Wer heute nach Gubeikou kommt, vermag es kaum zu glauben, dass dieses idyllische Dorf auf eine höchst kriegerische Geschichte zurückblickt. Gubeikou heißt auf Deutsch „Alter, nördlicher Pass" und liegt im Nordosten des Kreises Miyun, zirka 135 Kilometer von Beijing entfernt. Im Jahr 1214 errichtete die Jin-Dynastie hier eine Festung namens „Eisernes Tor", und nach der Gründung der Ming-Dynastie wurde sie zu einer Stadt ausgebaut und unter starken militärischen Schutz gestellt. Im Verlauf der Geschichte wurde das Dorf immer wieder Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen, zuletzt in den 1930er Jahren, als die Japaner einen Angriff auf die chinesischen Stellungen durchführten und diese nach verlustreichen Kämpfen eroberten. Heute noch sind in manchen Abschnitten zahlreiche Einschlaglöcher von Kugeln zu sehen.
Das ist jedoch das einzige, was heutzutage an Krieg und Gewalt erinnert. 1.100 Menschen verschiedener nationaler Minderheiten leben in Gubeikou in einer Idylle, die sich weit über die Grenzen des Dorfes hinaus herumgesprochen hat. Nicht umsonst wurde Gubeikou 2008 mit dem Titel „Das schönste Dorf von Beijing" ausgezeichnet. Dementsprechend stolz sind die Einheimischen auf ihre Heimat. Der ganze Ort zeigt sich herausgeputzt und von seiner besten Seite für die Besucher. Sie sind das größte Kapital, denn Gubeikou lebt in erster Linie vom Tourismus. Wer sich von der hektischen Großstadtatmosphäre Beijings erholen möchte, muss nur den Bus oder den Zug nehmen – nach 2 1/2 Stunden steigt man in einer komplett anderen, deutlich ruhigeren Welt wieder aus.
Im Frühjahr wird in Gubeikou emsig gearbeitet. Der ganze Ort wird noch einmal auf Vordermann gebracht und verschönert. So wird beispielsweise ein Kanal mitten durch das Dorf gegraben, in dem Seerosen gepflanzt werden, was den Reiz der Gegend zusätzlich erhöhen wird. Viele Besucher interessieren sich auch für die Laternenmanufaktur. Chang Mingliang ist ein berühmter Laternenmeister, der in Gubeikou gemeinsam mit anderen Dorfbewohnern seine Kunstwerke herstellt. Im Winter gibt es ein eigenes Laternenfest, das die Gegend in ein zauberhaftes Licht taucht.
Zu besichtigen gibt es freilich noch mehr. So stehen mehrere Tempel im Dorf, die in verschiedenen Dynastien errichtet wurden. Auch sie sind dank gründlicher Renovierungsarbeiten in hervorragendem Zustand. Genießen kann man jedoch nicht nur die fantastische Natur- und Kulturlandschaft, sondern auch die leckeren Spezialitäten, die die Einheimischen liebevoll zubereiten. Das Beispiel von Gubeikou zeigt, dass nicht nur Beijing eine Reise wert ist, sondern auch die Dörfer in der Umgebung, die alle ihren eigenen Reiz haben.
Text: Wolfgang Kuhn