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Der Wiederaufbau im Erdbebengebiet Sichuan
  2009-05-12 16:04:59  cri
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Liebe Hörer, Sie hören in den folgenden Minuten das Sonderprogramm von Radio China International "Sichuan, ein Jahr nach dem Erdbeben". Mein Name ist Lü Xiqian.

Der 12. Mai 2008 wird allen Chinesen für immer als schwarzer Tag in Erinnerung bleiben. Vor genau einem Jahr wurden alle großen Fernsehsendungen in China unterbrochen, um die Bevölkerung über das verheerende Erdbeben in der Provinz Sichuan zu informieren:

"Nach Mitteilung des staatlichen chinesischen Erdbebenzentrums (CENC) wurde der Kreis Wenchuan in der Provinz Sichuan heute Nachmittag um 14.28 Uhr Beijinger Zeit von einem Erdbeben der Stärke 7,8 auf der Richterskala erschüttert."

Drei Minuten lang bebte die Erde in Wenchuan. Minuten entschieden damals über Leben und Tod. Yang Ping beispielsweise rettete sich mit einem mutigen Sprung aus dem Fenster:

"Bevor das Haus zusammenbrach, schlug ich die Fensterscheiben ein und sprang hinaus."

Im Nachhinein wurde die Stärke des Wenchuan-Erdbebens auf 8,0 auf der Richterskala korrigiert. Es wird für immer als das verheerende Erdbeben von Wenchuan in Erinnerung bleiben. Über die genauen Opferzahlen informiert uns Huang Mingquan, der Leiter für Zivile Angelegenheiten der Provinz Sichuan:

"Gemäß Statistik sind in unserer Provinz 68.712 Menschen ums Leben gekommen. 17.921 Menschen werden vermisst."

Seit dem großen Beben ist mittlerweile ein Jahr vergangen. Wie präsentiert sich die Situation im Katastrophengebiet ein Jahr danach? Wie sieht der Lebensalltag der Menschen in Sichuan aus? Mein Kollege Zhang Chen besuchte das Dorf Yuzixi in der Gemeinde Yingxiu, wo das Epizentrum des verheerenden Erdbebens lag.

Jiang Yongfu ist der Generalsekretär des Parteikomitees im Dorf Yuzixi in der Gemeinde Yingxiu. Die Gegend im Kreis Wenchuan im Autonomen Bezirk Aba der Tibeter und der Qiang-Nationalität wurde während des Bebens mit am stärksten getroffen. Während der Katastrophe starben rund 6.500 Menschen der fast 16.000 Bewohner der Region. Noch heute zeugen Ruinen von der unvorstellbaren Verwüstung. Die direkten wirtschaftlichen Verluste erreichten dabei etwa 4,5 Milliarden Yuan RMB. Steinlawinen hatten indes die einzige Zugangsstraße nach Yingxiu zerstört. Es dauerte fast ein Jahr, um die Straße nach Yingxiu wieder offiziell für den Verkehr freizugeben. Mit der wiedereröffneten Straße können wieder dringend benötigte Bau- bzw. Hilfsmaterialien schneller an ihr Ziel kommen. Außerdem kommen so auch wieder mehr Menschen in die Gegend. Gleichzeitig wird auch an weiteren neuen Zufahrtsstraßen und Autobahnen gebaut. Dies freut Jiang Yongfu, dem Generalsekretär des Parteikomitees im Dorf Yuzixi in Yingxiu. Denn seit dem Erdbeben betreibt er ein kleines Restaurant im Dorf. Eigentlich war Jiang Bauarbeiter. Doch nachdem sein Haus während des Bebens zerstört wurde, packte er zu und baute auf den Grundmauern der Ruinen seine Gaststätte. Für sein Restaurant baut Jiang fast das gesamte Gemüse selber an und seine Frau erledigt den restlichen Einkauf. Jiang ist auch ein kleiner Arbeitgeber im Dorf, denn mittlerweile arbeiten einige Dorfbewohner in seinem Restaurant. Er sagt, er habe sein Restaurant auch eröffnet, um die Versorgungsengpässe bei der Verpflegung zu lindern.

"Das Erdbeben in Sichuan wurde weltweit aufmerksam verfolgt. Freiwillige aus verschiedenen Landesteilen und aus aller Welt kommen hierher, um uns zu helfen. Sie müssen ja auch irgendwie versorgt werden. Durch die Eröffnung meines Restaurants will ich ihnen für ihre Aufmerksamkeit und ihre Hilfe danken."

Jiang Yongfu sagt, bald soll ein komplett neues Dorf in dem Gebiet entstehen. Bei der Entwicklung des neuen Dorfes werde dem Tourismus große Aufmerksamkeit geschenkt.

"Das neue Dorf Yuzixi soll ein touristisches Ausflugsziel in der Gemeinde Yingxiu werden. Es sind auch eine Gedenkhalle für die Erdbebenopfer und ein Friedhof hier geplant. So sieht der Entwicklungsplan unsers neuen Dorfes aus."

Wang Zhenfang ist Jiang Yongfus Frau. Sie gehört der Qiang-Nationlität an. Das Erdbeben in Sichuan hat auch viele Siedlungen und unwiederbringliche Kulturschätze der Qiang zerstört. Die Kultur und das Wissen der Qiang sind nun quasi vom Aussterben bedroht. Doch dank Menschen wie Wang Zhenfang besteht die Hoffnung, dass die Kultur der Qiang-Nationalität überleben wird. Sie beherrscht die feine und einzigartige Stickereikunst der ethnischen Minderheit.

"Für die Stickerei muss man viel Geduld aufbringen. Wer sich mit Stickerei beschäftigen will, muss langsam und vorsichtig sticken. Man kann jedes Motiv, das einem gefällt, sticken. Als erstes muss man mit dem Bleistift oder Kugelschreiber das Muster auf die Stoffe malen. Dann kann man mit der Stickerei beginnen. Dabei können alle Stoffe verwendet werden."

Wang Zhenfang kann nicht nur schöne Muster der Qiang-Nationalität sticken, sie beherrscht viele Volkslieder der Qiang.

Nach Anordnung der chinesischen Zentralregierung haben sich 19 Provinzen sowie unmittelbare Städte mit ihren Ressourcen am Wiederaufbau im Katastrophengebiet beteiligt. Die Wiederaufbauarbeiten sind bereits zügig vorangeschritten. Überall läuft die Arbeit auf Hochtouren. In den Ortschaften Shifang, Beichuan, Wenchuan und Mianzhu, die vom Erdbeben schwer heimgesucht worden sind, befinden sich die Schul- und Wohnhäuser sowie die zerstörten Straßen bereits im Wiederaufbau.

Die vom Erdbeben beschädigten, aber noch bewohnbaren Bauernhäuser, seien alle restauriert worden, sagt Tian Liya, eine Vertreterin des Amts für den Aufbau der Provinz Sichuan. Die Bauernhäuser von über einer Million Familien seien allerdings völlig zerstört worden und nicht mehr bewohnbar. Mit dem Wiederaufbau der beschädigten Häuser sei im vergangenen Juli begonnen worden, so Tian Liya:

"Um die bauliche Qualität der restaurierten Bauernhäuser und ein rasches Voranschreiten der Wiederaufbauarbeiten zu gewährleisten, haben wir Experten herangezogen. Die Experten haben rund 400 Baupläne ausgearbeitet, die sich nach den Besonderheiten der verschiedenen Regionen und den darin lebenden nationalen Minderheiten richten."

Eines der Dörfer, das nach den kulturellen Besonderheiten der Bewohner wiederaufgebaut wurde, ist das Dorf Jina, in dem Angehörige der Qiang-Nationalität leben. Das Dorf Jina hieß vor dem Erdbeben Maoershi. Die meisten Bauernhäuser im Dorf wurden durch das gewaltige Beben völlig zerstört. Das neue Dorf wurde am Berghang errichtet. Aufgrund der traditionellen Vorliebe der Qiang für die Farbe weiß wurden die Wände der neuen Häuser aus weißen Steinen gebaut. Während die Häuser von außen im traditionellen Glanz erstrahlen, dominiert im Innern eine erdbebensichere Baustruktur. Bisher sind 71 Bauernfamilien des ehemaligen Maoershi-Dorfs in die neuen Häuser eingezogen. Wie Shi Cheng´an hoffen auch die anderen Bewohner von Maoershi, dass der Tourismus das Dorf wiederbeleben wird:

"Wenn der Tourismus sich weiter entwickelt, werden wir gute Geschäfte machen. Ich hoffe, dass immer mehr Touristen unser Dorf besuchen werden."

Bisher konnten über 70.000 der vom Erdbeben betroffenen Familien ihre provisorischen Unterkünfte verlassen und in ihre neu gebauten Häuser einziehen. Der Wiederaufbau der Bauernhäuser sollte Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. Bis Mai 2010 sollten auch die Wiederaufbau- und Renovationsarbeiten an den Häusern in den Städten beendet sein.

Große Aufmerksamkeit wird auch dem Wiederaufbau der Schulen geschenkt. Das Erdbeben vom vergangenen Jahr zerstörte oder beschädigte 13.000 Schulen in Sichuan. 5.335 Schüler kamen ums Leben oder werden vermisst. Wie von Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao gefordert, werden diese Schulen nun erdbebensicher wiederaufgebaut. Dazu Mu Hong, der stellvertretende Leiter der staatlichen Kommission für Reform und Entwicklung:

"Dem Wiederaufbau der Schulen wurde Priorität eingeräumt. 70 Prozent aller Schüler werden inzwischen in neuen Schulgebäuden unterrichtet."

Ein weiterer Schwerpunkt des Wiederaufbaus stellt das Verkehrsnetz dar. Viele Straßen im gebirgigen Sichuan wurden von Erdrutschen zerstört oder beschädigt, die durch das Erdbeben ausgelöst wurden. Gemäß Angaben von Xian Xiong, dem stellvertretenden Direktor des Verkehrsamtes der Provinz Sichuan, sind bisher vier Autobahnen wiederhergestellt worden. Von den 84 Landstraßen würden sich 82 im Wiederaufbau befinden. Schon bald, so Xian Xiong, werde das Verkehrsnetz in Sichuan vollständig wiederhergestellt sein:

"Wir werden die Gelder aus dem Zentralfonds in Höhe von 30 Milliarden Yuan RMB nutzen, um die Verkehrsinfrastruktur im Katastrophengebiet wieder komplett herzustellen. Wir werden die Qualität der Straßen und ihre Resistenz gegen Katastrophen erhöhen, damit sich die Wirtschaft und die Gesellschaft im Katastrophengebiet wieder entwickeln können."

Beim Wiederaufbau ist allerdings nicht nur bauliche Qualität und Effizienz gefragt, sondern auch die psychische Hilfeleistung für die Erdbebenopfer.

"My name is Suzi. I am thirteen years old. My favorite sport is swimming. I like playing the piano. I like eating fruit. I like panda."

Der wirkliche Name des Mädchens, das sich soeben auf Englisch vorgestellt hat, lautet Qing Fangrui. Das 13-jährige Mädchen besucht die Guangya-Schule in der Stadt Dujiangyan. Seit dem Erdbeben am 12. Mai des vergangenen Jahres gelten ihre Eltern als vermisst. Qing Fangrui ist eines jener 650 Kinder, die durch das Wenchuan-Erdbeben zu Waisen wurden. Laut chinesischem Gesetz erhalten Waisenkinder von der Regierung monatlich einen Zuschuss von 600 Yuan RMB. Dank der Unterstützung der Regierung und unregelmäßigen Spenden, gehe es Qing Fangrui finanziell im Moment gut. Bei der seelischen Verarbeitung des Erdbebens wird Qing Fangrui von verschiedener Seite unterstützt, sagt ihre Lehrerin Wu Xiaoxia:

"Von Sonntag bis Freitag wohnt Qing Fangrui zusammen mit ihren Schulkollegen in der Schule. An den Wochenenden bleibt sie manchmal bei ihren Schulkollegen oder wird von Eltern anderer Schulkollegen nach Hause eingeladen. Einmal pro Monat wird sie auch von ihrem Onkel abgeholt. In diesem Semester ist sie heiter und fröhlicher als früher."

Ein weiteres Erdbebenopfer ist Guo Dongmei. Das 16-jährige Mädchen aus Beichuan ist aufgrund einer Beinverletzung seit dem Erdbeben auf den Rollstuhl angewiesen. Um ihre alte Bewegungsfreiheit wiederzukriegen, begibt sich Guo Dongmei jeden Tag ins Rehabilitationszentrum, wo sie unter Anleitung eines Facharztes ein Regenerationstraining macht. Sie werde von vielen Freunden unterstützt, sagt das lebensfrohe Mädchen. Trotz ihrer Verletzung sieht sie der Zukunft hoffnungsvoll entgegen. Sie weiss auch schon ganz genau, was sie später einmal werden will:

"Ich möchte Ärztin werden, weil ich finde, dass man als Ärztin vielen kranken Menschen helfen kann."

Ein weiteres Problem im Katastrophengebiet ist die Beschäftigungsfrage. Fang Xu aus Dujiangyan hat durch das Erdbeben seine Arbeitsstelle verloren. Dank der Vermittlung durch die Behörden fand Fang Xu eine neue Stelle als Arbeiter auf einer Baustelle. Die Regierung der Provinz Sichuan habe nach dem Erdbeben Unternehmen aus anderen Landesteilen ermuntert, in Sichuan tätig zu werden. Die Anforderungen solcher Firmen an die Stellensuchenden seien so niedrig, dass jeder, der eine Arbeit suche, auch eine Chance erhalte, meint Fang Xu:

"Die Löhne sind nach dem Erdbeben gestiegen. Monatlich erhalte ich nun über 2.000 Yuan RMB, das ist fast doppelt so viel wie früher. Das Pro-Kopf-Einkommen der Menschen in dieser Region ist insgesamt gestiegen. Die Regierung hat uns sehr geholfen."

Das verheerende Erdbeben vom 12. Mai 2008 hat in der Provinz Sichuan gewaltige Schäden verursacht. Nicht verändert hingegen hat sich die Hoffnung und Sehnsucht der Menschen auf ein schönes und glückliches Leben. Aus den Trümmern erstehen neue Häuser, von den Pausenplätzen ertönt wieder das Geschrei spielender Kinder. Bis die letzten Wunden verheilt sind, wird es noch eine Weile dauern, der Lebensmut aber ist bereits nach Sichuan zurückgekehrt.

Übersetzt von: Lü Xiqian

Gesprochen von: Lü Xiqian, Zhang Chen

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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