesem Jahr weiter beschleunigen. Diese Tendenz bestätigt An Bo, Geschäftsführer des Qingdaoer Spielzeugherstellers Huanda, der unlängst einen im südchinesischen Dongguan angesiedelten kanadischen Spezialgummi-Produzenten übernommen hat:
"Die kanadische Firma ist verhältnismäßig klein und erfordert keinen allzu großen Energieverbrauch. Was uns besonders freut, ist das hohe technische Niveau des Unternehmens. Davon profitiert die Entwicklung unserer Markenstrategie."
Dank der langjährigen Erfahrung mit dem Exportgeschäft verfügen viele Qingdaoer Unternehmen traditionell über starke internationale Verbindungen. Sie arbeiten eng mit ausländischen Firmen zusammen und erschließen so neue Märkte. Erfolgreiche Zusammenschlüsse zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass die Partnerunternehmen und deren Führungskräfte gut miteinander vertraut sowie ihre Geschäftsmodelle und -prozesse gegenseitig bekannt sind. Dies hilft, Vorteile, aber auch Schwierigkeiten im Vorfeld der Integration abzuschätzen und nach den Zusammenschlüssen anhand notwendiger Anpassungsschritte gegenseitig zu ergänzen. Ein erfolgreiches Beispiel hierfür ist die Cherry Group, die bereits zwei Unternehmen zugekauft hat. Der Textilhersteller überträgt bestehende Produkte nicht unverändert auf neue Zielmärkte, sondern entwickelt entsprechende neue Strategien. Dazu noch einmal Zhao Mingyao, Geschäftsführer der Cherry Group:
"Nach den beiden Fusionen haben wir viele Anpassungen unternommen. So haben wir eine Reihe von bisherigen Anlagen gewechselt. Manche Sparten, die sich zuvor ausschließlich auf Kinderbekleidung spezialisiert hatten, haben inzwischen ihre Produktpalette erweitert."
Unternehmen wie die Cherry Group haben inzwischen bereits Erfahrungen mit internationalen Fusionen und Übernahmen gesammelt. Es gelte, die besten Elemente beider Unternehmenswelten zu vereinen und lokale Stärken des jeweiligen Partners zu nutzen. Vielfach gewinnen sie durch kleinere Übernahmen und Kooperationen Erkenntnisse für spätere größere Deals.
Zugleich werden Unternehmen, die durch externe Zukäufe wachsen wollen, von der Stadtregierung Qingdao tatkräftig unterstützt. So haben zuständige Behörden eigens einen fünf Millionen Yuan schweren Fonds errichtet. Ziel sei es, viel versprechende Unternehmen zu ermutigen, ins Ausland zu gehen und dort anhand von Geschäftsübernahmen und Fusionen zu investieren. Dazu sagt Xu Zhenghua, Vertreter des Außenhandelsamtes der Stadt Qingdao:
"Die Stadtregierung Qingdao fördert derartige Transaktionen tatkräftig. Dazu haben wir eine Reihe von wirtschaftspolitischen Maßnahmen ergriffen, sei es hinsichtlich der Exportrückerstattung, sei es für eine erleichterte Kapitalbeschaffung. Dadurch versuchen wir, verbesserte Rahmenbedingungen für die Fusionsaktivitäten dieser Unternehmen zu schaffen."
Übersetzt von: Xu Wei
Gesprochen von: Lü Xiqian