In einer tiefen Nacht im November 1978 versammelten sich Yang Hongchang und 18 Bauern in einer schäbigen Strohhütte. Mit einem Hauch Nervosität im Gesicht drückten die Bauern ihre Finger auf ein Bescheinigungspapier. Mit dieser kleinen Zeremonie wurden alle Ackerfelder des Dorfes an die verschiedenen Bauernhaushalte zugewiesen. Dieser Vorgang war der eigentliche Auftakt der Reform auf dem Land beziehungsweise der Reform und Öffnung in ganz China. 30 Jahre sind nun vergangen. Unsere Reporter reisten aus diesem Anlaß in das Dorf Xiaogangcun im Kreis Fengyang in der ostchinesischen Provinz Anhui, um die Familie von Yang Hongchang zu interviewen.
Der Sohn von Yan Hongchang, Yan Yushan, sagt uns:
"Die Leute sagen alle, dass mein Vater als Erster Vertragsfelder an einzelne Bauernhaushalte zugeteilt hat. Aber bei uns in der Familie essen alle aus einem Topf. Mein Vater hat fünf Kinder. Alle leben unter einem Dach. Beim Essen brauchen wir zwei große Tische."
Die 21-köpfige Familie, bestehend aus vier Generationen, hat die Möglichkeiten ihrer mehr als drei Hektar großen Ackerfläche voll ausgenutzt. Die Familie kann sich heute satt essen, sich warm einkleiden und elektrische Haushaltsgeräte kaufen.
Vor 30 Jahren musste die Familie allerdings noch unter Hunger leiden und sogar betteln.
Damals galt noch das seit den 1950er Jahren praktizierte System der Volkskommunen. Alle Bauern gingen zusammen auf die Felder, machten zusammen Feierabend und aßen auch zusammen in der großen Kantine der Volkskommunen. Es war egal, ob man auf den Feldern fleißig war beziehungsweise viel oder wenig arbeitete. Die Effizienz war folglich sehr niedrig, Jahr für Jahr war der Getreideertrag zu gering. So mussten im Herbst viele Eltern mit ihren Kindern auf die Straße gehen und um Essen betteln. Meist wurde dabei das Trommellied "Feng Yang Ge" gesungen.
Um einen Ausweg zu finden, gründete Yang Hongchang 1976 einen Bautrupp mit mehreren hundert Mitgliedern, seiner Familie ging es nach und nach besser. Schließlich wurde er von den Dorfältesten wieder zurück ins Dorf "eingeladen". Die Dorfbewohner wählten ihn sogar zum Dorfvorsteher. Yang Hongchang erinnert sich noch an die Worte eines Alten:
"Hongchang, das ganze Dorf weiß nun, was Du unternehmen wirst. Wenn Du erreichen kannst, dass wir nicht mehr zum Betteln gehen müssen, sind wir schon zufrieden. Ich selbst möchte einfach nur einmal eine Schale Mehlbrei trinken. Diesen Wunsch habe ich schon seit zehn Jahren, aber er hat sich immer noch nicht erfüllt."
Von den Älteren erfuhr Yan Hongchang, dass ihr Dorf noch zum Beginn der Gründung der Volksrepublik jährlich Getreideüberschüsse erzielte, die sie dann dem Staat abgeben konnten. Auf ihren Privatparzellen arbeiteten die Bauern sehr aktiv. Der Ertrag des eigenen Feldes, etwa einen Mu groß, das sind 667 Quadratmeter, übertraf dabei den Ertrag der Kommune auf einer Fläche von 20 Mu. So entschied sich Yan Hongchang dazu, den Bauern Vertragsfelder zuzuteilen.
Als der Tag kam, waren alle sehr aufgeregt. Auf ein Bescheinigungspapier drückten die Bauern ihre feuerroten Finger und versprachen, jährlich einen Getreideanteil an den Staat abzugeben. In der Nacht am 24. November 1978 wurden schließlich Ackerflächen, Vieh und Agrarwerkzeuge des Dorfes den einzelnen Haushalten zugeteilt.
Die für die damalige Zeit fast verrückte Tat brachte dem Dorf Xiaogangcun im darauffolgenden Jahr die erste erfolgreiche Ernte. Alle Dorfbewohner konnten sich satt essen. Auch gab das Dorf zum ersten Mal Getreide an den Staat ab und konnte Kredite zurückzahlen.
Dank der Unterstützung der Provinzverwaltung wurden die Erfahrungen des Dorfes sehr schnell in der ganzen Provinz verbreitet. So wurde gleich darauf das System der vertragsgebundenen Verantwortlichkeit auf Basis der Haushalte landesweit erprobt. Diese große Reform auf dem Land führte in den ländlichen Regionen in China zu beträchtlichen Veränderungen.
Yan Hongchang sagte uns, die Zentralregierung habe derzeit vor, die Grenze zwischen der Dorfverwaltung sowie der Autonomie und der Selbstständigkeit der Dorfmitglieder klarer zu definieren. Es sei auch vorgesehen, das Dienstleistungssystem in den ländlichen Gebieten zu perfektionieren. Damit habe die Regierung den Schlüsselpunkt für die ländliche Reform fest angepackt. Yan Hongchang:
"Die Reform des Landes hat einen richtigen Weg eingeschlagen. Das ist meine persönliche Erfahrung. Wenn sich die Verwaltung nun wirklich in eine Dienstleistungsverwaltung umwandeln kann, werden die Entwicklungsaussichten grenzenlos sein."
Es bleibt immer noch ein unerfüllter Wunsch von Yan Hongchang, dem Dorf Xiaogangcun durch die Förderung von Industrie und Handel zu noch mehr Wohlstand zu verhelfen. Dieses Vorhaben übernimmt nun sein ältester Sohn, Yan Yushan. Dieser hat vor einiger Zeit in dem Dorf ein Unternehmen gegründet - die Anhui Xiaogangcun, eine wissenschaftlich-technische Firma. Er plant zudem den Bau einer Fabrik für stromsparende Anlagen. Das Projekt wurde mittlerweile von der Lokalregierung als Schwerpunktprojekt eingestuft. Yan Yushan erklärt:
"Ich gehöre zur zweiten Generation des Dorfes seit dem Beginn der Reform und Öffnung Chinas. Die Entwicklung im nächsten Schritt ist nun die Sache von uns Jüngeren. "
Yan Hongchang ist natürlich sehr stolz auf die Leistungen seiner Kinder in den verschiedenen Bereichen, sei es in der Landwirtschaft, in der Industrie oder auch in Handel und Forschung. Sein Traum ist es, dass sich das Dorf künftig in eine Stadt entwickelt.
Übersetzt und bearbeitet von: Qiu Jing
Gesprochen von: Yin Jinghui