Prof. Chao Huashan
Vor 106 Jahren startete die erste deutsche Forschungsexpedition nach Turfan und andere Regionen des Tarimbeckens in Westchina, die heute zum Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang der Volksrepublik China gehören. Dort wollten sich deutsche Forscher selbst ein Bild von den Ruinenstätten entlang der legendären Seidenstraße machen, von denen schon viele Reisende berichtet hatten.
Der ersten Expedition folgten drei weitere, in deren Folge Tausende Kunstobjekte und Zehntausende Textfragmente nach Berlin kamen. Wandmalereien, Plastiken, Tempelfahnen, Holzfiguren und herausragende Handschriftenfunde aus der Region werden heute im Museum für Asiatische Kunst aufbewahrt. Der Denkmalforscher Prof. Chao Huashan von der Peking-Universität reiste in den 1980er Jahren als Humbolt-Stipendiat eigens nach Deutschland, um diese Funde aus der Nähe zu studieren.
Kürzlich besuchten wir Prof. Chao in seiner Wohnung hier in Beijing. Er erzählte uns dabei interessante Geschichten über die deutschen Expeditionen vor mehr als 100 Jahren und die in Xinjiang gemachten wertvollen Funde.
1980 erhielt Chao Huashan ein Stipendium von der Humbolt-Stiftung, mit dem er ein Kooperationsprojekt mit dem Museum für Indische Kunst in Berlin eingehen konnte. Dort befanden sich damals die Funde. Dazu Prof. Chao:
"Es ging um das Studium der dort aufbewahrten Fundstücke aus buddhistischen Höhlen in Xinjiang. Mein Betreuer war Museumsdirektor Herbert Härtel. Es war ja an sich schon ziemlich interessant, dass nach 80 Jahren extra ein Chinese hinkam, um dort die Fundstücke, die von Xinjiang nach Deutschland gebracht worden waren, zu untersuchen. "
Prof. Chao gestand ein, dass die Funde dort gut aufbewahrt würden. Vor über 100 Jahren hätte die lokale Bevölkerung in Xinjiang diese Höhlenbilder und Inschriften noch für Unsinn gehalten. Sie nahmen sogar Objekte und Gegenstände aus den Höhlen mit nach Hause. Die Höhlenerde nutzten sie teilweise als Dünger. Die deutschen Forscher bedauerten diesen achtlosen Umgang sehr, und da die örtliche Verwaltung nichts dagegen einzuwenden hatte, kamen sie auf die Idee, die Fundstücke nach Deutschland zu transportieren. Dort sollten sie für lange Zeit aufbewahrt werden.
Wenn man dies aus heutiger Sicht betrachte, habe dieses Vorgehen zwar zum Schutz des Kulturerbes beigetragen, zugleich sei aber die Komplettheit der Kulturschätze geschädigt worden, betont Prof. Chao.
Im Museum für Indische Kunst arbeitete Prof. Chao von 1981 bis 1983 als Gastforscher. Er studierte gründlich alle Fundstücke der so genannten „Turfan-Sammlung" im Museumsfundus. Auch sichtete er mehrere Tausend Fotos und 28 dicke Aktenbände über die vier Expeditionen nach Xinjiang, wobei ein solcher Band zwischen 300 und 500 Seiten umfasste. Diese umfangreiche Sammlung ausführlicher Dokumente hat Prof. Chao sehr beeindruckt:
"Fast alles, was in Zusammenhang mit den Expeditionen stand, wurde von den deutschen Forschern aufgezeichnet. Sogar Visitenkarten von chinesischen Beamten und Beriefe von Verwandten in Deutschland brachten sie nach Deutschland zurück. Die Visitenkarten der chinesischen Beamten waren damals rote Papierstreifen, etwa zehn Zentimeter lang und 20 Zentimeter breit. Darauf stand nur der Name des jeweiligen Beamten, aber keine Beschreibung des Postens. Auf einem Brief, der von Deutschland über Russland bis nach China geschickt wurde, waren 26 Poststempel zu sehen. Schon daran erkennt man, dass die Lebensbedingungen damals schlecht waren. "
Die Lebens- und Arbeitsbedingungen der deutschen Forscher waren in der Tat schlecht. Trotzdem konnten sie in Xinjiang eine große Anzahl zum Teil verschütteter, in Berghänge eingegrabener Höhlen aufspüren und diese auch freilegen. Die technisch schwierige Arbeit musste oft unter Lebensgefahr und unter primitivsten Verhältnissen sowie mit Hilfe unerfahrener einheimischer Arbeiter durchgeführt werden. Der Arbeitstag begann bei Sonnenaufgang, oftmals schon vor 4.00 Uhr morgens, und dauerte mindestens bis 19.00 Uhr. Das Abendessen war meist einfach. Eine ganze Zeit lang mussten die Forscher von Tee, Brot, Früchten und Palao, das ist in Hammelfett gedämpfter Reis, leben.
Zu den Fundstücken gehören buddhistische Fresken, Lehmplastiken, Tausende von Handschriften, Reste von Papier- und Seidenmalereien sowie Gewebe. Die Fundstücke wurden allesamt in Kisten nach Deutschland verschickt. Heute sind die Funde unter der Bezeichnung "Turfan-Sammlung" bekannt und werden zum großen Teil im Berliner Museum für Asiatische Kunst aufbewahrt. Allein die Auswertung der Handschriften ergab, dass es sich um Texte in 17 verschiedenen, oft unbekannten Sprachen und 24 Schriftarten handelt.
Zum hundertjährigen Jubiläum der deutschen Expedition nach Xinjiang wurde Prof. Chao zu einer Konferenz nach Deutschland eingeladen. Er zeigte dabei den Anwesenden beeindruckende Fotos der Ruinenstätten, in denen damals deutsche Forscher gearbeitet hatten. Prof. Chao:
"Die Veränderungen der Ruinen nach 100 Jahren waren zum Teil groß, wobei die größten Veränderungen normalerweise auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen sind. "
Gesprochen von: Xu Wei, Qiu Jing
Bearbeitet von: Qiu Jing